Sechste Scene.


[349] Vorige. Don Juan erscheint in der offenen Thür.


GIANOTTO erblickt ihn, fährt mit einem Schrei zurück. Ha – was ist das? Geister des Abgrunds – wen sendet ihr da – mir entgegen? Will fort.

GRÄFIN tritt ihm in den Weg, faßt seine Hand. Gianotto – fasse dich! Was kommt über dich? Dieser Fremde – sieh ihn mit freundlichen Augen an – er ist –

GIANOTTO heftig abwehrend. Er? Der da? Dieser da? Nein, nein, nein! Der nicht! So grausam spielt selbst die Hölle nicht mit einer schuldlosen armen Seele. Er nicht! Nicht wahr, Gräfin? Bei Eurem ewigen Heil, nur das eine Wort: er nicht! Er ist es nicht!

GRÄFIN. Er ist's, ist dein Vater.

GIANOTTO schlägt eine irre Lache auf. Hahaha! Er ist's! So also sieht ein Vater aus! So tritt er, nachdem er zwanzig Jahr seinen lieben Sohn wie eine Nessel am Wege hat aufwachsen lassen, vor ihn hin – Don Juan will reden. – ha, Ungeheuer! öffnest du die Lippen? willst ein sanftes Mahnwort an den trotzigen Knaben verschwenden? Ich sage dir: verstumme, schnöde Larve! Ich kenne dich, Dämon! weiß, welche Macht du hast, arglose Seelen zu bestricken, daß sie vom Pfad des Lichts hinweg der Hölle zutaumeln aus deiner Umarmung. O dank es dieser edelsten der Frauen, daß ich das Blut in mir, das wüthend aufwallt, zurückdämme; sonst, beim Gott der Rache und Gerechtigkeit, sonst würd' ich deines Vaternamens lachen und mit dem blanken Stahl auch für die Schmach Genugthuung von dir fordern, daß du mich gezeugt hast.

DON JUAN tief erschüttert. Mein Sohn, – höre mich –[350]

GIANOTTO zurückweichend, mit erhobenen Händen abwehrend. Zurück, Höllenspuk! Rühre mich nicht an! Der Hauch deines Mundes macht mein Blut gefrieren. Wärst du der Bettler, dem die Hunde vor des Reichen Thür die Schwären lecken, ich würde mich zu dir betten und deine Hände mit meinen Thränen waschen. Dich aber – da du Der bist, als den ich dich erkannt – dich treffe zu ewiger Verdammniß mein Fluch! Höre diesen Fluch, erhör ihn, allgerechte Gottheit! Und so gescheh' es! Amen! Stürzt hinaus.

GRÄFIN in höchstem Entsetzen ihm nachrufend. Gianotto! Was hast du gethan? Gianotto!


Vorhang fällt.


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 11, Berlin 1872–1910, S. 349-351.
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