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[178] Man könnte uns nächstens den Vorwurf machen, daß wir mehr vom Buchhandel, als von der Literatur reden, mehr über die Einnahmen, als über die Ausgaben, nämlich die Bücherausgaben der Schriftsteller räsonieren. Quand même – wir halten es einmal für unsere Pflicht, auf jede Frage, welche die politische oder literärische Welt bewegt, auch unsere Antwort zu geben.
Was einer oder zwei nicht vermögen, vermögen vielleicht hundert oder tausend; was man einem Bittsteller verweigert, verweigert man nicht so leicht einem ganzen Volke. Man tritt in Masse zusammen, um seinen Forderungen, seinen Absichten Nachdruck zu verschaffen. Ein Hauptstichwort unsers Jahrhunderts ist Assoziation![178]
Am meisten Lärm haben bis jetzt diejenigen Assoziationen gemacht, welche die Abhilfe materieller Übel sich zur Aufgabe gestellt haben. Die Unionisten in England im Jahre 1834, die Mutuellisten in Lyon in demselben Jahre sind noch nicht vergessen. Der Assoziationsgeist ist auch in Deutschland mächtig rege, und wir sehen täglich neue Vereine entstehen, bald, um den Schoß der Erde mehr auszubeuten, bald, um dem Elend bedrängter Klassen einigermaßen abzuhelfen. Die Befugnis oder Nichtbefugnis zur Assoziation ist selbst Gegenstand staatsrechtlicher Erörterungen geworden; sein Votum dagegen hat Zirkler, sein Votum dafür und gegen Zirkler der Abgeordnete Welker bekannt gemacht. Indes sind die deutschen Assoziationen nie zu der imposanten Bedeutung der auswärtigen gediehen.
Jeder Kampf um die bloße Existenz hat etwas Abschreckendes. Das Recht zu leben bringe ich mit auf die Welt, und zu bedauern ist der Unglückliche, der alles, was er tut, nur tun muß, um zu leben, um die Maschine des Leibes im Gange zu erhalten. Aber, wenn auch dem einzelnen, fehlt doch der Masse nie der ideale Zug. Die materiellen Gebrechen der Gesellschaft hängen mit den politischen Einrichtungen der Staaten so innig zusammen, daß es nicht zu verwundern war, wenn neben dem Rufe nach Brot auch der Ruf nach Freiheit erscholl. Die Assoziationen hatten beinahe überall zugleich eine politische Tendenz. Die bösen Feinde, die das Unkraut unter den Weizen säen, sind in der Regel die fehlerhaften sozialen Institutionen. Diese müssen weggeschafft werden, wenn den materiellen Bedürfnissen genügt werden soll. Zu dieser Ansicht erhoben sich wirklich die meisten Assoziationen, und so wurde nicht nur der Magen, sondern auch eine Idee des Jahrhunderts das Band, das dieselben zusammenhielt.
Man assoziiert sich, um ein Verlangen durchzusetzen, um gegen eine Beeinträchtigung sich zu schützen. Beides findet gewöhnlich zu gleicher Zeit statt. Die weitere und nächste Frage wäre nun: In welchen Fällen soll und muß eine Assoziation als das wirksamste Heilmittel eintreten? Was verträgt die Assoziation? Was nicht? Welche Krankheiten können durch sie gehoben werden? Welche nicht?
Jede Assoziation ist zugleich eine Ideenassoziation. Damit aber ist nicht gesagt, daß jede Idee mittels Assoziation durchgesetzt werden soll oder könne. Zur Durchführung ästhetischer Gesetze reicht ein Genie, das der Weltgeist nur zu rechter Zeit erweckt, vollkommen hin, und eine Vereinigung von Schriftstellern für diesen Zweck ist für mich ein Unding. Der Triumph des Dichters[179] ist Erfindung, Neuheit, Originalität, Leidenschaft. In einer Assoziation verschwindet die Individualität dem großen Ganzen der Gesellschaft gegenüber – eine Assoziation in Beziehung auf die Stoffe, auf die Vorwürfe, die der Dichter zu wählen hätte, wäre also noch toller. Die Produktionen hätten dann alle eine Uniform und die Literatur wäre eine Kaserne.
Doch ist ein ideales Band zwischen den Schriftstellern möglich; ich meine den politischen Glauben. Eine solche Assoziation würde z.B. jeden Schriftsteller mit Verachtung strafen, der feil wäre, sie würde seinen Büchern jeden Schutz entziehen, sie in aller Form vogelfrei erklären. Eine Schriftstellerassoziation, die über die Gesinnungen wachte und zu diesem Zwecke ein eigenes Journal herausgäbe, ist sehr leicht denkbar. Ob aber unter den jetzigen Verhältnissen, wo von zehn Autoren kaum zwei gleichen Glaubens sind, ausführbar, möchte eine andere Frage sein. Ohne Zweifel würde sie im Keime erstickt. Zudem unterschiede dieses Band des politischen Glaubens eine Schriftstellerassoziation gar wenig von hundert andern.
