Elfte Szene


[133] Große Gesindestube im Schloß. Man sieht Jagdhörner, Spindeln etc.

An der Wand ein großes Kruzifix.

Margaretha sitzt am Tisch und legt Kräuter auseinander. Golo lehnt starr und schweigend gegen die Wand. Katharina steht vor ihm.


KATHARINA nach einer langen Pause.

Du zücktest gegen mich dein Schwert. Ich steh

Und wills verzeihn. Doch, bitten sollst du erst.

GOLO.

Fort! Stört den Teufel nicht, der bei mir ist!

KATHARINA.

Er wird verrückt! O Weib! Verfluchtes Weib!

Er wollte einen Kuß! Was ist ein Kuß!

MARGARETHA lacht.

KATHARINA.

Was lachst du?

MARGARETHA.

Immer gibts der Toren doch,

Die so weit gehn, daß sies zum Galgen führt,

Doch nicht so weit, daß es sie glücklich macht.

KATHARINA.

Er ging nur zu weit.

MARGARETHA erhebt sich.

Nein! Nicht weit genug.

Der Ritter ist noch jung! Ach Gott! Ein Kuß!

Ein Kuß ist ein Versprechen. Gibt man erst

Versprechen ab, wenn man schon halten will?

Er war zu ungeschickt! War das Gemach

Denn abgeriegelt? Nein! Du drangst ja ein!

Das arme Weib! Mir schelte keiner sie!

Wer wagte das bei unverschloßner Tür!

Sie wurde rot, nicht? Oder ward sie bleich?

Nun, das ist gleich! Der einen dringt das Blut

Zum Herzen, und der andern zum Gehirn.

Sie sprach von ihrem Mann? Das tut man wohl,

Man ruft ihn an, wie einen Heiligen,

Sobald man weiß, daß er nicht hören kann.

Sprach sie nicht auch von Gott? Ach, daß Ihr dies

So falsch verstanden habt! Ich denke doch,

Ein Weib ist weit genug, wenn sie erklärt,

Daß nur die Allmacht sie noch schützen kann.

Dort geht sie zur Kapelle! Engelschön![133]

Wär ich ein Mann, ich setzte alles dran!

Doch, Männer gibts vielleicht, die dem Gemahl

Das Licht vortragen, wenn er sie besucht.

Nun, die sind brav. Gott segne sie und Euch.

GOLO.

Was sprach sie?

KATHARINA.

Gings, wie Wind, an deinem Ohr

Vorbei? So höre mich. Wenn der Herr Graf

Zurück kommt und erfährt, was du gewagt –

Meinst du, er kanns verzeihn?

GOLO.

Das kann er nicht,

Doch zweifle nicht, sie schweigt.

MARGARETHA.

Sie schweigt? Ei! Ei!

Ist die ein braves Weib, die das verhehlt,

Was ihres Mannes Ritter-Ehre mehr

Noch kränkt, als ihre Frauen-Ehre? Die

Sich der Gefahr aussetzt, zum zweiten Mal

Den Bock zum Gärtner sich bestellt zu sehn?

Nein, junger Herr, ist sie ein braves Weib,

So muß sies beichten, beichtet sie es nicht,

So ist sie so, wie Ihr sie brauchen könnt.

Nun wär mein Rat: versucht den zweiten Weg!

Ihr müßt zum Ziel, und treibt Euch nicht die Glut,

So treibe Euch die Sorge um Euch selbst.

Ihr habt da einen hübschen Lockenkopf,

Es wär doch schade, wenn ein Henker dran

Beweisen müßte, daß er Meister ist.

GOLO.

Was meint Ihr mit dem zweiten Weg?

MARGARETHA.

Ja, seht:

Wenn sie Euch abwies, denk ich, so geschahs,

Weil ihrem Sinn die Ehre höher galt,

Als das Vergnügen, das sie Sünde nennt.

Kehrt einmal das Verhältnis um, und nehmt

Die Ehre ihr, die Sünde aber stellt

Als Preis, um den sie, wenn sie willig ist,

Den Leumund sich zurück erkaufen kann.

GOLO.

Der Teufel selbst ersinnt nichts Besseres.

Doch – wie versteht Ihr das?

MARGARETHA.

Gibts hier im Schloß[134]

Nicht einen Diener, dem sie Gunst beweist?

KATHARINA.

Da ist der Drago!

MARGARETHA.

Den ich draußen sah?

»Ihr seid noch krank!« »Ihr geht zu Bett!« Zu Bett!


Lacht.


KATHARINA.

Das ist ihr Mann! Den zieht sie allen vor!

Man weiß nicht recht, warum?

GOLO.

Ich weiß es! Gott!

KATHARINA.

Die andern sind ihm alle neidisch.

MARGARETHA.

So?

KATHARINA.

Doch häßlich ist er, wie die Nacht!

MARGARETHA.

Was tuts!

Nun weiter. Diesen Drago schiebt ihr still

Ins Schlafgemach. Es könnte gleich geschehn,

Sie ist noch vom Gebete nicht zurück.

GOLO.

Wozu?

MARGARETHA.

Daß man ihn finde, wo man nie

Ein Mannsbild finden darf. Nur frägt es sich:

Wie bringt man ihn hinein?

GOLO.

Ich hab es schon!


Für sich.


Ich laß ihn Wache stehn!

MARGARETHA.

Dann brecht Ihr ein,

Nehmt Zeugen mit, stürzt auf den Menschen zu,

Ergreift ihn, führt ihn, eh er reden kann,

Von hinnen, werft ihn ins Verlies hinab

Und macht mit ihm, was Euch gefällt. Will er

Nicht sprechen, wie er sprechen muß, so ists

Genug, wenn er nur gar nicht wieder spricht.

Die Dienerschaft ist überzeugt, sie gilt

Für eine Ehebrecherin, und Ihr

Habts in der Macht, wie lang es dauern soll;

So lange, denk ich, bis sies wirklich wird.

Sobald sie sich im stillen Euch ergab,

Erklärt Ihr, daß sie rein und schuldlos ist,

Und straft den Drago, wenn er dann noch lebt,

Für dies und das, was sich erfinden läßt,

Mit ewgem Kerker, oder schnellem Tod.[135]

GOLO.

Satanisch!

MARGARETHA.

Ei, Warum? Wenn sie besteht,

Wer wehrt Euch dann, der neuen Heiligen

Mit eigner Hand als erstes Opfertier

Euch selbst zu schlachten? Doch – versucht sie erst

Und seht, ob sies verdient. Das tut Gott selbst.

Er reichte keiner noch die Palme dar,

Die er zuvor in Flammen nicht geprüft.

GOLO.

Da habt Ihr recht.

KATHARINA.

Der Drago kommt!

DRAGO tritt still ein.

GOLO.

So geht!

MARGARETHA.

Schnell! Schnell!

KATHARINA.

Vorsichtig, Sohn!

GOLO.

Ist ihr Gemach

Auch offen?

KATHARINA.

Ja, denn sie verschließt es nie.


Beide ab.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 133-136.
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