Caput III

[354] Traum der Sommernacht! Phantastisch

Zwecklos ist mein Lied. Ja, zwecklos

Wie die Liebe, wie das Leben,

Wie der Schöpfer samt der Schöpfung!


Nur der eignen Lust gehorchend,

Galoppierend oder fliegend,

Tummelt sich im Fabelreiche

Mein geliebter Pegasus.


Ist kein nützlich tugendhafter

Karrengaul des Bürgertums,

Noch ein Schlachtpferd der Parteiwut,

Das pathetisch stampft und wiehert!


Goldbeschlagen sind die Hufen

Meines weißen Flügelrößleins,

Perlenschnüre sind die Zügel,

Und ich laß sie lustig schießen.


Trage mich, wohin du willst!

Über luftig steilen Bergpfad,

Wo Kaskaden angstvoll kreischend

Vor des Unsinns Abgrund warnen!


Trage mich durch stille Täler,

Wo die Eichen ernsthaft ragen

Und den Wurzelknorr'n entrieselt

Uralt süßer Sagenquell!


Laß mich trinken dort und nässen

Meine Augen – ach, ich lechze

Nach dem lichten Wunderwasser,

Welches sehend macht und wissend.
[354]

Jede Blindheit weicht! Mein Blick

Dringt bis in die tiefste Steinkluft,

In die Höhle Atta Trolls –

Ich verstehe seine Reden!


Sonderbar! wie wohlbekannt

Dünkt mir diese Bärensprache!

Hab ich nicht in teurer Heimat

Früh vernommen diese Laute?


Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 354-355.
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