[178] Es ist früher Morgen. Halle im Schloß. Golo tritt mit Hans und Balthasar auf. Er trägt Mantel und Sporen.
GOLO zieht Siegfrieds Siegelring ab.
Kennt Ihr den Ring?
BALTHASAR.
Es ist des Grafen Ring!
GOLO.
Kennt Ihr das Schwert?
BALTHASAR.
Es ist des Grafen Schwert!
GOLO.
So wißt: das Schwert hier hat er mir gereicht,
Daß es durchhacke seines Weibes Hals.
Den Ring, damit an seines Willens Ernst
Nicht Vorwitz oder Mitleid zweifeln kann.
BALTHASAR.
Klug tat er dran.
GOLO.
Euch beide frag ich nun,
Ob ihr die Tat an ihr vollstrecken wollt.
BALTHASAR.
Wir?
GOLO.
Seid ihr Memmen, daß ihr um das Ja
Erst mit euch kämpfen müßt? Dann rat ich: geht
Und schert im stillen eure Bärter ab,
Die waren schuld, daß ich so lange euch
Für Männer hielt.
BALTHASAR.
Warum tut Ihrs nicht selbst?
GOLO.
Ich bin der Richter, doch der Henker nicht,
Und wollt euch ehren. Hans, was sagst denn du?
HANS.
Ich bin bereit!
BALTHASAR.
Bist dus? Dann bin ichs auch!
GOLO.
Wohlan denn!
HANS halb für sich.
Ist sie doch die erste nicht!
BALTHASAR.
Das wußt ich längst!
HANS.
Du lügst!
BALTHASAR.
Du tätest wohl,
Allein zu schlafen! Else!
HANS.
Balthasar!
GOLO.
Was tuts denn, Hans?
HANS.
Wenn es nichts tut, so kann[178]
Ichs beichten!
GOLO.
Nun?
HANS.
Ich tötete ein Weib,
Das, als ich warb, mich höhnend von sich wies.
Noch sehe ich des Schädels grausen Spalt,
Die starren Augen, und die Hand, die sie,
Bevor sie hinsank, ballte.
BALTHASAR.
Bösewicht!
GOLO zornig.
Was wettest du, dir will ich von dir selbst
Ein Stück erzählen!
BALTHASAR.
Höchstens einen Griff
In eine fremde Truhe!
GOLO.
Allerdings!
In die des Grafen! Aus dem eignen Sack
Ersetzt ich, was du stahlst, damit ich dich
Nicht hängen lassen dürft am nächsten Baum.
Schäm dich nur nicht, doch reich dem Blutmann hier
Die Hand, wie ich. Ich wußte damals nicht,
Warum ichs tat, jetzt aber weiß ichs wohl.
Ich hatte in das Edle mich verliebt,
Und nicht mit Worten bloß, mit Taten auch
Kann man sich schminken.
BALTHASAR.
Nun, wenn Ihr es wißt,
So will ichs eingestehn. Doch glaubt nur nicht,
Daß ich mir eben viel daraus gemacht,
Wenn Ihr mich auch ertapptet. Konnt ich dann
Auch nicht den Diebstahl leugnen, hätt ich doch
Durch eine Absicht wundervoller Art
Ihn so vergoldet, daß Ihr ihn nicht bloß
Verziehen, nein, bewundert noch dabei.
GOLO.
Das wäre viel.
BALTHASAR.
Ich sprach den Tag zuvor
Beim Köhler ein, dem es so schlecht ergeht.
Heintz – sagt ich, als ich ging – merkt Euch mein Wort:
Um Euch zu helfen, tu ich, was ich kaum
Vor Gott und meinem Herrn vertreten kann:
Da trug ichs schon im Sinn. Ergrifft Ihr mich,
So wars aus Schwachheit des Gemüts geschehn,[179]
Aus Mitleid mit dem Köhler, und der Mann
Hätts mir bezeugt.
GOLO.
Du bist ein ganzer Schuft!
Zur Sache nun. In einer Viertelstund
Kommt ihr zum Turm hinab und pfeift. Sogleich
Werd ich euch öffnen, und die Sünderin
Euch übergeben, der ich unterdes
Den Tod verkünden will.
BALTHASAR.
Weiß sies noch nicht?
GOLO.
Nein doch. Ich steig ja eben erst vom Pferd.
Ihr nehmt sie dann, samt ihrem Kind, und führt –
HANS.
Verzeiht – das Kind stirbt mit?
GOLO.
Er will es so.
HANS zu Balthasar.
Töt du das Kind, ich töte sie dafür!
BALTHASAR.
Wir losen, denk ich.
GOLO.
Schweigt, und hört auf mich!
Ihr führt sie in den Wald. Zur rechten Hand
Biegt ihr vom Fußsteig ab und schreitet vor,
Bis ihr an einen Quell gelangt –
BALTHASAR.
Mir ist
Der Platz bekannt, ich habe dort für sie
Einst einen Rasensitz erhöht!
GOLO.
Beim Quell
Macht Halt und –
Er hält schaudernd inne.
