2. Gärtner an Waldvögelein

[149] Du Vöglein, sei gegrüßet mir

In meinen Blumenkronen!

Du Vöglein bunt, ist dir wie mir

So wohl in Blumen wohnen?


Dann wirst aus meinem Garten hier

Wohl nimmer wieder gehen,

Du Vöglein traut, ist dir wie mir

So übel schon geschehen?


Hast sollen von Wald und Blumen fern

Im goldnen Käfig leben?

Wollten dir stolze Damen und Herrn

Zucker für Freiheit geben?


Hast du die Leutlein ausgelacht

Mit ihren goldnen Spangen?

Hast dich heimlich davongemacht,

Läßt dich nicht wieder fangen?


Hast du die schönste Rose gesehn

Dort drüben bei der Linden?

Du kannst durch alle Wälder spähn,

Wirst keine schön're finden.


Drum mach dir nur ein Nestchen fein

In meinen Blumenkronen,

Wir wollen wie die Engelein

In schönen Blumen wohnen.


In Blumen singen den ganzen Tag,

In Blumen die Äuglein schließen.

Fliegst aber über den Mühlenbach,

Sollst du die Rose dort grüßen.


Quelle:
Frank Spiecker: Luise Hensel als Dichterin. Evanston 1936, S. 149-150.
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