16. König Hako's Todesgesang
Skaldisch

[86] In Bartholin. Caus. contemt. mort. p. 522–28. steht er unvollständig und in Mallets Mythol. der Nordvölker arg verstümmelt. Die Norwegssaga hat ihn ganz, aus der ich ihn einmal abgeschrieben; ich habe sie aber zum Citiren nicht bei der Hand.


Gaundul und Skogul5

Sandte Gott Thor,

Zu kiesen einen König

Aus Ynguas Stamm,

Der sollt zum Odin

Fahren hinauf,

Zu wohnen in Wallhall'!


Biärners Bruder

Fanden sie, sich

In Panzer kleiden;

Der edle König,

Er eilt ins Feld,

Wo Feinde gefallen,

Und Schwerter noch klungen

Im Beginn der Schlacht.


Er rief Haleyger,

Er rief Halmeyger,

Der Heldentödter,

Und zog hinan.[86]

Normannen Heere

Waren um ihn.

Der Jüten Veröder

Stand unter Helm.


Der Mühlsteinspalter6

In Königs Hand,

Als spaltet' er Wasser,

Spaltet er Erz!

Die Spizen stiessen,

Die Schilde brachen!

Auf Männerschädeln

Erklang der Stahl!


Tyrs und Baugas

Schwerter sprangen

Auf den harten Schädeln

Der Normannsfechter.

Die Schlacht ergoß sich,

Die Schilde brachen

Von der Hand der Helden,

Oder wurden blutroth.


Blize flammten

In blutende Wunden;

Schilde bargen

Der Männer Leben;

Von fallenden Leibern

Tönt das Land;

An Storda's Ufer

Blutmeer floß.


Blutige Wunden

Und Schwertwolkhimmel7

Flossen in Ein![87]

Als gält's um Ringe,

Spielten sie Schlacht.

Im Windsturm Odins

Blutstrom floß.

Männer stürzten

Vor'm strömenden Schwert.


Die Könige sassen

Mit Schwertern umzogen,

Schilde zerbrochen,

Panzer durchbohrt.

Noch aber dachte

Nicht das Heer

Nach Walhalla zu wandern. – –


Gaundul sprach

Gestüzt aufs Schwert:

»Groß wird jezt werden

Der Götter Versammlung.

Sie haben den König

Zum Mahle geladen,

Und all sein Heer!«


Der König hört

Der Wählerinnen,

Der schönen Jungfraun

Auf hohen Rossen,

Schicksalswort!

Nachsinnend standen

Im Helme sie da;

Sie standen gelehnet

Auf Schwertes Schaft!


»Was theilst, sprach Hako,

Du Schwertesgöttin,

Die Schlacht also?

Sind wir von Göttern[88]

Des Siegs nicht werth?«

»Wir sind's, sprach Skogul,

Die Sieg dir bringen!

Sollst Feld behalten,

Und die Feinde fliehn.


Wohl auf nun reiten,

Zusammen reiten

Ueber grüne Haiden,

Der Götter Welt.

Dem Odin sagen,

Ein Volksgebieter

Zu schau'n ihn kommt

Und mit ihm wohnen!« –


»Hermoder und Braga,

Sprach Odin, geht

Dem König' entgegen!

Es kommt ein König,

Ein Held im Ruhme

Zu unsrer Hall!«


Der König sprach

(Aus der Schlacht gekehrt

Trof er von Blut),

Sprach: »unhold scheint

Gott Odin uns!

Unserm Beginnen

Lächelt er nicht!«


»Sollt mit den Helden

Dich in Walhalla

In Friede freun;

Sollt mit den Göttern

Da trinken Oel.

Hast droben schon

Acht Heldenbrüder,[89]

Die harren deiner

O Fürstenfeind!«

Braga sprachs.


»Wir aber wollen

Die Waffen bewahren;

Helm und Panzer

Bewahren, ist gut!

Das Schwert bewahren

Nüzet oft viel.«


So sprach der König!

Und ward nun kund,

Wie heilig der Gute

Die Götter geehrt;

Die Götter alle

Willkommen ihn hiessen,

Den guten König,

Und standen auf!


Am Glückestage

Ist der gebohren,

Der das erwirbt!

Der Ruhm wird bleiben

Von seiner Zeit,

Von seinem Herrschen,

Und werden Gesang!


Eh wird Wolf Fenris

(Die Ketten zerrissen)

Menschen würgen,

Eh solch ein König

Wird wieder füllen

Die öde Spur.


Es sterben Heerden,

Es sterben Freunde,[90]

Das Land wird wüste,

Seit König Hako

Bei den Göttern wohnt.

Und viele Menschen

Trauren um ihn.

5

Die Todtenwählerinnen, Valkyriur, Nordische Parzen.

6

Schwert mit dem Beinamen.

7

Schilde.

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Stimmen der Völker in Liedern. Stuttgart 1975, S. 86-91.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Volkslieder
Werke: Zweiter Band. Volkslieder
Volkslieder
Volkslieder
Laßt in die Herzen sie dringen: Volkslieder (Insel Bücherei)
Werke. 10 in 11 Bänden: Band 3: Volkslieder. Übertragungen. Dichtungen

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Seltsame Leiden eines Theaterdirektors

Seltsame Leiden eines Theaterdirektors

»Ein ganz vergebliches Mühen würd' es sein, wenn du, o lieber Leser, es unternehmen solltest, zu den Bildern, die einer längst vergangenen Zeit entnommen, die Originale in der neuesten nächsten Umgebung ausspähen zu wollen. Alle Harmlosigkeit, auf die vorzüglich gerechnet, würde über diesem Mühen zugrunde gehen müssen.« E. T. A. Hoffmann im Oktober 1818

88 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon