Erste Szene

[207] GENOVEVA tritt aus der Höhle.

Der strenge Winter ist vorbei, der Wald

Wird wieder grün, die Lüfte werden lau,

Die Blumen blühn, des Frühlings Macht ist groß,

So groß, daß ich sogar mich freuen muß!

Jetzt sind es sieben Jahr! Wie wunderbar

Ist doch der Mensch gemacht! In seinem Glück

Erträgt er nichts! Und alles in der Not!

Drei Elemente sind für ihn genug,

Er kommt mit Erde, Luft und Wasser aus,

Das Feuer braucht er schon nicht mehr, ich habs

Hier nicht gehabt und leb mit meinem Kind!

Ach! Und der arme Wurm! Wie freut er sich

Des Atemholens, denn was hat er sonst?

Wie sprang er heute immer ein und aus,

Und als ich fragte: Warum tust du das?

Ei, rief er, drinnen werd ich wieder kalt,

Dann tut der Sonnenschein mir doppelt wohl!

Jetzt sucht er Wurzeln, und hat neue Lust,

Denn leichter gibt die Erde sie heraus,

Auch findet sich wohl eine Beere schon!


Sie faltet die Hände.


O Gott, ich danke dir für so viel Glück!

Und wenn du willst, daß auf der ganzen Welt

Auch nicht ein einziger mehr murren soll,

So zeige jeglichem im Traum dies Kind!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 207.
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