§. 1.

[6] Wir haben uns vorgenommen / von dem wütenden Heere / wie man so nennet / etwas zu reden / bey dessen Erklärung aber wir uns also verhalten werden /daß / ob wir wohl beschlossen / diese Materie als eine ordentliche Historie zu tractiret / dennoch auch andere Exempel / so sich hiehr schicken / unterweilen mit berühren werden. Der Inhalt des Thematis oder Haupt-Punctes / davon wir handeln wollen / ist diese: In Thüringen träget sich dieses zwar öfftermahlen zu / am meisten aber / und die Weynacht- und Fastnacht-Zeit / daß nicht allein auf dem Lande und in freyen Felde / welches sonst mehrentheils zugeschehen pfleget / sondern auch in denen Flecken und Städten selbst / ein hauffen Gespenster /Poltergeister / und seltzame Gesichter / unter welchen sich auch wohl lebende / als schon vorlängst verstorbene Persohnen zuweilen præsentiren, in grosser Anzahl / als eine Schwadron Reuter / und Rotte Fuß-Knechte vorbey ziehet / und ist dieses nicht etwa eine nichts-würdige Fabel oder Gedichte / sondern eine gewisse [6] und glaubwürdige Sache / die im geringsten / nicht in Zweifel zuziehen. Vor diesem Teufels-Heere gebet voran ein alter ansehnlicher Mann / einen Stab in der Hand führende / den man den getreuen Eckhard nennet / und vermahnet das Volck / welches häuffig / wie doch unser Vorwitz geartet ist / herzulaufft / daß sie aus dem Wege gehen / und sich nach Hause packen sollen / damit ihnen nicht durch ihre Verwegenheit / etwas übels / dessen sie wohl entübriget seyn könten / begegnen möge. Hinter ihm folgen diese Schreck-Bilder / derer wohl mehr als hundert sind / mancherley Art / von ungeschickter und greulicher Gestalt / etliche haben keine Köpffe / andere haben das Angesichte auf der Brust / etliche haben zerstümmelte Hände und Arme / andere lauffen auff einem Beine / wieder andere legen die Beine auf die Schultern / und lauffen nichts desto weniger auffs allergeschwindeste fort. Es sind etliche / welche auf die Arth /wie etwa vorzeiten Ixion von denen Poeten fabuliret worden / an die Räder gebunden / u. umgedrehet werden / man höret ein Geschrey der Jäger [7] und Schallen der Wald-Hörner / und Bellen der Hunde / man erblicket ein Gesichte der Hasen / die in vollen Lauffe daher gesprungen kommen / man höret Säue gruntzen / Löwen brüllen / u.s.f. Und sagt man daß dieses Gespenste / in diesem Lande seinen Auffenthalt auff dem Hörselberge haben solle.(a)


(a) Dieses sind Worte des Heideri Vol. 2. Orat. 28. p. 1222. hievon kan man auch lesen Agric. Sprüchw. n. 667. Du bist der treue Eckhart / etc. Vechn. univ. Germ. p. 129. L. Felleri Supplem. in Horat. p. 1290. Andere Exempel des wütenden Heeres kan man nachschlagen bey dem Delr. disqvis. mag. l. 2. qv. 27. Sect. 2. 293. 294. 295. conf. p. 441. 419.


Quelle:
[Meister, Johann Gottlieb:] M. Paul Hilschers Curiöse Gedancken von Wütenden Heere. Aus dem Lat. ins Teutsche übers. von M. M., Dresden, Leipzig 1702, S. 6-8.
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