[363] Von Chiabrera. S. Jagemanns Anthol. Vol. 2. p. 475.
Der Schnee zerschmilzt, der Frühling kommt
Mit seiner Blumen Schaar,
Und Busch und Baum ist jung und grün,
Und blühend wie er war,
Von Bergen rauscht der Strom nicht mehr
Mit wilder Fluthen Fall;
In seinen Ufern murmelt er,
Ein schleichender Krystall.
Ob Ewigkeit hienieden sey?
Zeigt Jahr- und Tageslauf:
Die Sonne, die jezt niedergeht
Geht morgen wieder auf.[363]
Was steiget, fällt; in kurzer Frist
Kommt wieder auf, was fällt;
Der Mensch der einmal drunten ist,
Sieht nimmermehr die Welt.
Und was sein Gut hienieden sey,
Ist, ders ihm sichern kann?
Schnitt Lachesis nicht heute ab,
Was Klotho gestern spann?
O Elend, o Gebrechlichkeit,
Auf Tand und Nebel baun!
Des Todes zu gewissen Streich
Im Ungewissen traun!
Nur Traum, nur Traumglückseligkeit
Ist nieden unser Theil!
Müh' ist das Leben, ach und fleucht
Wie ein verschoßner Pfeil.
Des Himmels Wohnungen, o ihr,
Mein ewges Vaterland
Ein matter Fremdling auf der Welt,
Streck' ich nach Euch die Hand.
Wer leiht mir Flügel? ach wer gibt
Zu schwingen mich von hier,
Dem kranken Geiste neuen Muth,
Und neue Kräfte mir?
Wohlan, kein Erdgedanke mehr
Keim' auf in dir, o Herz!
Zeit ists, aufs Veste nun zu schaun,
Zu denken Himmelwärts.[364]
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