Zweites Kapitel

[51] Noch ehe sie recht wußten, was ihnen geschah, hatten Friedrich und Kingscourt sich von David Littwak die Dammtreppe hinaufführen lassen.

Erst als sie oben auf dem Straßenniveau angelangt waren, begann ihnen der volle Eindruck dieser wundervollen Stadt und ihres Verkehres aufzugehen.

Vor ihnen weitete sich ein großer Platz, den die hochgeschwungenen Arkaden stattlicher Gebäude umgaben. In der Mitte war ein mit Gittern eingehegter Palmengarten. Palmen, hier ein gewöhnlicher Baum, standen auch überall rechts und links an den Rändern aller Straßen, die auf den Platz mündeten. Man sah gleich,[51] daß diese Palmen doppelten Dienst hatten. Bei Tage spendeten sie Schatten und nachts Licht, denn die elektrischen Straßenlampen hingen an ihnen wie große gläserne Früchte. Das war die erste Einzelheit, auf die Kingscourt ergötzt hinwies. Dann erkundigte er sich nach dem Charakter der Paläste, welche den großen Platz umgaben. David Littwak antwortete, es seien die Bureauhäuser verschiedener europäischer Seehandelsgesellschaften und Kolonialbanken. Der Platz führe darum den Namen Völkerplatz. Das war er in der Tat, nicht nur wegen der Gebäude, sondern auch wegen der Menschen, die ihn belebten.

Die Ankömmlinge staunten und starrten in das Gewühl. Es fand hier offenbar ein Verkehr aller Völker statt, denn man sah die buntesten Trachten des Morgenlandes zwischen Gewändern des Okzidents. Chinesen, Perser, Araber wandelten durch die geschäftige Menge. Vorherrschend war freilich die Kleidung des Abendlandes, wie diese Stadt ja überhaupt einen durchaus europäischen Eindruck machte. Man hätte glauben können, daß man sich in einem großen Hafen Italiens befinde. Die Bläue des Himmels und des Meeres und das Leuchten der Farben gemahnten an die glückliche Riviera. Nur waren die Gebäude viel moderner und reinlicher, und der Straßenverkehr enthielt bei aller Lebhaftigkeit weniger Lärm. Das kam von der gemessen ernsten Art der vielen Orientalen, aber auch daher, daß keine Zugtiere in diesen Straßen waren. Man hörte weder den Hufschlag von Pferden, noch auch Peitschenknallen oder Rädergerassel. Die Fahrdämme waren so glatt wie die Fußsteige, und die Automobile hasteten auf ihren Gummirädern ziemlich geräuschlos vorüber, nur mit einigem Getute der warnenden Signalhörner. Ein Rollen über ihren Köpfen machte die Fremden aufschauen.

»Alle Deibel, was ist das?« schrie Kingscourt, indem er nach einem über den Palmenwipfeln vorbeisausenden großen Eisenwagen wies, aus dessen Fenstern Fahrgäste herunterblickten. Der Wagen hatte die Räder nicht unten, sondern oben über dem Dach. Er hing und schwebte an einem mächtigen, eisernen Brückengeleise.

David Littwak erklärte:

»Das ist die elektrische Schwebebahn. Die müssen Sie doch auch in Europa gesehen haben.«

»Wir waren zwanzig Jahre nicht in Europa.«

»Die Schwebebahn ist ja nichts Neues. Sie war schon in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zwischen Barmen und Elberfeld im Betriebe. Wir haben sie in unseren Städten gleich von vornherein eingerichtet, weil der Massenverkehr so leichter und gefahrloser bewältigt werden kann. Der Bau war auch billiger als der von Straßen- oder Hochbahnen.«

»Erlauben Sie, erlauben Sie!« rief Kingscourt. »Sie sprechen von Städten! Es gibt demnach in Palästina noch mehr solcher Städte?«

»Das wissen Sie nicht, meine Herren?«

»Nein, sagte Friedrich; »wir wissen weder das noch etwas anderes. Wir wissen gar nichts. Wir waren zwanzig Jahre tot.«

»Für tot hielt ich Sie freilich, lieber Herr Doktor!« sprach David Littwak, indem er Friedrichs Hand nahm und noch einmal drückte.[52]

»Haben Sie sich denn nach mir erkundigt? Ja, woher wissen Sie überhaupt meinen Namen? Ich glaube doch, ihn damals nicht genannt zu haben.«

»Als Sie sich unserem Danke entzogen, waren wir ganz trostlos. Ich dachte mir, Sie seien vielleicht ein Stammgast des Café Birkenreis. Dort habe ich viele Nächte vor der Tür auf Sie gewartet. Mein Vater auch.«

»Lebt Ihr Vater noch?«

»Ja, Gott sei Dank, und meine Mutter auch, und Mirjam, die Sie als Wickelkind sahen ... Ich kam endlich auf den Einfall, Sie dem Kellner des Kaffeehauses zu beschreiben. Er erkannte Sie nach meiner Schilderung sofort und nannte mir Ihren Namen. Aber wie groß war mein Schmerz, als der Mann hinzufügte, Sie seien bei einer Bergbesteigung verunglückt, und die Blätter hätten Ihren Tod gemeldet ... Ich kann Ihnen sagen, Herr Doktor, wir haben um Sie viel geweint. Wir haben auch immer pünktlich die Jahrzeit für Sie angezündet an dem Tage, den ich aus den Zeitungen herausgefunden hatte.«

»Jahrzeit? Was ist das?« fragte Kingscourt.

Friedrich gab Auskunft:

»Ein Brauch der Juden. Am Sterbetage des Hingeschiedenen zünden seine Angehörigen zum Gedächtnis ein Licht an.«

»Oh, ich habe Ihnen viel, viel zu erzählen, lieber Herr Doktor!« sagte David Littwak. »Aber hier werden wir nicht stehenbleiben. Vor allem bringe ich Sie in mein Haus, das Sie von jetzt ab als Ihr eigenes betrachten werden ... Kommen Sie, meine Herren!«

»Und unser Boot, unsere Jacht?«

David Littwak wandte sich zu einem livrierten Neger, der ihm in kurzer Entfernung nachgefolgt war und gab leise einige Befehle, worauf der Diener verschwand. Jetzt sprach David zu seinen Gästen:

»Alles ist besorgt. Das Boot wird nach der Jacht zurückkehren, und in Friedrichsheim wird man Ihre Aufträge abholen.«

»Wo?«

»In Friedrichsheim. So heißt mein Haus. Sie ahnen schon, wem zu Ehren? Gehen wir, meine Herren! Das heißt, wir werden fahren.«

Er hatte bei aller Liebenswürdigkeit etwas Bestimmtes in seinem Ton. Kingscourt murmelte aber nicht unzufrieden:

»Fritze, der übernimmt das Kommando! Wollen mal sehen!«

David Littwak hatte ein Automobil herangewinkt. Er bat die Herren einzusteigen. Doch als er ihnen folgen wollte, wurde er von jemandem angerufen:

»Herr Littwak, Herr Littwak.«

Er drehte sich um:

»Ah, Sie sind's? Was wünschen Sie?«

»In den Morgenblättern steht, daß Sie heute in Akka eine Versammlung abhalten. Ist es nicht wahr?«

»Ich wollte eben hinüberfahren. Aber ich muß die Versammlung absagen. Ich habe heute Wichtigeres vor. Richtig, ich will noch rasch hinübertelephonieren.«

»Darf ich es vielleicht für Sie tun, Herr Littwak?«[53]

»Ja, wenn Sie so freundlich sein wollen.«

»Wahrscheinlich einen besonderen Besuch erhalten, Herr Littwak?« forschte der Eifrige, indem er mit dem linken Daumen über die Schulter hinweg nach dem Wagen deutete.

David lächelte, antwortete aber nicht und nickte nur mit dem Kopfe. Dann rief er dem hintenauf sitzenden Heizer zu: »Nach Friedrichsheim!«

»Dieses Gesicht kommt mir bekannt vor«, sagte Friedrich, als der Wagen davonrollte. »Ich muß es in einer anderen Form gesehen haben, ohne grauen Backenbart, ohne den Kneifer auf der Nase.«

»Ja, er ist auch aus Wien, er hat mir oft von Ihnen erzählen müssen. Ich wollte ihn nur jetzt nicht herankommen lassen. Heute gehören Sie mir allein ... Er war auch ein Gast des Café Birkenreis. Nun raten Sie!«

Eine Erinnerung blitzte auf.

»Schiffmann!« sagte Friedrich lachend. »Wie? Der ist auch hier?«

»Der und viele, viele andere Juden aus allen Städten und Ländern.«

Kingscourt, der neugierig nach allen Seiten hinausblickte, warf jetzt die Frage ein:

»Wollen Sie vielleicht sagen, daß die Rückkehr der Juden nach Palästina stattgefunden hat?«

»Freilich will ich das sagen.«

»Donner und Gloria!« schrie der Alte. »Sie sind aus Europa ausgetrieben worden?«

David erklärte freundlich lächelnd:

»Nun, Sie dürfen sich das nicht so wie im Mittelalter vorstellen. Wenigstens in den Kulturländern hatte es nicht diesen Charakter. Die Operation war zumeist unblutig. Den Juden wurde am Ende des neunzehnten und zu Anfang dieses Jahrhunderts das Verbleiben an ihren Wohnorten unleidlich gemacht.«

»Aha! Rausgeekelt?«

»Die Verfolgungen waren sozialer und ökonomischer Art. Boykott im Geschäftsleben, Aushungerung der Arbeiter, Ächtung in den freien Berufen, von den feineren, moralischen Leiden gar nicht zu sprechen, die ein höher organisierter Jude um die Jahrhundertwende zu erdulden hatte. Die Judenfeindschaft war mit den neuesten, wie mit den ältesten Mitteln tätig. Das Blutmärchen wurde aufgefrischt, aber gleichzeitig hieß es auch, daß die Juden die Presse – wie einst im Mittelalter die Brunnen – vergifteten. Die Juden wurden von den Arbeitern gehaßt, als Lohnverderber, wenn sie ihre Genossen waren; als Ausbeuter, wenn sie die Unternehmer waren. Sie wurden gehaßt, ob sie arm oder reich oder mittelständig waren. Man nahm ihnen das Erwerben, aber auch das Geldausgeben übel. Sie sollten weder produzieren noch konsumieren. Von den Staatsämtern wurden sie zurückgestoßen, vor den Gerichten hatten sie das Vorurteil gegen sich, überall im bürgerlichen Leben fanden sie Kränkungen. Unter diesen Umständen war es klar, daß sie entweder die Todfeinde einer von Ungerechtigkeiten strotzenden Gesellschaft werden oder nach einem Zufluchtsorte ausblicken mußten. Das letztere ist geschehen, und hier sind wir. Wir haben uns gerettet.«[54]

»Altneuland!« murmelte Friedrich.

»Jawohl, das ist es«, sagte David Littwak ernst und bewegt. »Auf unserem alten teuren Boden haben wir uns eine neue Gesellschaft eingerichtet. Sie werden sie kennenlernen, meine Herren.«

»Der Deibel, das ist furchtbar interessant. Da gibt es riesig viel zu sehen. Ich wollte Sie nicht stören in Ihrer geschätzten Anklageschrift gegen das olle Europa, sonst hätte ich Sie nach einigen Bauten gefragt, an denen wir vorbeigefahren sind.«

»Ich werde Ihnen alles zeigen.«

»Hören Sie 'mal, geschätzter Mann und Jude, ich will Ihnen zuerst ein Geständnis ablegen, sonst bereuen Sie nachher Ihre Aufmerksamkeiten. Ich bin nämlich kein Jude. He? Nu werden Sie mich wohl 'rausschmeißen oder gelinde rausekeln, was?«

»Aber Kingscourt!« wehrte Friedrich ab.

Ruhig sprach David Littwak:

»Daß Sie kein Jude sind, erkannte ich schon an einer Ihrer früheren Fragen. Lassen Sie sich sagen, daß meine Genossen und ich keinen Unterschied zwischen den Menschen machen. Wir fragen nicht, welchen Glaubens und welcher Rasse einer ist. Ein Mensch soll er sein, das genügt uns.«

»Millionen Bomben und Haubitzen! Und alle Bewohner dieser Gegend denken wie Sie?«

»Nein«, bekannte David offen; »das sage ich nicht. Es gibt noch andere Strömungen.«

»Aha! Das dachte ich mir auch gleich, verehrter Menschenfreund!«

»Ich will Sie jetzt nicht mit unseren politischen Kämpfen langweilen. Die sind so wie überall in der Welt. Aber das kann ich Ihnen sagen: die Grundsätze der Menschlichkeit werden bei uns allgemein in Ehren gehalten. Und was die Religionen betrifft, Sie finden bei uns neben unseren Tempeln die Gotteshäuser von Christen, Mohammedanern, Buddhisten und Brahmanen. Die beiden letzteren Glaubensgesellschaften sind allerdings nur in den Seestädten vertreten, zum Beispiel hier in Haifa, in Tyrus, Sidon und in den größeren Orten längs der Bahn, die nach dem Euphrat führt, etwa in Damaskus und Tadmor.«

Friedrich staunte:

»Tadmor! Die Stadt Palmyra lebt wieder?«

David nickte bestätigend:

»Das große Schauspiel des allgemeinen Gottesfriedens werden Sie aber in Jerusalem genießen.«

»Mein Kopf, mein Kopf!« stöhnte Kingscourt. »Wie soll man denn das alles auf einmal behalten?«

Sie waren an einer Straßenkreuzung angelangt, wo der größere Wagenverkehr eine augenblickliche Stauung verursachte. Das Automobil mußte halten. Da erkannten sie, wie praktisch die Schwebebahn war. Unter den dicken eisernen Doppelgeleisen sausten die großen Kasten hoch in der Straßenmitte dahin, ohne die Fußgänger zu stören oder von ihnen gestört zu werden.

Von diesem Punkte ihres erzwungenen Autenthaltes blickten sie in mehrere[55] Straßen. Die Manigfaltigkeit der Baustile erfreuten ihre Augen. Dann ging die Fahrt weiter durch lebhafte Stadtteile. Die Wohnhäuser waren zumeist klein und zierlich, offenbar nur für den Gebrauch der einzelnen Familie berechnet, wie man sie in belgischen Städten sieht. Um so stattlicher ragten die Kaufhäuser und die öffentlichen Gebäude, die als solche leicht erkennbar waren. David Littwak nannte ihnen einige im Vorüberfahren: das Seeamt, das Handelsamt, Die Arbeitsvermittelung, die Unterrichtsverwaltung, das Amt für Elektrizität. Ein großer heiterer Palast, dessen Vorderseite eine freskengeschmückte Loggia hatte, fesselte ihre Aufmerksamkeit.

»Das ist das Bauamt«, sagte David. »Hier haust Steineck, unser erster Architekt. Von ihm ist der Stadtplan entworfen worden.«

»Der Mann hatte eine große Aufgabe«, sprach Friedrich.

»Groß, jawohl, aber auch freudig. Er durfte aus dem Vollen schaffen, wie übrigens wir alle. Nie in der Geschichte sind Städte so rasch und herrlich erbaut worden wie bei uns, weil man nie vorher solche technische Mittel zur Verfügung hatte. Die Leistungsfähigkeit der Kulturmenschheit war ja in dieser Beziehung schon am Ende des neunzehnten Jahrhunderts kolossal. Wir brauchten nur die bekannten Dinge zu uns herüberzuverpflanzen. Wie das geschehen ist, werde ich Ihnen später noch erzählen.«

Sie waren jetzt in eine Villengegend der Stadt geraten. Der Fahrweg stieg an. Sie befanden sich auf dem Karmel. Hier standen schmucke Schlößchen inmitten duftender Gärten. An einzelnen Häusern maurischer Bauart bemerkten sie Holzgitter von engem Geflechte vor den Fenstern.

David kam der Frage zuvor:

»Hier wohnen einige vornehme Mohammedaner. Da sehen Sie gerade meinen Freund Reschid Bey.«

Vor dem schmiedeeisernen Tore eines Gartens, an dem sie vorbeifuhren, stand ein schöner Mann von etwa fünfunddreißig Jahren. Zur dunklen europäischen Kleidung trug er das rote Fez. Er grüßte nach orientalischer Art, indem er mit der Rechten den Luftschnörkel machte, der das Aufheben und Küssen des Staubes bedeutet. David rief ihm einige Worte in türkischer Sprache zu, worauf Reschid mit leicht norddeutscher Betonung zurückgab:

»Wünsche eine recht anjenehme Unterhaltung!«

Kingscourt riß die Augen auf:

»Was ist denn das für'n Muselmännchen?«

David lachte:

»Er hat in Berlin studiert. Sein Vater war einer derjenigen, die den Vorteil der Judeneinwanderung sofort begriffen. Er machte unseren ökonomischen Aufstieg mit und wurde reich. Reschid ist übrigens auch Mitglied unserer neuen Gesellschaft.«

»Der neuen Gesellschaft?« wiederholte Friedrich. »Was ist das für eine?«

Kingscourt setzte hinzu:

»Hochgeliebter Mann, uns müssen Sie wie neugeborene Kälber in allem Wissenswerten unterweisen! Wir kennen weder die alte noch die neue Gesellschaft.«[56]

»Doch!« sagte David, »die alte kennen oder kannten Sie. Unsere neue werde ich Ihnen vorstellen, bis wir mehr Muße haben. Jetzt ist dazu nicht mehr Zeit. Wir sind gleich dort, wo Sie sich fortab zu Hause fühlen sollen.«

Immer freier öffnete sich der Ausblick auf dem geschlängelten Wege. Nun lagen Stadt und Hafen von Haifa, die weite Bucht mit dem Gartenkranze und am anderen Ende Akka mit seinem Berghintergrunde vor den entzückten Augen der Fahrenden. Und nun waren sie ganz oben auf der Nordspitze des Karmel. Rechts und links, nach Norden und Süden dehnte sich das herrliche Gestade von Palästina, und vor ihnen weitete sich blau und goldig die endlose Fläche des Meeres. Weiße Schaumkämme flatterten wie Möven darüber hin, dem hellbraunen Strande zu.

David hatte den Wagen halten lassen, damit sie den einzigen Anblick genössen. Er stieg aus und die beiden folgten ihm. Er wandte sich zu Friedrich:

»Sehen Sie, Herr Doktor, das ist das Land unserer Väter!«

Und Friedrich wußte nicht, warum ihm bei diesen einfachen Worten des jungen Mannes die Augen von Tränen warm wurden. Doch war es eine andere Stimmung als in jener Nacht von Jerusalem, zwanzig Jahre früher. Damals hatte er den mondbeglänzten Tod vor sich und jetzt ein sonnenfreudiges Leben. Er blickte David an. Was aus dem bettelhaften Judenjungen geworden! Ein frei und ernst schauender, gesunder, gebildeter Mann, der fest in seinen eigenen Schuhen zu stehen schien. Noch hatte David kaum eine Andeutung über seine eigenen Verhältnisse gemacht, aber es mochte ihm nicht schlecht ergehen, da er in dieser eleganten Gegend wohnte, wo es nur Villen und Schlösser gab. Er mußte aber auch ein angesehener Bürger sein, denn sie hatten unterwegs bemerkt, wie viele Leute ihn grüßten. Selbst ältere Personen kamen ihm mit dem Gruße zuvor. Jetzt stand er mit einem Ausdrucke tiefen Glückes in den Mienen auf der Karmelhöhe und sah hin über Land und Meer. Und jetzt erst glaubte Friedrich in dem freien Manne den merkwürdigen Knaben von der Brigittenauer Lände zu erkennen, der einst gesagt hatte, er wolle zurück nach dem Lande Israels!

Quelle:
Athenäum Verlag, Königstein, 1985, S. 51-57.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Fräulein Else

Fräulein Else

Die neunzehnjährige Else erfährt in den Ferien auf dem Rückweg vom Tennisplatz vom Konkurs ihres Vaters und wird von ihrer Mutter gebeten, eine große Summe Geld von einem Geschäftsfreund des Vaters zu leihen. Dieser verlangt als Gegenleistung Ungeheuerliches. Else treibt in einem inneren Monolog einer Verzweiflungstat entgegen.

54 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon