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[39] La littérature sera comme le Christ, elle niera, qui l'aura niée.
Granier de Cassagnac.
Börne hatte recht, sehr recht, als er gleich anfangs in seinen »Briefen aus Paris« eine so vernichtende Polemik gegen die »Briefe eines Verstorbenen« vom Fürsten Pückler-Muskau eröffnete. Diese aristokratische Schönrednerei mußte seinem Herzen wie seinem Verstande tief zuwider sein. Börne legt in jeder Zeile seine ganze feurige liebeatmende Seele nieder; der Verstorbene aber knöpft seinen Oberrock nur auf, nicht um uns sein Herz, sondern um uns irgendeinen Ordensstern oder ein Kreuz sehen zu lassen.
So warm das Herz Börnes war, so kalt, so eisig kalt war sein Kopf, und er hat zuerst mit sicherer Klarheit durchschaut die lügenhafte Richtigkeit dieser vornehmen Literatur. Es war ihm unmöglich, bei einem Fürsten genial zu finden, was er bei einem gewöhnlichen Manne hätte gewöhnlich finden müssen. Die Herablassung, mit welcher der Herr Fürst uns Plebejern seine geistreichen Schnitzel zuwirft, hat den Mann des Volkes empört. Man klagt Börne an, so viele Illusionen gehabt zu haben, und er hatte deren unter allen unsern Literaten am wenigsten. Er hat vorausgesehen, welches Unheil diese allerwärts bewunderte Grazie des Verstorbenen anrichten könnte, und hat den Verstorbenen eiligst zu einem Toten gemacht. »Das Herz schließt die Galle nicht aus«, bemerkte neulich ein junger Schriftsteller, Börne hat fortgestritten, mit Erbitterung fortgestritten gegen die unnachahmliche Grazie des Herrn Fürsten: er hat den Verstorbenen verfolgt bis zu seiner Sterbestunde. Die paar Witze über Gott und Christentum, über den Adel und über die eigene Durchlaucht, die zweideutigen bonmots und französischen Redensarten, die in den legeren Briefen da und dort zerstreut sind, waren nicht imstande, den hellen Sinn Börnes zu blenden oder eine Silbe des Beifalls ihm abzugewinnen. Das Prinzip der modernen Literatur ist das demokratische, und Börne war leider nicht geistreich genug, um wie Heinrich Laube ein Überläufer zu werden. Börne hat nie um ein Lächeln von erlauchten Lippen gebuhlt, wie so manche[39] unserer Autoren von gestern, und seine Devise war die Devise Gutzkows im Jahrbuch der Literatur: »Ich hasse alles Vornehme!«
Als der Adel die Feder ergriff und seine Reisen und Diners zu beschreiben anfing, träumten viele von einer besseren Stellung der Literaten in der modernen Gesellschaft. Wie haben sie sich doch getäuscht, wenn sie glaubten, dem schroffen Unterschied der Stände werde hiedurch abgeholfen werden, der Adel werde sich herablassen, unser Blut für so gut zu halten, als das Blut seiner Pferde! Geht nur einmal hin und fragt sie, wem sie den Vorzug geben, den Gedichten oder dem Grafentitel unseres Anastasius Grün?
Aus ihrer Antwort mögt ihr dann schließen, wie weit die gepriesene Antwort zwischen der Literatur und unserem Adel gediehen ist! Es kann, wie Börne vorausgesehen und gesagt hat, von einer Vermittlung schlechterdings nicht die Rede sein. Der Adel hat Grund genug, uns zu fürchten; nur der Geist, nie aber die Geburt und zufällige Verhältnisse verleihen in unsern Augen Privilegien.
Betrübsam, im höchsten Grade betrübsam ist es, zu erleben, wie die kecksten, ungebundensten Geister ihre Talente verkaufen, wie sie selbst ihre stolze, unabhängige Gesinnung verraten, um einen Blick der Gnade aus den Augen eines Similasso zu erhalten. Heinrich Laube, wo ist jenes große Herz, das dein Freund Heine der Liebe Deutschlands so nachdrücklich empfohlen? Wirst du der Literatur deines Volkes Vorschub leisten, wenn du dem Fürsten Pückler Liebesbriefe nach Algier dedizierst? Ist es dahin mit dir gekommen, daß du der Protektion von solchen Zirkeln bedarfst, und daß die Protektion der Edelsten deiner Nation dir nicht mehr genügte? O betrüge dich nicht länger; man wird dir ein Lächeln, ein freundliches, herablassendes Wort spenden, man wird dich aber doch nie für ebenbürtig halten, wenn du nicht nachweisest, daß deine Ahnen wirklich von Adel gewesen!
Noch gibt es Geister, deren ich mit Freuden erwähne, Geister, die ihrem Stolze unter keinen Umständen etwas vergeben, die es für heilige Pflicht erachten, die Würde der Literatur aufrecht zu erhalten dem übermütigen Anspruch der Geburt gegenüber. Uffo Horn mag es mir verzeihen, wenn ich Worte von ihm zum Träger meiner Gedanken erwähle, und zwar Worte, die er zunächst nicht für die Öffentlichkeit bestimmt hatte. Der Dichter spricht immer eindringlich aus, was der Kritiker nur andeutet oder erraten läßt, und ich glaube das Publikum mir[40] zum Danke zu verbinden, wenn ich folgende herrliche Stelle aus einem ungedruckten Lustspiele dieses jungen Schrifstellers hier mitteile. Die Worte sind Moliére in den Mund gelegt:
Hab' ich wohl unrecht, wenn ich diese Menschen
Wie Sklaven geißle und ihr töricht Treiben
Preisgebe dem Gelächter und dem Spott?
Das ist der Dummen Los auf dieser Erde,
Von klügern Leuten ausgelacht zu werden!
Geboren für den Sattel ist das Pferd!
Und welcher Hochmut in der Sklavenseele!
Bei Gott! ich fühlte niemals stolzer mich.
Daß mir der Geist ein reiches Erbe gab,
Als diesem armen Menschen gegenüber,
Der nichts als Geld hat – – – –
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– – – – – – – – – – – – – – – meint ihr Herrn,
Der Dichtkunst Söhne bringen keine Ahnen
Und keine Schätze in dies Leben mit?
Ist denn die Reihe herrlicher Poeten
Nicht eine stolze edle Ahnenzahl,
Die nicht in eng versperrter Galerie
Die in dem Pantheon der Erde hängen,
Die nicht ein Volk, die eine ganze Menschheit
Mit Jubel ihre Söhne nennt – meint ihr,
Wir seien arm, weil wir nicht Gold besitzen?
Nennt Traumgeburten, lust'ge Schlösser nur
Die stolzen Bauten unsrer Phantasie –
Sie dauern länger, als Paläste dauern,
Und trotzen kühn der Zeit, dem Elemente.
Das Wort ist ewig, ist die einz'ge Pforte,
Durch welche Taten in die Zukunft ziehn!
Was könnt ihr Goldgewalt'gen dieser Erde
Mehr, als die finstre Macht des Geldeskann?
Könnt ihr entflammen, Herzen euch gewinnen?
Ein Volk begeistern, daß es aufgeregt
Sein Alles wagt für seines Namens Ehre?
Könnt ihr's? nein! doch dem Dichter öffnen
Freiwillig Liebe, Ruhm und Vaterland
Die Pforten in ihr innerstes Gehäuse!
Den grünen Kranz verdorrt die Sonne nicht,
Er schattet kühl die heißgesengte Stirne,
Und wenn sie auch vom Schweiß der Arbeit trieft –
Die Äolshöhle einer Dichterbrust
Verbirgt des Lebens mächt'ge Hochgewalten,[41]
Und fessellos, der Stärke sich bewußt,
Ziehen sie hinaus, die göttlichen Gestalten,
Ja selbst den Geistern flammt des Ruhmes Schein,
Es ist ein stolz Gefühl, ein Dichter sein.
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