9. Zelindaja
Spanisch

[130] Hist. de las guerr. civil. p. 196.


Acht und acht, und Tag' auf Tage

Spielen Kampf die Sarrazinen,

Und die Aljataren gegen

Alarifen und Asargen.


Denn der König in Toledo

Feiert den beschwornen Frieden

Von Belchitens König, Zaid

Und Atarfen von Granada.
[130]

Andre sagen, dieses Fest sey

Für den König von Achagues;

Zelindaja hab's geordnet –

Ihr zulezt zu eignem Unglück.


Ein zum Kampf die Sarrazinen

Auf hellbraunen Pferden zogen;

Pommeranzenfarb' und grün sind

Ihre Mäntel, ihre Kleider.


Und das Sinnbild auf den Tartschen

Ist ihr Säbel; Amors Bogen

Ist gekrümmet aus dem Säbel,

Und das Wort ist: Feur und Blut!


Gleicherweise folgten ihnen

Zu dem Kampf die Aljatanen (lies: Aljataren),

Röthlich ihre Ritterkleider,

Und besät mit weissen Blättern.


Und ihr Sinnbild ist ein Himmel

Auf den Schultern des Atlanten,

Und die Schrift dabei hieß also:

»Werd ihn halten, bis er sinkt!«


Ihnen nach die Alarifen

Folgten, köstlich angekleidet,

Gelb und röthlich Kleid und Mantel,

Einen Schleier statt des Ermels.


Und ihr Sinnbild war ein Knote,

Den ein wilder Mann zerreisset,

Und auf dem Kommandostabe

Stand: Die Tapferkeit gewinnet!


Jezt die acht Asargen folgten,

Stolzer sie, als alle jene;[131]

Violett und blau und gelbe,

Statt der Federn grüne Blätter.


Grüne Tartschen, und auf ihnen

Blauer Himmel, in dem Himmel

Schlungen sich zwo Händ', das Wort war:

»Alles fällt dem Grünen zu!«


Und dem König war's zuwider,

Daß sie so vor seinen Augen

Seine Müh zu Spotte machten,

Machten seinen Wunsch zunicht.


Sprach, als er den Trupp ersahe,

Sprach zu Selim, dem Alcaiden:

»Untergehen soll die Sonne;

Denn sie blendet mein Gesicht.«


Der Asarge warf Behorden,

Die sich in der Luft verlohren,

Daß das Aug' es nicht verfolgte

Wo sie blieben, wo sie fielen.


In der Stadt an allen Fenstern

Standen schauend alle Damen;

Auf des Schlosses Gallerien

Bogen sich hervor die Damen.


Trat er vor und trat zurücke,

Immer rief das ganze Volk ihm:

»Alla mit dir! Alla mit dir!«

Und der König: »Weg mit dir!«


Zelindaja unvorsichtig

Goß auf ihn, als er vorbeiflog,

Kostbar Wasser, ihn zu kühlen,

Da rief schnell der König: Halt!
[132]

Alle meinen, weil es spät sey,

Soll das Spiel zu Ende gehen;

Doch der eifersüchtge König

Rufet: »Nehmt ihn, den Verräther!«


Schnell die beiden andern Züge

Werfen weg die Röhre, nehmen

Lanzen, fliegen auf ihn, wollen

Alle den Asargen fangen. –

Denn wer ist es, der dem Willen

Eines Königs in der Liebe widerstrebe?


Und die andern beiden Züge

Stehn entgegen; der Asarge

Spricht: »Die Liebe kennet freilich

Kein Gesez, doch soll sie's kennen!


Legt die Lanzen, meine Freunde,

Lasset sie die Lanzen heben!«

Und mit Mitleid und mit Siege

Schwiegen diese, jene weinten.

Denn wer ist es, der dem Willen

Eines Königs in der Liebe widerstrebe?


Endlich nahmen sie den Mohren,

Und das Volk, ihn zu befreien,

Theilt sich in verschiedne Haufen,

Sondert, sammlet, theilt sich wieder.


Doch da ihm ein Führer fehlet,

Der sie führe, sie ermuntre,

Gehn die Haufen auseinander,

Und das Murmeln hat ein Ende;

Denn wer ist es, der dem Willen

Eines Königs in der Liebe widerstrebe?


Einzig nur die Zelindaja

Rufft: »Befreit, befreit den Mohren!«[133]

Will von ihrem Balkon nieder

Stürzen sich, ihn zu befreien.


Ihre Mutter, sie umfassend

Spricht: »Was hast, was hast du Thörin?

Sterb' er, ohne daß du zeigest,

Daß du nur sein Unglück wissest!

Denn wer ist es, der dem Willen

Eines Königs in der Liebe widerstrebe?«


Schnell ein Bote kam vom König,

Der befahl, daß bei den Ihren

Eine Wohnung ihr zum Kerker

Angewiesen werden sollte.


Schnell sprach Zelindaja: »Saget

Eurem Herrn: mich nie zu ändern

Wähl' ich mir das Angedenken

Des Asargen zum Gefängniß;

Und ich weiß wohl, wer dem Willen

Eines Königs in der Liebe widerstrebe.«

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Stimmen der Völker in Liedern. Stuttgart 1975, S. 130-134.
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