Liebe zwischen Siegreich und Rosemunden

[54] Die Art der meisten von meinen bißher aufgesetzten Briefen und Geschichten ist verhoffentlich so klar und offenbahr, daß niemand einer Verstelligung mit recht mich beschuldigen wissen wird. Nunmehro aber muß ich aufs neu wieder meinen Willen hinter den Fürhang, und werde gleichsam gezwungen, mich der Maßque auf kurtze Zeit zu gebrauchen; Wann alle Welt so urtheilen wolte, wie sie billich solte, und man nicht bißweilen Gemüther antreffe, so auch aus den besten Bluhmen Gifft zusaugen sich bemüheten, würde ich niemahls von meinem ersten Wege abzuweichen mich unterfangen haben. Es seyn aber die Laster der Welt bekannt, und dieses eben nötigt mich etwas verdeckter zu spielen. Aber zum Zweck! Siegreich, einer der fürtrefflichsten Helden, unsers deutschen Landes, dessen Leben ein rechtes Ebenbild Menschlicher Vollkommenheit gewesen, befand sich einmahl in einer fürnehmen Stadt, derer Nahmen allhier aufzusetzen unnötig ist. Etzliche schwere Händel verunruhigten selbes mahl sein Gemüthe, und die Räthe waren höchstbemühet, ihn so viel möglich davon abzulencken. Durch sonderbahre Schickung füget es sich, daß hochgedachter Heldt ohngefehr eine Schönheit erblickte, die theils wegen ihrer sonderbahren Gestalt, theils wegen ihrer lieblichen Stimme, welche sie doch mehr zu ihrem eigenen Zeitvertreib als anderer Uppigkeit gebrauchte, ein Wunderwerck genennet zuwerden würdig war. Eine gewisse Regung nötigte diesen grossen Herren Gelegenheit zu suchen, derselben Stimme zuhören, derer Augen ihm so lieblich zuseyn geschienen; Und diese junge Heldin, so wir Rosemunden nennen wollen, wird durch ein Schreiben, so bald folgen soll, nach Hofe gefodert, Sie stellet sich nach vorhergegangener schrifftlicher Beantwortung dienstschuldigst ein. Siegreich siehet, höret, verliebet sich, und weil die Stege der Liebe schlüpffrig seyn, gleitet er nicht allein in fleischliche Gedancken, sondern auch dergleichen Wercke, darauß nachmahls ein berühmter Held, durch dessen Hand sich das Meer mit Türcken Bluth gefärbet,[54] und für dem die Mohren sich bücken müssen, entsprungen ist. Erkennet nun iemand durch diese dicke Maßqve, was ich verbergen wollen, der entschuldige meine Kühnheit, und ich hoffe, es wird mir eine Sache tunckel zumelden nicht verarget werden, die albereit in offene Geschichtbücher kommen, und auch darinnen geduldet worden ist. Der Mensch ist nur wie der weisse Atlas, es muß wunderlich zugehen, daß man nicht einen Flecken darinnen sehen solte: Wiewohl gedachten hohen Heldens Abtritt so bewand ist, daß er seinen hohen Tugenden, und reinem Leben keine Vertunckelung wird bringen können.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band36, Stuttgart [o.J.], S. 54-55.
Lizenz:
Kategorien: