|
[157] Vorige. Kotzeluch.
LORENZ. Nu kummt der alte Taperhanns och derzune.
KOTZELUCH. Hier bring' ich, was die nächsten Nachbarn an Billets gekauft.
FRANZ. Wo haben Sie denn die Billets hergenommen?
KOTZELUCH. Ich habe die Einlaßkarten vom letzten Schützengildenball benützt.
LOUISE. Nun werden aber die Abonnenten glauben, sie sollen tanzen?
KOTZELUCH. Mögen sie das glauben. Sie dürfen es glauben. Sie werden auch tanzen; ja, das Herz im Leibe wird ihnen vor Freuden tanzen, wenn sie diesen Mann[157] werden spielen hören. – Hier, Herr Kalkbrenner, empfangen Sie diese kleine Summe, nur vorläufig, als Huldigung der Herzen. Es ist freilich nicht viel, aber glauben Sie mir, tausendfingriger Künstler, Mancher schon hat in Berlin Concert gegeben und hat eben so viel auf die Unkosten zulegen müssen, als Sie hier an Ueberschuß empfangen. Denn Kosten sollen Sie gar nicht haben. Wir nehmen Alles auf uns.
LORENZ der hastig das Geld nimmt. 's is schun gutt! – Indem er Franz anblickt und diesem zuwinkt. Allons, Pähsang, fur le bonsoir, pommes de terre!
KOTZELUCH für sich. Jetzt, scheint mir, redet er französisch mang unter. – Aber wie er nach dem Gelde gegriffen hat! 'S ist doch curios, daß alle Virtuosen so happig sind.
FRANZ. Wären vielleicht noch Anstalten zu treffen, in denen wir Ihnen behülflich sein könnten?
LOUISE leise zu Lorenz. Die Probe! – Sonst werden Sie ihn nicht los.
LORENZ. Ja, de Profe! Ich muß eine Profe ha'n! Sehr heftig. Eine Profe muß ich ha'n!
KOTZELUCH. Was befehlen Herr –
FRANZ. Herr Kalkbrenner wünschen eine Probe zu halten.
KOTZELUCH. Ei, das versteht sich. Die Musiker sind schon bestellt, sich oben im Saale zu versammeln. Es geht freilich etwas langsam, denn unsere Kapelle besteht aus Handwerkern und Ackerbürgern; aber Beide ergreifen mit gleicher Liebe Klarinett oder Flauto. – Ich werde gehen und treiben. Folgt mir, Kinder! – Aber wir[158] können unsern Gast doch nicht allein lassen! Wollen Sie uns vielleicht die Ehre erweisen, mit hinauf zu ...
LORENZ. Ne, ne! Ich wil hiebleiben. Ich wer' mer schun de Zeit vertreiben. Mach' er ock, daß er furtkümmt.
KOTZELUCH. Wenn Sie denn durchaus befehlen, so will ich gehn! – Nein, nein, ich kann's noch gar nicht glauben; es ist mir ein Traum. Heute erst in der Zeitung Ihren Namen zu lesen, – und nun Sie selbst zu sehen! – Heut' Abend Sie selbst zu hören. O Herr von Kalkbrenner, ich bedaure, mich nicht auf Englisch exprimieren zu können; – gewiß; – goddam! ei bläk you! – weri well! Mylord! – ikle mei 's hundleson! dettle dau!
Geht ab.
LORENZ der sich artig gegen ihn verbeugt. Sakranundediö!! – Na, was Du von mir hören wirscht, das wird Dir a Magen och nich' abdrücken.
FRANZ. Nun, Freund, lese von dannen.
LOUISE. Hier, nehmen Sie Ihren Ranzen.
FRANZ. Das Geld –
LORENZ. Das ha' ich schun! – Aber wenn der Alte hinter mir herschreit, ich wär' a Dieb, hernachern –
FRANZ. Werd' ich Ihre Vertheidigung übernehmen. Nun Adieu! Suchen Sie unbemerkt zu entfliehen.
LOUISE. Sollten Leute im Hausflur sein, so warten Sie hinter dem Treppengeländer, bis die Luft rein ist.
Sie schieben ihn hinaus.
FRANZ. Haben Sie etwas an Ihre gewesene Braut zu bestellen?
LOUISE. Oder an den Nebenbuhler?[159]
FRANZ. Ich will's ausrichten.
LOUISE. Ich will's bestellen.
LORENZ wird zur Tür hinausgedrückt.
FRANZ. Fort ist er!
LOUISE. Und mög' er niemals wiederkehren!
Mel. des bekannten Studentenliedes.
FRANZ.
Gaudeamus igitur,
Er ist ex gekniffen. –
LOUISE ihn im Singen unterbrechend. Sag' mir nur, was das heißt: Gaudeamus igitur? Das hab' ich schon hundertmal gehört, auch im Stillen mitgesungen – und weiß nicht, was es bedeutet?
FRANZ. Dies ist der Anfang eines alten, schönen Liedes, und will so viel sagen, als: So laßt uns also freudig sein! O, es kommen allerlei Strophen vor. Zum Beispiel:
Vivant omnes virgines,
Jene und auch Diese. –
LOUISE. Was? Jene und Diese? Das heißt ja so viel, als: Diese und Jene?
FRANZ.
Aber leben sollst vor Allen,
Die mir einzig hat gefallen,
Du, mein Kind, Louise!
Ausgewählte Ausgaben von
Die Kalkbrenner
|
Buchempfehlung
Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.
78 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro