Mutterliebe

[161] Was weidet dort so sorglos

Wohl durch das grüne Holz?

Was hüpft und springt daneben

So muthig und so stolz?


Sieh da! das ist die Hirschkuh,

Zur Seit' ihr liebes Kind,

Die beide stets beisammen,

Stets unzertrennlich sind.[161]


Da kommt ein Jägerbursche

Und schleichet leis' hinzu,

Er zielet und erschießet

Der Hirschkuh Kind im Nu. –


Was blicket aus dem Tannicht

So traurig dort hervor?

Das ist die arme Hirschkuh,

Die dort ihr Kind verlor.


Sie geht nicht aus dem Wege,

Sie stehet starr und stumm,

Sieht nicht nach Hund und Jäger,

Sieht sich nach Niemand um.


Und eines Tages frühe

Wohl um das Morgenroth,

Fand man am dunklen Tannicht

Die arme Mutter todt.


Quelle:
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Kinderlieder, Hildesheim/New York 1976, S. 161-162.
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