Dritte Szene

[573] Titus tritt ein.


HERODES.

Nun, Titus, nun?

Bekennt Soemus?

TITUS.

Was du weißt! Nicht mehr!

HERODES.

Nichts von –

TITUS.

O nein! Er fuhr, wie rasend, auf,

Als ich von fern nur darauf deutete!

HERODES.

Ich konnte es erwarten!

TITUS.

Niemals hätte

Ein Weib, wie deins, gelebt, und niemals sei

Ein Mann des Kleinods, das ihm Gott beschieden,

So wenig wert gewesen –

HERODES.

Als ich selbst!

Ja, ja! – »Er wußte nicht, was Perlen sind,

Drum nahm ich ihm sie weg!« So sprach der Dieb.

Ich weiß nicht, halfs ihm was?

TITUS.

Ihr Herz sei edler

Als Gold –

HERODES.

So kennt er es? Er ist berauscht

Und lobt den Wein! Ist das nicht ein Beweis,

Daß er getrunken hat? Was schützte er

Denn vor? Warum verriet er meinen Auftrag

An sie?[573]

TITUS.

Aus Abscheu, wie er sagt!

HERODES.

Aus Abscheu?

Und diesen Abscheu sprach er mir nicht aus?

TITUS.

Wär das ihm wohl bekommen? Hättest du

Den starren Diener leben lassen können,

Der den Befehl einmal von dir empfing

Und ihn zurückwies?

HERODES.

Wars in solchem Fall

Denn nicht genug, ihn unvollführt zu lassen?

TITUS.

Gewiß! Doch wenn er weiter ging, so tat ers

Vielleicht, weil du ihm schon verloren schienst,

Und weil er nun die Gunst der Königin

Auf deine Kosten sich erkaufen wollte,

In deren Händen seine Zukunft lag.

HERODES.

Nein, Titus, nein! Soemus war der Mann,

In eigener Person den Griff zu wagen,

Der uns die fremde Gunst entbehrlich macht!

Nur darum übertrug ichs ihm, ich dachte:

Er tuts für sich, wenn ers für dich nicht tut!

Ja, wär er ein Geringrer, als er ist,

Und hätt er nicht in Rom die vielen Freunde,

So wollt ichs glauben, aber jetzt – Nein, nein!

Es gab nur einen Grund!

TITUS.

Und dennoch räumt

Er den nicht ein!

HERODES.

Er wär nicht, was er ist,

Wenn er es täte, denn er weiß gar wohl,

Was folgen wird, und hofft nun, durch sein Leugnen

In meiner Brust noch einen letzten Zweifel

Zu wecken, der, wenn nicht sein eignes Haupt,

So doch das ihrige, vorm Tode schützt!

Allein er irrt, dem Zweifel fehlt der Stachel,

Denn hätt ich nichts zu strafen, was sie tat,

So straft ich, was sie ward, und was sie ist!

Ha! Wär sie je gewesen, was sie schien:

Sie hätte so sich nie verwandeln können,

Und Rache nehm ich an der Heuchlerin!

Ja, Titus, ja, ich schwör es bei dem Schlüssel[574]

Zum Paradies, den sie in Händen hält;

Bei aller Seligkeit, die sie mir schon

Gewährte und mir noch gewähren kann;

Ja, bei dem Schauder, der mich eben mahnt,

Daß ich in ihr mich selbst vernichten werde:

Ich mach ein Ende, wie's auch stehen mag!

TITUS.

Es ist zu spät, dir warnend zuzurufen:

Gib den Befehl nicht! und ich kenne selbst

Kein Mittel, das zur Klarheit führen kann,

Drum wag ich nicht zu sagen: halte ein!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 573-575.
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