Zwanzigstes Buch

[440] Wenn man die Kreuzzüge, die Europa nach dem Orient tat, mit Recht als die Epoche einer großen Veränderung in unserm Weltteil ansiehet, so hüte man sich, sie auch als die einzige und erste Quelle derselben zu betrachten. Sie waren nichts als eine tolle Begebenheit, die Europa einige Millionen Menschen kostete und in den Zurückkehrenden größtenteils nicht aufgeklärte, sondern losgebundene, freche und üppige Menschen zurückbrachte. Das Gute, das zu ihrer Zeit geschah, kam meistens von Nebenursachen her, die in dieser Epoche ein freieres Spiel gewannen und doch auch in manchem Betracht ein sehr gefährliches Gute erzeugten. Überdem steht keine Weltbegebenheit allein da; in vorhergehenden Ursachen, im Geist der Zeiten und Völker gegründet, ist sie nur als das Zifferblatt zu betrachten, dessen Zeiger von innern Uhrgewichten geregt wird. Wir fahren also fort, das Triebwerk Europas im ganzen zu bemerken, wie jedes Rad in ihm zu einem allgemeinen Zweck mitwirkte.

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. 2 Bände, Band 2, Berlin und Weimar 1965, S. 440.
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