Wenn du dichten willst, so gehe in dein Kämmerlein und schließe die Türe hinter dir zu! Der Schriftsteller par excellence, der produktive Schriftsteller, der Dichter, der aus Bedürfnis des Herzens, nicht des Beutels schreibt, gedeiht am besten, von Gott und Welt verlassen, in der Einsamkeit. Eine Schriftstellerassoziation wird leicht zur Clique, wie wir das in unsern Tagen gesehen haben und an der Leipziger Literatur noch sehen. Die Poesie arbeitet nicht nach Zwecken und auf Bestellung; der Dichter dichtet, weil und wie es ihm der Genius befiehlt. Der Dichter ist mit der Menschheit assoziiert, nicht mit einer kleinen Anzahl von Menschen. Je unglücklicher er ist, desto größer wird er sein, und das Unglück haßt jede Kameraderie.
Es bleibt nur noch eine Art Schriftstellerassoziation übrig, nämlich eine Schriftstellerassoziation aus materiellen Rücksichten, welche sich die Sicherung der Rechte auf das eigenste Eigentum, auf die Gedanken, zur Aufgabe macht. Der Lohn, den ein neues Werk aus der Börse des Publikums oder des Buchhändlers erhält, ist immer nur ein kleiner Ersatz der Mühe und Arbeit des Dichters oder Schriftstellers. Schweiß und Blut wird nie mit Gold aufgewogen. Und das ist in manchem Betracht ein großes Glück. Gebt tausend von unsern Autoren fette Pfründen, und sie legen im nämlichen Augenblicke die Feder weg. Von den literarischen Bedienten, die ihr ganzes Leben hindurch, einzig des Trinkgeldes wegen, schreiben und die Kunst zum gemeinsten Handwerk herunterwürdigen, will ich nicht einmal reden, denn,[180] wenn diese mit Geld auszurotten wären, so würde ich darauf antragen, denselben jährlich einige Millionen auszuwerfen, nur damit sie uns nicht Geschmack und Publikum zugrunde richteten. –
Wer seine Kühe verloren hat, träumt von ihren Glöckchen, sagt der Enkel des Sancho Pansa. Von Literaturvereinen sprechen die schlechtesten Schriftsteller am öftersten; von der Reformazion des Buchhandels wird am meisten gefaselt, wo man keine Literatur hat. Von Leipzig, von Berlin, von Paris gingen im letzten Jahre die Hauptvorschläge aus, die arme Literatur zu retten. Die Genialsten sahen stille zu und lächelten.
Es ist immer verdrießlich, wenn im Tempel eine Krämerbude aufgeschlagen wird. Kein Dichter wird zwar in unserem Jahrhundert mehr so närrisch sein und die schöne Außenseite des Lebens verschmähen; er wird sich so bereitwillig in klingender Münze bezahlen lassen, wie jeder andere Diener des Staates oder der Menschheit; weiß er doch, daß auch das Geld eine Handhabe der Freiheit ist und einen der kleinlichen Nöten und Plackereien überhebt. Er will Geld, aber nur darum, um nicht des Geldes wegen schreiben zu müssen; er will für den ersten Löwen, den er wirft, so entschädigt sein, daß er den zweiten ohne Rücksicht auf dessen Verkauf oder Nichtverkauf still und ruhig austragen kann. Ein Tisch, ein Stuhl und eine Feder – genug für den Dichter, wenn er dichtet! Goethe hat auch nicht mehr gebraucht; Camoëns hat nicht soviel gehabt und Homer vielleicht mit dem Bettelsack auf den Schultern den Bauern der sieben Inseln seine Epen vorgetragen. Zum Dichten bedarf es allerdings nicht mehr, als zum Leben; der Jammer der Menschheit und der eigene fühlt sich auf einem Strohsessel so gut, als auf einem Diwan des Herrn August Lewald. Der wahrhaftige Dichter dichtet, weil er muß, und macht um einen Kreuzer keinen schlechteren Vers, als um eine Guinee.
Das literarische Provisorium in Deutschland hat aufgehört, die gegenwärtige Produktionslust hat bereits die schönsten Blüten getragen, und verspricht in naher Zukunft noch herrlichere. Der Herr sendet immer wieder seine Tröster, und die deutsche Literatur ward ohne und zum Trotz der deutschen Professoren gerettet. Sie ward gerettet ohne und zum Trotz der Buchhändler; sie hat bewiesen, daß zum Dichten nicht viel mehr gehört, als zum Leben. Aber gehört zu einem Hof- und Oberhof-, zu einem Tribunal und Obertribunale mehr? – Fort mit den Illusionen! Die Poesie leidet wenig, auch bei der schlechtesten Verfassung des Buchhandels, die Poesie nicht, aber der Poet wird dabei beeinträchtigt.[181] Soll es für jede Arbeit den gebührenden Lohn geben, nur für die seine nicht? Soll das Eigentum und Recht eines jeden geschützt sein, nur das seinige nicht? Soll man ihm versagen, was man keinem Taugenichts versagt?
Der Nachdruck ist durch bundestäglichen Beschluß aufgehoben, und mit ihm ein großes Übel. Aber vielleicht nicht das größte, wie wir bald sehen werden. Ich bitte noch einmal recht im Auge zu behalten, daß mit einer Verbesserung des literarischen Geschäftsganges keineswegs zunächst die geistigen Prozente höher steigen sollen, sondern daß nur das Recht des Schriftstellers geschützt, seine Lage unabhängiger gemacht, seinem guten Willen eine größere Verbreitung gesichert werden muß.
Man hat verschiedene, meistens sehr närrische Vorschläge getan zugunsten der besseren Autoren. Schon im Jahre 1836 sprach man in Leipzig von einer Assoziation der bedeutenden deutschen Schriftsteller. Diese Assoziation sollte eine Kommission wählen, und diese Kommission sollte über den Druck oder Nichtdruck der eingesandten Manuskripte entscheiden; für diese übernähme alsdann der Verein den Selbstverlag. Den Debit besorgte eine Vereinsbuchhandlung mit mehreren Filialen. Es blieb bei diesen allgemeinen Vorschlägen, und man sieht nicht recht ein, was damit hätte gewonnen werden sollen.
Noch unpassender aber ist der von Moritz Veit in Berlin entworfene Plan, der in seiner ganzen Einseitigkeit von dem Stuttgarter literarischen Vereine ausgeführt wird. Der Vorschlag Veits geht dahin: Es soll nach Art der Kunstvereine ein großer deutscher Literaturverein zusammentreten, jedes Mitglied jährlich eine bestimmte Summe zahlen, von dem Einkommen sollte eine Reihe der besten Manuskripte von den besten Autoren angeschafft und herausgegeben werden, und zwar monatlich wenigstens ein Band, so daß jedes Mitglied für seinen Beitrag einige Werke bekäme, die im gewöhnlichen Wege des Buchhandels das Vierfache kosten würden. Außerdem würde eine bestimmte Anzahl Exemplare mehr, als Teilnehmer sind, gedruckt, diese in den Buchhandel gegeben und der davon eingehende Überschuß zur Anschaffung größerer Werke benutzt, welche dann jährlich unter den Mitgliedern verlost würden. So wenigstens berichtet ein Ungenannter, allem Anscheine nach selbst Buchhändler, in Nr. 63 der Zeitschrift »Ost und West« vom Jahre 1839.
Der Plan hinkt auf allen Seiten. Der Literatur selbst wird durch keine Vereine, sondern nur durch unsere Genies aufgeholfen. Für die Schriftsteller aber wäre ein solcher Verein ein wahres Unglück.[182]
Erstens übernimmt der Staat die Überwachung jeder literarischen oder künstlerischen Assoziation; die offiziellen Genies, die sich in Masse zu allen Vereinen herandrängen, würden selten den Mut haben, ein vogelfreies, wie z.B. Börne, unter sich aufzunehmen; manche Richtung der Literatur fände somit keinen Repräsentanten.
Zweitens: Was wäre das für ein großartiger Verein, der, ich will nicht sagen zwölf, sondern etwa bloß hundert Bände jährlich in die Welt schicken würde? Welche Engherzigkeit in dem Vorschlag, bloß eine bestimmte Anzahl Exemplare mehr, als Teilnehmer sind, unter das Publikum kommen zu lassen, und nicht jedem, der das Buch zu lesen wünscht, den Besitz desselben möglich zu machen? Welches geringe Honorar müßte dem Verfasser geboten werden, wenn die Aktieninhaber ein Buch um den vierten Teil des Preises, den ein Buchhändler fordern würde, bekämen?
Drittens und hauptsächlich: Wer soll bestimmen, welches die besten Bücher oder Manuskripte sind? Tot capita, tot sensus! Jeder Teilnehmer möchte Preisrichter sein, und jeder Teilnehmer hätte vielleicht einen andern Geschmack oder Vorliebe für diesen oder jenen Zweig der Literatur. Der ganze Vorschlag hat etwas Chimärisches und nebenbei auch Tyrannisches. Jeder Individualität muß Spielraum und das Recht, sich geltend zu machen, gelassen werden. Nur die freie Konkurrenz der Geister nie und nirgends gestört!
Man sieht, Herr Veit war mehr für das Wohl der Leser, als das der Schriftsteller besorgt. Lieber den Eigennutz eines Buchhändlers, als den Despotismus einer literärischen Gesellschaft!
Der angegebene Plan hätte nur dann noch etwas Vernünftiges an sich, wenn für jede Branche der Literatur ein eigener Verein sich konstituierte; ein Verein für die Geschichte, ein Verein für die Philosophie, ein Verein für die Lyrik, ein Verein für den Roman, ein Verein für das Drama. Der letztere wäre wohl noch der wünschenswerteste. Auch müßte, wer dem Vereine angehören wollte, das Buch nicht wohlfeiler erhalten, als jeder andere Käufer im Publikum.
Eine solche Assoziation wäre zugleich eine Art von Bevormundung, der kein ordentlicher Autor sich unterwerfen würde. Die größten Schriftsteller waren von jeher gewohnt, ihren eigenen Weg zu gehen, auf eigenen Füßen zu stehen. Sie wollen es alle gewiß auch in Zukunft so halten, und ziehen es vor, ihre Anerkennung selbst mühsam sich zu erobern, als auf die schwachen Krücken eines Vereines sich zu stützen.[183]
Den politischen Glauben ausgenommen, lasse ich den Genien des deutschen Volkes in geistiger Beziehung ungern etwas vorschreiben. Aber ich stimme für Assoziationen, sobald sich dieselben zur Aufgabe machen, die materielle Lage der Schriftsteller zu erleichtern. Man soll keine Epikuräer aus ihnen erziehen, aber man soll ihre Rechte so gut wie die der übrigen Staatsbürger wahren.
Der Hauptübelstand im deutschen Buchhandel ist das a conditione Verschicken der Bücher. Es wurde schon von andern Seiten her darauf aufmerksam gemacht, daß der Sortimentshändler eigentlich wie ein anderer Geschäftsmann aufs Spekulieren angewiesen sein sollte. Er soll seinen Bedarf vom Verlagsbuchhändler auf feste Rechnung verlangen und kein Buch remittieren dürfen. Sein Nachbar, der Spezereikrämer, muß ja auch von allem feste Bestellungen machen und alle möglichen Mittel versuchen, Kunden heranzuziehen. Wenn man bedenkt, daß der Sortimentshändler 33–50 Prozent erhält, so wird man unsere Forderungen nicht übertrieben finden. Damit fiele auch natürlich das zur Einsicht Versenden der Bücher an Privatpersonen weg. Ich kenne Gelehrte, die mit der ganzen neuen Literatur sich vertraut gemacht haben, ohne je ein Buch zu kaufen, welches etwas anderes, als das Altertum beträfe. Wer genießen will, soll auch bezahlen. Verlagsbuchhändler haben mir erzählt, daß oft an 1500 Exemplare von einem Buche in wenigen Monaten a conditione verlangt wurden und daß sie vor der Oster- oder Herbstmesse an 1200 remittiert erhielten, unter denen vielleicht keine 200 ungelesen waren. Das ist freilich eine wohlfeile, beeinträchtigende Methode, die man weder in Frankreich noch in England kennt. Würden sich nur einmal die besten Autoren vereinigen und darauf bestehen, daß der Verlagsbuchhändler durchaus keines ihrer Werke, in dem sich auch nur ein Bogen aufgeschnitten fände, zurücknehmen dürfe – dem Unwesen wäre bald gesteuert!
Ein zweiter Übelstand ist die teure und langsame Versendung der Bücher. Kostspielig ist die Versendung per Post und unerträglich langsam die Versendung per Fuhre. Hier sollte der Staat etwas mehr tun; ich halte es für seine Pflicht, das geistige Eigentum unter seine spezielle, natürlich wohlwollende, Obhut zu nehmen, und dessen Aus- und Einfuhr möglichst zu erleichtern. Das Postporto für Bücher sollte auf ein solches Minimum herabgesetzt werden, daß man nie nötig hätte, den weiten Umweg zur Fuhre zu wählen. Fromme Wünsche!
Eine fernere Assoziation wäre am Platz gegen den Nachdruck[184] durch Journale und eine Sorte von ausziehender Kritik, gegen die wir schon zu widerholten Malen gesprochen haben. Könnten nur die deutschen Schriftsteller, wo es ihre Gesamtinteressen gilt, ihre persönlichen und literarischen Leidenschaften vergessen!
Nun noch ein Vorschlag zu einer Schriftstellerassoziation, der, soviel uns bewußt, hier zuerst gemacht wird und in seiner Ausführung den lauten Dank manches deutschen Originalautors sich verdienen dürfte!
Während ich mit diesem Aufsatze beschäftigt bin, kommt mir die »Revue des deux mondes« vom 1. März zu Handen, und ich finde mit halbem Erröten für mein literarisches Vaterland eine Klage bestätigt, welche die »Deutsche Volkshalle« selbst auch schon mehr als einmal geäußert hat. Schade, daß sie gerade von einem so mittelmäßigen Autor, wie Marmier, herrührt. Dieser Mensch ist wie ein Schwamm, er reist das ganze Jahr in der Welt herum und saugt alles mögliche in sich hinein: hat er aber sein Wasser in irgendeiner Revue ausgedrückt, so ist er wieder so leicht, als vorher, und schaut sich alles wieder so oberflächlich an, als im ersten Jahre seines Schriftstellertums. Er war mehrere Monate in Deutschland, um unsere Literatur kennen zu lernen; die Journale haben sich viel Mühe gegeben, einige Bedeutsamkeit in den Mann zu bringen. Anstatt unsere Dichter zu besuchen, hofierte er nur unseren Professoren, die ihm viel Animosität gegen die neueste Literatur eingeflößt. Er scheint kein Buch derselben gelesen zu haben, weiß aber doch allerliebst nichtssagend über sie zu plaudern. Der Artikel von ihm in der neuesten »Revue des deux mondes«, betitelt: Revue litéraire de l'Allemagne, fängt an wie Menzels Literaturgeschichte, die ihm als unser chef d'œuvres im kritischen Fache vorkommen muß; dann salbadert er im Verlaufe viel über Vielschreiberei, Goethe und Napoleon, hält Halms »Griseldis« für ein großes Drama und gibt eine Analyse des Stücks, lobt den Guido Görres über alle Maßen und will uns weismachen, dessen Storax sei pythischer Weihrauch, entladet sich einiger wohlfeilen Witze gegen Arndt und bespricht weitläufig die schwedischen Geschichten unter Gustav dem Dritten, um seinen Landsleuten einen Begriff von unserer Literatur zu geben.
Und doch – welche Vorwürfe müssen wir uns auch von solchen Leuten gefallen lassen! Welche zum Teil begründeten Vorwürfe! Zum Schaden haben wir nun auch den Spott. Man sagt es uns schonungslos ins Gesicht, daß die deutsche Literatur nicht einmal zu Gottscheds Zeiten vor der ausländischen[185] so auf den Knien gelegen sei, wie gegenwärtig. Alles sei uns willkommen, von der Zeder an bis zum Ysopzweige. Deutschland übersetze alles; kein französischer Autor sei so klein, daß er nicht jenseits des Rheins eine bereitwillige Feder fände, die ihn übertrage. Unsere besten Werke erhalten keinen Pardon vor der Kritik; wenn aber ein Buch über den Rhein oder das Meer komme, so ermangeln wir nie, ihm ein Brevet der Geistlichkeit auszustellen. – Es ist hart, so etwas von einem Ausländer anhören zu müssen! Doppelt hart, wenn man die Folgerungen liest, zu denen er sich nach solchen unwiderleglichen Tatsachen berechtigt glaubt. Wer die junge Literatur so wenig studiert hat, wie Herr Marmier, dem ist es wahrlich nicht übel zu nehmen, wenn er beim Anblick unserer Tag und Nacht arbeitenden Übersetzungsfabriken auf eine literarische Ohnmacht, auf eine poetische Impotenz schließt; wenn er die schöne Regsamkeit so mancher tüchtigen Geister im gegenwärtigen Augenblicke mehr für ein schleichendes Fieber, als für schaffende Begeisterung hält. Wer sollte einen so gesunden Kern, als ihn die junge Literatur besitzt, vermuten, wenn er den Troß der Schriftsteller um jede Schale, die der Wind vom Auslande herweht, sich balgen sieht? Zum millionsten Male: Der Krebsschaden unserer Literatur sind nicht sowohl die Buchhändlerkrebse, als vielmehr die Übersetzungen; aber um als echter Patriot unsern Nachbarn nichts schuldig zu bleiben, will ich sie, ehe ich mit meinem angekündigten Vorschlage herausrücke, noch geschwind durch den Mund eines ihrer anerkanntesten Schriftsteller abstrafen. Es ist durchaus nötig, etwas weiter auszuholen. – Auf den Gräbern unserer toten Größen beginnen bereits wieder Blumen zu wachsen, und ein geniales, neues Geschlecht wird sie bald, nicht vergessen, aber auf eine Zeitlang in den Hintergrund treten lassen. Nicht so über dem Rhein und dem Kanal. England und Frankreich liegen in einer literärischen Agonie. Mistreß Hemans, Miß Landon, Egerdon Brydges und der Schäfer von Ettrick sind tot. Bulwer scheint, wie Lamartine, eine schlechte poetische Rolle einer guten poetischen vorziehen zu wollen; er fing auch längst an, sich selbst auszuschreiben. Frankreich hat – die akademischen Stilisten lobe, wer mag – nur George Sand und Alfred de Musset, die noch im Vollbesitze ihrer produktiven Kräfte sind: Viktor Hugo, Balzac, Janin, der aber eigentlich nie lebte, sind tot. Die vielen Toten, die überhaupt in Paris leben, sind kein Einwurf gegen meine Behauptung. Ich bin auch durchaus nicht strenger, als die französischen Kritiker selbst. Meinte doch Sainte-Beuve jüngst, Balzac werde seine Laufbahn mit hundert[186] Romanen, die niemand gelesen, schließen, gleichwie er mit hundert Romanen, die niemand gelesen, angefangen habe. Man habe von Balzacs Renommee nur die Mitte gesehen, wie man bei gewissen großen Fischen auch nur den Rücken sehe. Er sei aus einem Dichter, qui dérobait les fins mystères, ein docteur indiscret des secrètes maladies geworden. Sehr gut charakterisiert! Und doch wird kein Buch von ihm in Deutschland unübersetzt bleiben! Die Franzosen brechen über den größten Teil ihrer gegenwärtigen Literatur selbst den Stab. Namentlich grassiert das Übersetzungswesen, dem man anfangs eine tiefere, weltliterarische Bedeutung beizulegen geneigt war, dort als förmliche Pest, und die Gewissenlosigkeit der Fabrikarbeiter übersteigt alle Grenzen, selbst die deutschen. Ich kann mir die Genugtuung nicht versagen, unserem Elende in dieser Beziehung gegenüber auch das freundnachbarliche von dem Kritiker, auf den ich schon weiter oben hinwies, von Philarète Chasles zeichnen zu lassen. – Er sagt in einem Aufsatze über die Literatur Großbritanniens folgendes: »Der Gebrauch, den wir von der ausländischen Literatur machen, ist sonderbar eigentümlich und vielen Lesern noch ganz unbekannt. Ein Frauenroman, die Reise eines Offiziers, eine Anekdotensammlung fallen zu gleicher Zeit unter das literarische Küchenmesser. Aus diesen Fetzen setzt man denn Gott weiß was zusammen und gibt ihm einen englischen Namen. Träfe eine solche Verstümmelung nur mittelmäßige Produkte, so wäre sicherlich wenig daran gelegen. Aber oft sehr gute Bücher erfahren die gleiche Entstellung; die wundervollen Erzählungen Audubons, sein Leben in den Wäldern usw., dieser wahre Roman eines dem Naturstudium gewidmeten Lebens, eine der besten Schriften unserer Zeit, werden bald demselben verkehrten, beklagenswerten Spekulationsgeiste zum Opfer fallen. Wer sich mit der englischen oder deutschen Literatur beschäftigt, begegnet bei jedem Schritte unerhörten Verfälschungen. Zwölf Romane von zwölf verschiedenen Autoren werden dem einzigen Verfasser von Trevelyan oder Margarethe Lindsay zugeschrieben, um Käufer anzulocken; Pickwick, unter einen Roman Lord Normanbys gemischt, der Gassenkot unter die fadeste Süßtuerei, ist ein Werk der letzten Tage usw.«
Das Symbol der Wage in der Hand der Gerechtigkeit war mir von jeher ein Dorn im Auge, sobald ich an die Literatur und Kritik dachte. Wenn es hier auf das Gewicht ankommt, so steht Gustav Schilling über Wolfgang Goethe, der Dutzendpolitiker Ernst Münch über einen Justus Möser. Bei den Franzosen hält in der Tat die Kritik eine Wage in der Hand. Elle ne juge [187] plus, elle pèse, klagt Philarète Chasles. Bände, nur Bände wollen sie; keine Goldkörner, sondern Stücke Blei. Wer zwanzig dicke Bände geschrieben, sei der Mann des Tages; der Verfasser eines mahrattischen oder tscherkessischen Wörterbuches müsse unfehlbar ein Genie sein. Und welche Teilnahme man für die besseren Autoren hegt! Wurde nicht letzten Monat der unbedeutendste Mensch auf Gottes Welt, ein Herr Florens oder Flourens (die Franzosen wissen selbst nicht genau, wie er heißt), bei der Bewerbung um einen vakanten akademischen Stuhl dem Dichter der Orientalen vorgezogen? Ein Glück vielleicht für Viktor Hugo, aber eben kein schmeichelhafter Beweis für die literarische Urteilskraft unserer Herren Nachbarn. Wo der Schriftsteller nach der Quantität, nicht nach der Qualität seiner Werke kritisiert wird, muß es mit der Literatur nich gerade glänzend stehen. Die Franzosen haben vielleicht bald wieder eine andere, denn eine literarische Rolle zu spielen, und wir wollen mit dem Tadel ihrer poetischen Schätze ihren anderweitigen erklecklichen Verdiensten nicht im geringsten zu nahe treten. Und – gibt es bei ihnen nicht so viel Tüchtiges? Haben sie nicht auch David, den Bildhauer, dessen Herz so edel, als sein Geschmack sein ist? Haben sie nicht Lamennais? Rührt sich im Schoß der Republikaner nicht manch gewaltiges Talent, das den Akademikern einst viel zu schaffen machen wird? Das sind aber doch wenig gute Schriftsteller im Vergleich mit der Masse von schlechten. Ich will durchaus keinen Stern von dem poetischen Himmel der Franzosen wegdisputieren, kann aber die Behauptung nicht zurücknehmen, daß ihre Literatur im allgemeinen, wie man zu sagen pflegt, auf den Sand geraten ist. Unsere Leser haben die Ansicht guter Kritiker über diesen Punkt gehört, und werden es nun mit mir unbegreiflich finden, wie der deutsche Büchermarkt doch fortwährend mit Übersetzungen aus dem Französischen überschwemmt werden kann. Nach solchen Präliminarien wird auch der Vorschlag zu einer Assoziation deutscher Originalschriftsteller gegen den Andrang von Übersetzungen, eine Assoziation zur Einschränkung des verdrießlichsten literarischen Handwerks nicht chimärisch befunden werden. – Mag man jubeln oder es beklagen, – das beste Band für die Völker ist der politische Glaube, die Einheit der Gesinnung und des vorgesteckten Zieles. Dieselben befreunden sich gerne, wo sie gleiches Streben oder gleiches Unglück finden. Eine starke Kette solcher Gleichgesinnten zieht sich vom Tajo bis zum Don; sie kennen sich, wenn sie auch einander nicht verstehen. An die Stelle der gegenseitigen Abschließung ist ein Wechselverkehr der Nationen getreten. Nicht ein Volk, die Welt[188] arbeitet an der Darstellung Gottes, des Ewigen. – Mit der Politik lernt man nur den Kopf, mit der Literatur das Herz einer Nation kennen. Zu dem politischen Wechselverkehr hat sich denn auch der literarische gesellt; nicht nur die Politiker, sondern auch die Poeten geben einander Rede und Antwort in aller Welt.
Übersetzungen sind, seit der Begriff einer Weltliteratur aufgekommen ist, unabweisbare literarische Notwendigkeit geworden. Übersetzungen, wie die der Gebrüder Schlegel oder die des Herrn Gries, wie die Freiligraths, wie das Muster aller Übersetzungen, die Übersetzung Byrons von Adolf Böttger (Leipzig, Wigand), wie die geschmackvollen Übersetzungen August Lewalds oder des verstorbenen Georg Büchner, sind auch dem Sprachkundigen immer willkommen. Aber ich könnte Wunder erzählen von schlechten Übersetzungen im letzten Jahrzehend! – Eine Übersetzung soll Kunstwerk sein, wie der »Benvenuto Cellini« vom Goethe. Das ist das eine. Das andere aber ist noch wichtiger denn das erste, die Möglichkeit, ein Kunstwerk zu liefern, hängt davon ab. Ich meine die Auswahl der zu übersetzenden Stücke.
Wir sollen nicht alles und jenes übersetzen. Wo Originalität, Witz, Leidenschaft, Tiefe zutage tritt, wo eine neue eigentümliche Seite eines Volkes sich offenbart, das sind Werke, die einer Übertragung sich verlohnen. Lakaien haben wir im Vaterlande, wir brauchen sie uns nicht vom Auslande zu verschreiben. Und wollen wir bloß die Zeit totschlagen, ist uns mancher geschwätzige Autor in der lieben Heimat recht gerne behilflich. Wozu der »Fuselhumor«, ein Ausdruck Levin Schückings, soviel ich glaube, wozu den Fuselhumor eines Boz (Charles Dickens), wenn wir Jean Paul, Börne besitzen, der zwanzig Übertragungen der »Empfindsamen Reise« und des »Tristram Shandy« gar nicht zu gedenken?
Die Leihbibliotheken wollen ihr Futter haben, und je wohlfeiler sie dasselbe bekommen können, desto erwünschter ist es ihnen in der Regel. Ihre Leser machen selten hohe Ansprüche und sind zufrieden, wenn sie nur überhaupt etwas erwischen, das über die Langeweile eines regnerischen Sonntagnachmittags sie hinweghebt. Die vaterländischen Produktionen werden hintan gesetzt, weil natürlich (umgekehrt wie bei Austern und Champagner) die Übertragungen aus fremden Sprachen billiger sind. Die meisten Übersetzungen ruinieren Geschmack und Gefühl unseres Volkes, und entziehen den heimischen Geistern vollends den dürftigen Ersatz, den man ihnen überhaupt zu bieten imstande ist. Das erstere ist für mich eigentlich noch niederschlagender, als[189] das zweite. Ich habe oft und viel nachgedacht, wie sich gegen diese Sündflut ein Damm bauen lassen möchte; ich habe kein anderes Heilmittel gefunden, als eine Assoziation der deutschen Originalschriftsteller. Engländer und Franzosen lachen uns noch aus wegen der Bereitwilligkeit, mit der wir den Kot aus ihren Ländern in das unsrige herüberschaffen – wollen wir fremdem Hohn und Spott noch länger Gelegenheit geben?
Ich will nur anregen und halte hundert Schriftsteller für tüchtiger als mich, den Plan weitläufiger zu entwickeln. Ich denke so: Auch dem schlechtesten Schriftsteller, dem geringsten Fabrikanten, darf und kann die Hand nicht gebunden werden. Ganz heben wird sich das Übel nicht lassen, wohl aber unschädlicher machen. Die junge Literatur war zwar noch nicht so glücklich, das Beifallslächeln der deutschen Professoren und Pedanten zu erringen, doch wußten ihre reinsten Repräsentanten wenigstens bei den Buchhändlern und der Elite der deutschen Jugend sich einigen Kredit zu verschaffen. Sie mögen zusammentreten und vereint gegen die Übersetzer und Verleger miserabler Übersetzungen kämpfen. Und wie, auf welche Weise kämpfen? Zunächst mit Hilfe der Kritik, mit Hilfe eines Journals, das nur etwa einmal alle acht Tage zu erscheinen brauchte und kurze Rechenschaft über alle Produktionen der auswärtigen Literatur ablegte, nur, was wirklich weltliterarisch, bedeutend ist, empfähle und zur Literatur aufforderte. Es entstünde in der Übersetzung Konkurrenz; die Manuskripte würden dem Vereine zugesandt und der Verein übernähme die Vermittlung der besten Arbeiten an die Buchhändler und annoncierte für die letzteren in dem Vereinsblatte, die und die Übersetzungen seien zu haben, usw. Vielleicht auch anders. Ich will nur andeuten und überlasse spekulativeren Köpfen das Eingehen in das Detail. – Bloß noch die Frage: Würde, wenn eine solche Assoziation zustande käme, nicht weniger, würde nicht gewissenhafter übersetzt? Würde nicht jeder ordentliche Mensch, jeder ordentliche Buchhändler gern von einem Vereine der besten Köpfe Deutschlands sich beraten lassen? Man mache einmal den Versuch!
Außer dem literarischen Verein in Stuttgart, der nur die Vergangenheit wiederkäut, existiert bis jetzt erst nur eine Schriftstellerassoziation, die Société des gens de lettres, in Paris, deren Präsident Balzac ist. Ihr Zweck ist ein rein materieller; sie wird, – auch ich erwarte von einem Vereine nicht mehr – weniger der Literatur, als den Schriftstellern auf die Beine helfen, die freilich in Frankreich meistens schon in glänzenden Verhältnissen leben. Die Assoziation wurde gestiftet, um den[190] Plünderungen, welchen die französischen Literaten hinsichtlich ihrer geistigen Leistungen vorzüglich durch die kleinern Journale preisgegeben sind, sich entschieden dadurch entgegenstellen, daß sie, stark durch die vereinigten Kräfte, jeden derartigen Dieb und Nachdrucker von der kompetenten Behörde verfolgt und durch richterlichen Spruch zu angemessener Entschädigung zwingt. Arago, Alexander Dumas, Viktor Hugo, George Sand, Viardot u.a. sind Mitglieder. Das erste Zeichen der Existenz des Vereins der Schrifsteller ist die von ihm herausgegebene Sammlung von Novellen, Romanen, Gedichten usw., »Babel« genannt. »Alle Namen, selbst die berühmtesten und bekanntesten, welche beisteuerten, haben es unentgeltlich getan«, versichert uns Balzac in der Einleitung. Wenn aber derselbe Schriftsteller zugleich versichert, besagter Verein gehöre zu den Assoziationen, welche vom Herzen ausgehen und diese Polizei gegen den innern Nachdruck sei nur als ein flüchtiges Nebenereignis zu betrachten, der Grundgedanke habe eine ganz andere Höhe, eine ganz andere Würde, und man habe durch die Hilfsmittel der Vergesellschaftung, dem Elende der Vereinzelung unter die Arme greifen wollen, damit die Opfer eines ersten Aufschwunges einen sichern Ort fänden, um ihre Flügel auszuruhen – so muß ich stille lächeln, und mit mir gewiß jeder, der die zweifelhafte Lage der gegenwärtigen französischen Literatur und den Egoismus ihrer Heroen kennt. Ich möchte schier glauben, die Assoziation sei mehr vom Beutel als vom Herzen ausgegangen.
Leichtere Ware kann einem wohl nicht geboten werden, als in den zwei ersten Bändchen dieses Babels, das übrigens der Professor »O.L.B. Wolff« mit Fleiß und Sorgfalt übertragen hat. Interessant, aber nicht sehr poetisch ist der »7. August 1829 von Viktor Hugo«, eine Unterredung mit Karl X. über das Verbot, das Drama »Marion Delorme« aufzuführen. Nur eine Stelle wollen wir nach der zensierten Leipziger Übersetzung mitteilen:
Ein Dach ist die Zensur, ein schlechtes, schlecht gefügt,
Bereit stets, auf die Häupter, die es schützt, zu fallen.
Ein unvorsicht'ger Hauch hat leicht, o Sire, vor allen
Den Herd, anstatt zu löschen, von neuem wild entflammt,
Und macht die Kunst, die leuchtet, zu einer, die da flammt.
Ein Jahr später konnte Karl X. in Holyrood an Viktor Hugo denken!
1 Strauß, Streitschriften usw. 2. Heft.
2 Es ist mir gar wohl bekannt, daß Börne seine schriftstellerische Laufbahn schon weit früher begonnen; seine eingreifende Wirksamkeit datiert sich übrigens erst von der Julirevolution.
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Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«
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Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
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