Der griechische Dichter Homer lebte im 8. Jahrhundert v. Chr. im ionischen Kleinasien. In der Philologie lange als fiktive Persönlichkeit angesehen, gilt er heute wieder als historische Person, deren Bild durch die Legende mit den Zügen des wandernden Rhapsoden ausgestattet wird.
Über seine Person hatte man schon im Altertum keine sichere Auskunft. Vielfach wurde er als blinder Greis beschrieben, als dessen Heimat u. a. Smyrna und die Insel Chios angegeben wurden. In den Charakterisierungen Homers wird seine Armut hervorgehoben, er soll viel gereist sein und am Sängerkrieg in Chalkis teilgenommen haben. Er starb angeblich auf Ios.
Homer galt in der Antike als der Dichter schlechthin und war das große Vorbild vieler späterer Epiker. Berühmt sind bis heute vor allem die beiden Epen »Ilias« und »Odyssee«. Die »Ilias« ist das früheste bekannte Zeugnis der griechischen Dichtung. Ihre 24 Bücher schildern 51 Tage im letzten Jahr des 10jährigen Kampfes um Troja (Ilion), der durch Rückblicke und Vorgriffe in seinem Gesamtablauf dargestellt wird. Die »Odyssee« erzählt in 24 Büchern die Irrfahrten und die Heimkehr des Königs Odysseus. Neben der »Ilias« und der »Odyssee« schrieb man Homer bis zum 5. Jahrhundert v. Chr. eine Reihe weiterer epischer Dichtungen zu. Als gesichert gilt heute, daß Homer die »Ilias« verfaßt hat. Jedoch ist sowohl seine Autorschaft an der »Odyssee« als auch die Entstehungsart der beiden Werke umstritten. Einige Forscher betrachten die Epen als aus verschiedenen Liedern zusammengesetzt (Liedertheorie), andere sehen sie als durchgeformte Einheit an (Unitarier). Wieder andere gehen davon aus, daß es sich um eine Sammlung mehrerer Kleinepen Homers handelt, die später verschiedentlich bearbeitet wurden (Kompilationstheorie). Manche Forscher halten Homer nicht für den Autor, sondern nur für den Bearbeiter der Epen, die mündlich tradiert wurden. Ungeklärt ist bis heute auch, ob Homer selbst die Epen schriftlich fixiert hat. Die Länge und Komposition legen dies nahe, andererseits lassen Wiederholungen und formelhafte Wendungen Rückschlüsse auf mündliche Tradierung zu; womöglich verweisen sie aber nur auf mündliche Vorstufen.