Caput III

[439] Zu Aachen, im alten Dome, liegt

Carolus Magnus begraben.

(Man muß ihn nicht verwechseln mit Karl

Mayer, der lebt in Schwaben.)


Ich möchte nicht tot und begraben sein

Als Kaiser zu Aachen im Dome;

Weit lieber lebt' ich als kleinster Poet

Zu Stukkert am Neckarstrome.


Zu Aachen langweilen sich auf der Straß'

Die Hunde, sie flehn untertänig:

»Gib uns einen Fußtritt, o Fremdling, das wird

Vielleicht uns zerstreuen ein wenig.«


Ich bin in diesem langweil'gen Nest

Ein Stündchen herumgeschlendert.

Sah wieder preußisches Militär,

Hat sich nicht sehr verändert.
[439]

Es sind die grauen Mäntel noch

Mit dem hohen, roten Kragen –

(Das Rot bedeutet Franzosenblut,

Sang Körner in früheren Tagen.)


Noch immer das hölzern pedantische Volk,

Noch immer ein rechter Winkel

In jeder Bewegung, und im Gesicht

Der eingefrorene Dünkel.


Sie stelzen noch immer so steif herum,

So kerzengrade geschniegelt,

Als hätten sie verschluckt den Stock,

Womit man sie einst geprügelt.


Ja, ganz verschwand die Fuchtel nie,

Sie tragen sie jetzt im Innern;

Das trauliche Du wird immer noch

An das alte Er erinnern.


Der lange Schnurrbart ist eigentlich nur

Des Zopftums neuere Phase:

Der Zopf, der eh'mals hinten hing,

Der hängt jetzt unter der Nase.


Nicht übel gefiel mir das neue Kostüm

Der Reuter, das muß ich loben,

Besonders die Pickelhaube, den Helm

Mit der stählernen Spitze nach oben.


Das ist so rittertümlich und mahnt

An der Vorzeit holde Romantik,

An die Burgfrau Johanna von Montfaucon,

An den Freiherrn Fouqué, Uhland, Tieck.
[440]

Das mahnt an das Mittelalter so schön,

An Edelknechte und Knappen,

Die in dem Herzen getragen die Treu'

Und auf dem Hintern ein Wappen.


Das mahnt an Kreuzzug und Turnei,

An Minne und frommes Dienen,

An die ungedruckte Glaubenszeit,

Wo noch keine Zeitung erschienen.


Ja, ja, der Helm gefällt mir, er zeugt

Vom allerhöchsten Witze!

Ein königlicher Einfall war's!

Es fehlt nicht die Pointe, die Spitze!


Nur fürcht ich, wenn ein Gewitter entsteht,

Zieht leicht so eine Spitze

Herab auf euer romantisches Haupt

Des Himmels modernste Blitze! – –


Zu Aachen, auf dem Posthausschild,

Sah ich den Vogel wieder,

Der mir so tief verhaßt! Voll Gift

Schaute er auf mich nieder.


Du häßlicher Vogel, wirst du einst

Mir in die Hände fallen,

So rupfe ich dir die Federn aus

Und hacke dir ab die Krallen.


Du sollst mir dann, in luft'ger Höh',

Auf einer Stange sitzen,

Und ich rufe zum lustigen Schießen herbei

Die rheinischen Vogelschützen.
[441]

Wer mir den Vogel herunterschießt,

Mit Zepter und Krone belehn ich

Den wackern Mann! Wir blasen Tusch

Und rufen: »Es lebe der König!«

Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21972, S. 439-442.
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