BALTHASAR macht die Bewegung des Kopfabhauens.
GOLO.
Richtig, lieber Balthasar!
HANS in Gedanken.
Das Kind!
BALTHASAR.
Läßt man sie beten?
HANS zornig.
Fragst du noch?
GOLO.
Ein Vaterunser!
BALTHASAR.
Bis man hundert zählt?
GOLO.
Ja wohl.
BALTHASAR.
Die Leichen?
GOLO.
Werden gleich verscharrt!
BALTHASAR.
Gut!
GOLO.
Merkt euch! Rechts beim Quell![180]
HANS.
Er kennt den Ort!
GOLO zu Balthasar.
Noch eins! Der Graf, als ich aus Straßburg ritt,
Rief dies mir nach: Ich folg dir, eh dus denkst,
Und treff ich sie zu Haus noch lebend an,
So hau ich dich in Stücke, wie sie selbst.
Wollt man dem Weib auch gnädig sein, man darfs
Nicht wagen, denn es kostete den Kopf.
HANS.
Ich hört es selbst. Wir wollen ihr das Haar
Abschneiden, daß er den Gehorsam sieht.
BALTHASAR.
Man löst wohl besser ihr die Augen aus.
HANS.
Willst du es tun?
BALTHASAR.
Sobald sie tot ist: Ja!
GOLO.
Auf eins bin ich begierig.
HANS.
Und auf was?
GOLO.
Ob sie in ihres Kerkers Dunkelheit
Nicht eine giftge Fabel gegen mich
Ersonnen hat, die mich verdächtig macht?
HANS.
Wie könnte sie?
GOLO.
Du zweifelst doch wohl nicht,
Daß sie mich hassen muß? Wer war es denn,
Der auf die Spur ihr kam, der sie verklagt?
Der, als sie alles, Herz und Hand ihm bot
Für einen einzgen Schuß, aus dem Gebüsch
Zu tun auf den heimkehrenden Gemahl,
Verachtend ihr den Rücken zugewandt?
HANS.
War sie so schlecht? Bei allen Teufeln denn,
Der tut was Gutes, der sie niedersticht.
GOLO.
Hans, wettest du? Du wirst der erste sein,
Der ihr die Fabel glaubt!
HANS.
Um Haut und Haar,
Ums Wams!
GOLO.
Wohlan, ums Wams. Kehrst du zurück
Und hast nicht einen Augenblick geschwankt,
So ist mein Tressenrock, mein neuer, dein.
Doch, wenn du kindisch wirst, zieht Balthasar
Das Wams dir ab und nimmts. Ich schenk es ihm.
In einer Viertelstunde![181]
HANS UND BALTHASAR abgehend.
Gut, beim Turm!
GOLO zieht eine Schreibtafel hervor, reißt ein Blatt heraus und schreibt mit Unterbrechungen.
Weißt du gewiß, daß es dein Ernst nicht ist?
Daß du, sobald es not tut, aus dem Busch
Hervortrittst, ihr dies Blatt reichst, und dich selbst
An ihrer Statt dem Rächer-Eisen beutst?
Besinne dich, und trau dir nicht zu viel!
Er schreibt.
Wie, wenns dich, wie ein Wahnsinns-Wirbel packt,
Wenn du dem Mörder darum nur das Schwert,
Sobald ers zückt, entreißest, um an ihr
Mit eigner Faust die Bluttat zu vollziehn?
Wenns, wie belebt, in deiner Hand sich dreht,
Wenns auf dem Weg zu deinem Herzen sich
Verirrt, und sich den Weg zu ihrem bahnt?
Je schrecklicher das ist, je eher kanns
Geschehn. In allen Sinnen drängts. Gott zieht
Umsonst den Faden an, der lose noch
Ans letzte Ende der Natur dich knüpft,
Du denkst: gleich bin ich frei! und haust ihn durch.
Er schreibt.
Da stehts! Und würd ich nicht in ihrem Blut
Für Zeit und Ewigkeit zugleich mich fei'n?
So mit Entsetzen bis ins Innerste
Die Seele tränken, so den kranken Geist
Ins Grausen bannen, daß der Lebensborn,
Einfrierend, stockte, des Bewußtseins Kreis
Zerbräche, und das starrende Gefühl
Jedweder Regung trotzte? daß die Tat,
Die so, wie keine mehr, zum Himmel auf
Um Rache schriee, vor der Rache selbst
Mich schützte, weil sie mich versteinerte?
Ja, daß vielleicht das Unerhörte sich
Begäbe, daß ich selbst, das blutge Schwert
Erhebend, stumpf und unbewußt die Welt
Durchirrt und früge, wer ihr Mörder sei?
Er faltet das Blatt und legt es in die Schreibtafel.[182]
Ausgewählte Ausgaben von
Genoveva
|
Buchempfehlung
Die frivole Erzählung schildert die skandalösen Bekenntnisse der Damen am Hofe des gelangweilten Sultans Mangogul, der sie mit seinem Zauberring zur unfreiwilligen Preisgabe ihrer Liebesabenteuer nötigt.
180 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro