Erste Szene


[513] Es treten rechts oben ein: Theodor im Frack, mit einem großen Servierbrett, worauf Gläser, Karaffen und silberne Eßbestecke; der Gärtner in grauer Jägerlivree, mit einem gleichen Brett, worauf die Teller und im anderen Teil das Besteck; dann Hermine, schwarz angezogen, mit weißem Häubchen, weißer Schürze und weißen Handschuhen, mit einem gleichen Brett, worauf Tischwäsche. Sie stellen ab und ordnen auf zwei Kommoden links und rechts von der Glastür, die als Anrichte dienen. Hermine nimmt das Tischtuch, geht durch die Glastür und beginnt, einen Tisch für sechs zu decken, der in der Terrasse mittelst, auch in der Mittelachse des Zimmers steht.


THEODOR. Rasch, rasch, beeilen Sie sich! Es muß schnell serviert und gegessen werden, denn dann erfolgt Abreise, schnelle Abreise, sehr schnelle Abreise!

GÄRTNER. Seit wann wird denn jetzt auf der Terrasse serviert, statt im Speisezimmer? Das ist ganz was Neues.


Ab.


THEODOR. Erstens ist dies nichts Neues, sondern ganz was Altes, und das geht Sie einen Schmarren an! Zu Hermine. Und weißt du, wo ich dir heut nacht dein Zimmer anweisen werde? Da droben! Er zeigt senkrecht nach oben. Da, wo wir diese Melanie einquartiert haben, da wirst du dich hinaufbegeben, und ich werde diesen Weg – Er zeigt, wie ein Seiltänzer, der balanciert. – dort über schwindlichem Dach werde ich zu dir kommen, dir einen kleinen Besuch machen, verstanden?[513]

HERMINE. Maria! Da droben schläft doch der Herr Baron, der hört doch alles!

THEODOR. Gerade durch sein Zimmer werde ich meinen Weg nehmen, und ihn werde ich heut anderswo einquartieren. So hab ich mir schon überlegt.

HERMINE. Was Sie zusammenreden!

THEODOR galant und scherzhaft. Was unterstehst du dich!? Mir scheint, du hast dich schon zu lange nicht vor mir gefürchtet!

HERMINE lacht.

THEODOR. Zuckst du? Na wart! Dir muß ich den Herrn zeigen! Du wirst mich heut in der neuen Bluse empfangen als Zeichen, daß du dich vor mir fürchtest!

HERMINE. Das werden wir schon sehen.

THEODOR zärtlich. Oh, du lachst! Mir scheint, da habe ich eine boshafte Schlange an meinem Busen aufgewärmt!

BARONIN von oben rechts. Theodor, haben Sie eine Ahnung, wo ich mein Lorgnon liegenlassen habe?

THEODOR von oben rechts, eilt hin, nimmt das Lorgnon von einem Möbel und überreicht es.

BARONIN sehr huldvoll und aufgeheitert. Was sagen Sie dazu, Theodor, daß jetzt beide Damen auf einmal abreisen müssen? Das ist doch eine außerordentliche Überraschung.

THEODOR mit einer Miene, die alles sagt und doch nichts preisgibt. Ich danke untertänigst für gnädige Anerkennung.

BARONIN mit einer leisen Spur von Einverständnis. Ich habe ja nichts gesagt.

THEODOR. Haben allergnädigst zu erkennen gegeben.


General tritt links ein, zuerst schüchtern durch die halbgeöffnete Tür spähend.

Theodor entfernt sich schnell durch die Glastür, die er hinter sich schließt.
[514]


Quelle:
Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke in zehn Einzelbänden. Band 2–5: Dramen, Band 4, Frankfurt a.M. 1979, S. 513-515.
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