Fünfter Auftritt.

[146] Lorenz schlafend. Fritz.


FRITZ. Es hat mir Eener jerufen! – Da liegt er und schläft. O Jott, wie sanfte! Des is en Reisender von die englische Ratze: allens zu Fuße. Mensch, wie liegst Du da? Wie'n bleierner Vogel. Wenn der Träume hat, so träumt ihn jewiss von eine jroße Mahlzeit, wo er an Tische sitzt und nichts zu essen kriegt. – Hier wirst Du och nicht satt werden, armer Wanderer! Wie mir der Deibel hierher in diese Kneipe verschlagen hat, des wees er alleene nich mehr. Und wenn er es weeß, kann er's nicht verantworten. Ach Berlin, Berlin, in Deine Jefilde jing es anders zu: Ehre, Reichthum, Liebe, Essen, Trinken, Weißbier, Wurst: die Hülle und die Fülle! – Aber na nu, Herr Mensch, wachen Sie auf! Haben Sie mir jerufen? Nu bin ick da. Was steht in Ihre Wünsche?

LORENZ halb im Schlafe. Was giebt's denn? Hot's ke Feuer meh' im Ufen?

FRITZ für sich. Jute Sprache spricht die Bolle so weit. – Seind Sie en Ausländer?

LORENZ der sich ermuntert. Ne, ich bin a Schlesinger.

FRITZ für sich. Der Kerl is nich bitter. Laut. Was wollen Sie denn aber hier?

LORENZ listig. Das sa't ma nich a su. – Jetzunder will ich an'n Schnaps.

FRITZ Flasche etc. vom Schenktisch holend. Diesen können Sie besehen.[147]

LORENZ. Trink' a mite. Setz' a sich zu mir! Ich thu's immer mit a Malkehren halten thun, thu' ich, wenn ich, daß ich uf der Landstraße bin. Denn meiner Muhme ihr Mann hot an'n Bruder geha't, dam seine dritte Frau war annes Malkehrsch Wittib; – ne, Wittwe wullt' ich sagen.

FRITZ. Na, Wittwe oder Wittib, des, dächt' ich, wäre Mus wie Mine.

LORENZ. Ne, das is nich Mis wie Mume. Eine Wittib wil nich meh heirathen; – oder eine Wittwe die wil!

FRITZ. Was?

LORENZ. Ja, die wil!

FRITZ. Sie sind eenzig! – Sagen Sie, wer sind Sie denn eejentlich? Wie heeßen Sie denn?

LORENZ. Aus der Taufe heeß ich Lorenz. Oder ich ha meinen Namen amol a'm kleenen Pathel abgeben müssen; nu loof' ich derweile a su rüm. Ich bin a Kalkbrenner, aus der Kalkbrennerei in Grüneiche bei Breslau. In frühern Zeiten stund ich wul bei a'm Mohler in Kundition; do ging mersch gutt; do hatt' ich mich schund vom Farbereiber bis zum Stubenmohler empor geschwungen; denn ich wußte mit a Kaleren umzugihn, wusst' ich. Su a Bukettel aber a Galandel an de Wand zu schmeissen, das war mir wie gemaust. Meine Parforsche bestund aber im Marmelieren; do dermite hätt' ich mich künnen in allen Ländern sehen lussen; eb gleich jedes Land seine eegenthümlichen Kaleren hot. Denn wenn nich ein jedes Land seine Kaleren hätte, wie wär' denn dazumalen der Franzose ei[148] Rußland derfroren, frog' ich? Denn wenn a wär' ei's Murgenland gegangen, do wär' a nich derfroren, denn durte is's heeßer; vunzemol wenn de Sunne scheint; oder ei Rußland is's rasnige kalt, vunzemol im Winter, und der Franzose is halt übertrieben weechkatschig Zeug; do derfrur a haldig; und do hatt' a verspielt; und su hot jedes Land seine Kaleren. Ader was ich eegentlich sagen wullte: wie ich als Stubenmohler meine Sachen machte, do kam ich doch amol schrecklich sihr in de Verlegenheet. Ich sullte bei Eenem de Stube mohlen, – ich weeß's noch wie heute, 's war kaiseraugenblau, – und do verlangt' ich ein Frühstücke. Do drüber wurde der Mensch reene tücksch und nu wusst' a gar nich, wie a mich kujenieren sullte. Alle queer Finger lang kummandiert' a 'was Andersch und uf de Letzte verlangt' a gor, ich sellt' ihm eenen Engel an de Decke mohlen. Nu künnen Se mersch globen, nu stund ich do wie a Oelgötze. Uf's Englische hatt' ich mich noch nich verlegt; wu sullt' ich nu a Engel herkriegen. Und wie ich mich in meiner Herzensangst zum Fenster 'nauslege und simmeliere, do kümmt a kleener Junge de Gasse 'rufgetapert, barbsbeenig und überhaupt halb nackigt – do ging mer a Licht uf. Dan Jungen ruf' ich mer und versprech' em a paar Gröschel. Nu nehm' ich Berliner roth und Kremser weiß, mansch mer Beedes untersammen, – 's wurde eine Fleeschfarbe zum küssen! Nu zieh' ich mer meinen kleenen Jungen vollends aus, krieg' en beim Kribse, tunk' mer'n ei de Fleeschfarbe, rühr' mer'n an Weilchen drinne rum, dernoch steig' ich mit ihm de Leiter empor und schmeiss' en gegen a Plafon. Der Junge fiel gleich wieder 'runder, ader der Engel blieb[149] kleben. Nu steckt' ich em ane gelbe Trompete ei's Maul und zug a Bissel Gewölke drüm 'rüm, – und wenn Sie, daß Sie jetzunder 'nei kummen, da möchten Se druf schwären, daß der Engel Gabriel an'n Tusch bläst. Und do bläst a, do bläst a und do bläst a!

FRITZ. Aber bei diese Jelejenheet weeß ick immer noch nich, wie Sie heeßen?

LORENZ. Ich ha's ja schund gesa't. Eh'b ich meinen Vornamen dam kleenen Pathel gegeben hatte, hieß ich Lorenz; und mit meinem Zunamen heess' ich Kegel. Lorenz Kegel aus Breslau.

FRITZ. Was? Sie sind? Für sich. Donnerwetter, das muß ich dem jungen Herrn melden, da kann ich jutes Trinkjeld fassen.


Er will schnell ab, an der Thüre begegnet ihm.


Quelle:
Karl von Holtei: Theater. Ausgabe letzter Hand in sechs Bänden, Band 3, Breslau 1867, S. 146-150.
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