XIII. Gesang.

[214] Kampf um die Schiffe. Poseidon, von Zeus unbemerkt, kommt, die Achaier zu ermuntern. Dem Hektor am erstürmten Tore des Menestheus widerstehen vorzüglich die Ajas. Zur Linken kämpfen am tapfersten Idomeneus und Meriones wider Äneias, Paris und andere. Auf Polydamas' Rat beruft Hektor die Fürsten, daß man vereint kämpfe oder zurückziehe. Verstärkter Angriff.


Zeus, nachdem er die Troer und Hektor bracht an die Schiffe,

Ließ sie nunmehr bei jenen in Arbeit ringen und Elend,

Rastlos fort; dann wandt er zurück die strahlenden Augen,

Seitwärts hinab auf das Land gaultummelnder Thrakier schauend,

Auch nahkämpfender Myser und trefflicher Hippomolgen,

Dürftig, von Milch genährt, der gerechtesten Erdebewohner.

Doch auf Troja wandt er nicht mehr die strahlenden Augen;

Denn nicht hofft' er im Geist, der Unsterblichen würde noch einer

Kommen, um Trojas Volk zu verteidigen oder Achaias.

Aber nicht achtlos lauschte der Erderschüttrer Poseidon.

Denn er saß, anstaunend die Schlacht und das Waffengetümmel,[214]

Hoch auf dem obersten Gipfel der grünumwaldeten Samos

Thrakiens; dort erschien mit allen Höhn ihm der Ida,

Auch erschien ihm Priamos' Stadt und der Danaer Schiffe.

Dorthin entstieg er dem Meer und sähe mit Gram die Achaier

Fallen vor Trojas Macht und ergrimmte vor Zorn dem Kronion.

Plötzlich stieg er herab von dem zackigen Felsengebirge,

Wandelnd mit hurtigem Gang; und es bebten die Höhn und die Wälder

Weit den unsterblichen Füßen des wandelnden Poseidaon.

Dreimal erhob er den Schritt, und das viertemal stand er am Ziele,

Ägä, dort, wo ein stolzer Palast in den Tiefen des Sundes

Golden und schimmerreich ihm erbaut ward, stets unvergänglich.

Dorthin gelangt nun, schirrt' er ins Joch erzhufige Rosse,

Stürmenden Flugs, umwallt von goldener Mähne die Schultern;

Selbst dann hüllt' er in Gold sich den Leib und faßte die Geißel,

Schön aus Golde gewirkt, und trat in den Sessel des Wagens,

Lenkte dann über die Flut. Die Ungeheuer des Abgrunds

Hüpften umher aus den Klüften, den mächtigen Herrscher erkennend;

Freudig ihm trennte des Meers Gewoge sich, und wie geflügelt

Eilten sie, ohne daß unten die eherne Achse genetzt ward;

Hin zu Achaias Schiffen enttrugen im Sprung ihn die Rosse.

Eine geräumige Grott ist tief in den Schlünden des Sundes

Zwischen Tenedos' Höhn und der rauhumstarreten Imbros;

Dorthin stellte die Rosse der Erderschüttrer Poseidon,

Abgespannt vom Geschirr, und reicht' ambrosische Nahrung

Ihnen zur Speis; und die Füß' umschlang er mit goldenen Fesseln,

Unzerbrechlich, unlösbar, daß fest auf der Stelle sie harrten,

Bis ihr Herrscher gekehrt. Dann ging er ins Heer der Achaier.

Doch die Troer gedrängt, dem Orkan gleich oder dem Feuer,

Folgeten Priamos' Sohn unersättlicher Gier in den Kampf hin,

Brausenden, wüsten Geschreis; denn der Danaer Schiffe zu nehmen,

Hofften sie, und um die Schiffe die Danaer alle zu morden.

Aber der Erderschüttrer, der Landumstürmer Poseidon,

Reizte den Mut der Argeier, des Meers Abgründen entstiegen,

Ähnlich ganz dem Kalchas an Wuchs und gewaltiger Stimme.

Erst zu den Ajas begann er, die selbst schon glühten vor Kampflust:

Ihr, o Ajas, vermögt der Danaer Volk zu erretten,

Wenn ihr der Stärke gedenkt und nicht des starrenden Schreckens.[215]

Denn sonst fürcht ich sie nicht, die unnahbaren Hände der Troer,

Welche mit Heereskraft die türmende Mauer erstiegen;

Allen schon begegnen die hellumschienten Achaier.

Hier nur sorg ich am meisten und fürchte mich, was uns betreffe,

Wo der Rasende dort wie ein brennendes Feuer voranherrscht,

Hektor, der sich entsprossen von Zeus dem allmächtigen rühmet!

Gäbe doch euch in die Seel ein Unsterblicher diesen Gedanken,

Selbst entgegenzustehn mit Gewalt und andre zu reizen!

Traun, wie eifrig er strebt, hinweg von den Schiffen Achaias

Drängtet ihr ihn, wenngleich der Olympier selbst ihn erwecket!

Sprach's und rührte sofort, der umufernde Ländererschüttrer,

Beide mit mächtigem Stab und erfüllte sie tapferen Mutes;

Leicht auch schuf er die Glieder, die Füß' und die Arme von oben.

Aber er selbst, wie ein Habicht in hurtigem Flug sich emporschwingt,

Der, von des Felsengebirgs hochschwindelnder Jähe gehoben,

Rasch hinfährt in die Tale, den anderen Vogel verfolgend:

Also schwang sich von jenen der Erderschüttrer Poseidon.

Erst von beiden erkannt es der schnelle Sohn des Oileus,

Und zu Ajas sogleich, dem Telamoniden, begann er:

Ajas, dieweil ein Unsterblicher uns von den Höhn des Olympos,

Gleich an Gestalt dem Seher, gebeut bei den Schiffen zu kämpfen

(Denn nicht Kalchas war es, der deutende Vogelschauer;

Wohl ja bemerkt ich von hinten der Füße Gang und der Schenkel,

Als er hinweg sich wandte, denn leicht zu erkennen sind Götter):

Jetzo verlangt mir selber der Mut im innersten Herzen,

Stürmischer aufgeregt, zu kämpfen den Kampf der Entscheidung;

Und mir streben von unten die Füß' und die Hände von oben.

Ihm antwortete drauf der Telamonier Ajas:

So nun streben auch mir um den Speer die unnahbaren Hände

Ungestüm, und es hebt sich die Seele mir; unten die Füß' auch

Fliegen mir beide von selbst, und Sehnsucht fühl ich, auch einzeln,

Hektor, Priamos' Sohn, den Stürmer der Schlacht, zu bekämpfen!

Also redeten jen' im Wechselgespräch miteinander,

Freudig der Kampfbegier, die der Gott in den Herzen entflammet.

Hinten indes erregte die Danaer Poseidaon,

Die bei den rüstigen Schiffen das Herz sich ein wenig erlabten,

Welchen zugleich vom entsetzlichen Kampf hinsanken die Glieder[216]

Und auch Gram die Seele belastete, weil sie die Troer

Sahn, die mit Heereskraft die türmende Mauer erstiegen.

Diese dort anschauend, entstürzten sie Tränen den Wimpern,

Hoffnungslos zu entfliehn den Schrecknissen. Aber Poseidon

Kräftigte leicht durchwandelnd den Mut der starken Geschwader.

Siehe, zu Teukros zuerst und Leitos trat er ermahnend,

Auch zu Peneleos hin, zu Deipyros auch und zu Thoas,

Dann zu Meriones auch und Antilochos, Helden des Kampfes.

Diese reizte der Gott und sprach die geflügelten Worte:

Schande doch, Argos' Söhn', ihr Jünglinge! Euch ja vertraut ich,

Daß ihr mit tapferem Arm errettetet unsere Schiffe!

Aber wo ihr der Gefahr euch entzieht des verderblichen Kampfes,

Dann ist erschienen der Tag, da der Troer Gewalt uns bezwinget!

Weh mir! Ein großes Wunder erblick ich dort mit den Augen,

Graunvoll, welches ich nimmer auch nur für möglich geachtet:

Troer an unseren Schiffen so nahe nun, welche vordem ja

Gleich den Hindinnen waren, den flüchtigen, die in den Wäldern

Beute sind für Schakal' und reißende Pardel und Wölfe,

So in die Irre gescheucht, wehrlos, nicht freudig zum Angriff.

Also wollten die Troer den Mut und die Kraft der Achaier

Nimmer vordem ausharren mit Abwehr, auch nur ein wenig.

Nun ist ferne der Stadt bei den räumigen Schiffen ihr Schlachtfeld,

Durch des Gebieters Vergehn und Lässigkeiten der Völker,

Welche, von jenem gekränkt, nicht kühn zu verteidigen streben

Unsre gebogenen Schiffe, vielmehr hinbluten bei ihnen.

Aber wird er auch wahrlich mit völligem Rechte beschuldigt,

Atreus' Heldensohn, der Völkerfürst Agamemnon,

Weil er schmählich entehrt den mutigen Renner Achilleus,

Doch nicht uns geziemt es, so abzustehn vom Gefechte!

Auf denn und laßt euch heilen; der Edelen Herzen sind heilbar.

Nimmer euch selbst zur Ehre vergeßt ihr des stürmenden Mutes,

Ihr, die Tapfersten alle der Danaer! Schwerlich ja würd ich

Gegen den Mann mich ereifern, der wo dem Gefecht sich entzöge,

Feig und schwach; euch aber verarg ich es wahrlich von Herzen!

Trauteste Freund', ach bald noch größeres Wehe verschafft ihr

Durch nachlässigen Sinn! Wohlauf, und gedenket im Herzen

Alle der Scham und der Schand! Ein gewaltiger Kampf ja erhub sich![217]

Hektor stürmt um die Schiffe, der Rufer im Streit, uns bekämpfend

Fürchterlich, und durchbrach sich das Tor und den mächtigen Riegel!

Also rief und erregte die Danaer Poseidaon.

Sieh, um die Ajas beide gestellt nun gingen Geschwader,

Tapfere, die selbst Ares untadelig hätte gefunden,

Auch Athenäa selbst, die Zerstreuerin. Denn der Achaier

Edelste harrten der Troer gefaßt und des göttlichen Hektors,

Lanz an Lanz eindrängend und Schild mit Schild aufeinander,

Tartsch an Tartsche gelehnt, an Helm Helm, Krieger an Krieger;

Und die umflatterten Helme der Nickenden rührten geengt sich

Mit hellschimmernden Zacken; so dichtvereint war die Heerschar.

Aber die Speer', unruhig in mutigen Händen beweget,

Zitterten; grad anstrebten sie all und entbrannten von Kampfgier.

Vor auch drangen die Troer mit Heerskraft; aber voranging

Hektor in rascher Begier. Wie ein schmetternder Stein von dem Felsen,

Welchen herab vom Geklipp fortreißt die ergossene Herbstflut,

Brechend mit stürmischem Regen das Band des entsetzlichen Felsens

(Hochher tobt er in hüpfendem Sprung und zerschmetterte Waldung

Kracht, doch stets unaufhaltsam enttaumelt er, bis er erreichet

Ebenen Grund; dann rollt er nicht mehr, wie gewaltig er andrang):

Also droht' auch Hektor zuerst, bis zum Ufer des Meeres

Leicht hindurchzudringen der Danaer Schiff' und Gezelte,

Mordend; allein da nunmehr die geschlossenen Reihen er antraf,

Stand er, wie nah er gestrebt. Die begegnenden Männer Achaias,

Zuckend daher die Schwerter und zwiefach schneidenden Lanzen,

Drängten ihn mutig zurück, und er wich voll jäher Bestürzung.

Laut nun scholl sein durchdringender Ruf in die Scharen der Troer:

Troer und Lykier ihr und Dardaner, Kämpfer der Nähe,

Haltet euch! Traun, nicht lange bestehn vor mir die Achaier,

Nahen sie gleich miteinander in Heerschar wohlgeordnet;

Sondern bald vor dem Speer entweichen sie, wo mich in Wahrheit

Trieb der erhabenste Gott, der donnernde Gatte der Here!

Jener sprach's und erregte zu Mut und Stärke die Männer.

Aber Deiphobos ging voll trotzenden Muts in der Heerschar,

Priamos' Sohn, und trug den gleichgeründeten Schild vor,

Leise bewegend den Schritt und unter dem Schild anwandelnd.

Doch Meriones zielte mit blinkender Lanz ihm entgegen,[218]

Schoß und verfehlete nicht des gewaltigen Schildes von Stierhaut

Runden Kreis; nicht jenen durchbohret' er, sondern zuvor ihm

Brach an der Öse der ragende Schaft. Deiphobos aber

Hielt den gewaltigen Schild vom Leibe sich, weil er im Herzen

Scheute Meriones' Speer, des feurigen Helden; doch jener,

Schnell in der Freunde Gedräng entzog er sich, heftig erbittert,

Beides zugleich: um den Sieg und den Wurfspieß, welcher ihm abbrach;

Und er enteilt' an den Zelten hinab und den Schiffen Achaias,

Holend den mächtigen Speer, der daheim ihm blieb im Gezelte.

Aber die anderen kämpften, und graunvoll brüllte der Schlachtruf.

Teukros der Telamonid erschlug den tapferen Kämpfer

Imbrios, Mentors Sohn, des rossebegüterten Herrschers.

Jener wohnt' in Pedäos, bevor die Achaier gekommen,

Priamos' Nebentochter vermählt, der Medesikaste.

Aber nachdem die Achaier in Ruderschiffen gelandet,

Kam er gen Ilios wieder und ragete hoch vor den Troern;

Auch bei Priamos wohnt' er, der gleich ihn ehrte den Söhnen.

Ihn traf Telamons Sohn jetzt unter dem Ohr mit der Lanze

Stoß und entriß ihm den Schaft; da taumelt' er hin wie die Esche,

Welche hoch auf dem Gipfel des weitgesehenen Berges,

Abgehaun mit dem Erz, ihr zartes Gezweig hinabstreckt:

So sank jener, umklirrt von dem Erz der prangenden Rüstung.

Teukros lief nun hinan, in Begier, das Geschmeid ihm zu rauben,

Aber im Lauf warf Hektor die blinkende Lanz ihm entgegen.

Zwar er selbst vorschauend vermied den ehernen Wurfspieß

Kaum, doch Amphimachos, Kteatos' Sohn, des Aktorionen,

Als er sich nahte zum Kampf, flog stürmend der Speer in den Busen;

Dumpf hinkracht' er im Fall, und es rasselten um ihn die Waffen.

Hektor lief nun hinan, den Helm, der den Schläfen sich anschloß,

Abzuziehn von Amphimachos' Haupt, des erhabenen Kämpfers,

Aber im Lauf warf Ajas die blinkende Lanz ihm entgegen.

Hektors Leib zwar rührte sie nicht, denn er starrete ringsher

Schrecklich in strahlendem Erz; doch den Schild auf den Nabel ihm traf er

Schmetternd und stieß mit großer Gewalt, daß er eilend zurückwich

Von den erschlagenen zween; die zogen hinweg die Achaier.

Ihn, den Amphimachos, trugen Athens streitkundige Fürsten,[219]

Stichios samt Menestheus, hinab in das Heer der Achaier,

Imbrios aber die Ajas, entbrannt von stürmendem Mute.

Wie zween Löwen die Geiß, der Gewalt scharfzahniger Hunde

Weggerafft, forttragen durch dichtverwachsene Gesträuche,

Hoch empor von der Erd im blutigen Rachen sie haltend:

So nun empor ihn haltend, die zween geharnischten Ajas

Raubten sie dort das Geschmeid; und das Haupt vom zarten Genick ihm

Hieb des Oileus Sohn, um Amphimachos heftig erbittert,

Schwang es dann wie die Kugel umhergedreht ins Getümmel,

Und vor Hektors Füße dahin entrollt' es im Staube.

Siehe, von Zorn entbrannte der Meerbeherrscher Poseidon,

Als sein Enkel ihm sank in schreckenvoller Entscheidung;

Und er enteilt' an den Zelten hinab und den Schiffen Achaias,

Trieb die Achaier zum Kampf und bereitete Jammer den Troern.

Ihm begegnete jetzt Idomeneus, kundig der Lanze,

Wiedergekehrt vom Genossen, der jüngst ihm aus dem Gefechte

Kam, an der Beugung des Knies mit scharfem Erze verwundet.

Diesen brachten die Freund', und er befahl ihn den Ärzten,

Eilete dann zum Gezelte, denn noch in das Treffen verlangt' er

Einzugehn. Ihm nahend begann der starke Poseidon,

Gleich an tönender Stimm Andrämons Sohne, dem Thoas,

Der durch Pleuron umher und Kalydons bergige Felder

Allen Ätolern gebot, wie ein Gott im Volke geehret:

Wo ist, Kretas Beherrscher Idomeneus, alle die Drohung

Hingeflohn, die den Troern Achaias Söhne gedrohet?

Aber Idomeneus sprach, der Kreter Fürst, ihm erwidernd:

Thoas, keiner im Volk ist jetzo schuldig, so weit ich

Sehen kann, denn alle verstehn wir den Feind zu bekämpfen;

Keinen fesselt die Furcht, die entseelende, keiner, von Trägheit

Laß, entzieht des Kampfes Gefahren sich, sondern es wird wohl

Also beschlossen sein vom allmächtigen Sohne des Kronos,

Daß hier ruhmlos sterben von Argos fern die Achaier.

Thoas, wohlan! Du warst ja vordem ausharrenden Mutes

Und ermahnst auch andre, wo jemand säumen du sahest,

Drum laß jetzo nicht ab und ermuntere jeglichen Streiter!

Ihm antwortete drauf der Erderschüttrer Poseidon:

Nimmer kehre der Mann, Idomeneus, nimmer von Troja[220]

Wieder heim, hier werd er zerfleischenden Hunden ein Labsal,

Welcher an diesem Tage den Kampf freiwillig vermeidet!

Aber wohlan, zu den Waffen! Und folge mir! Beiden gebührt nun

Tätig zu sein, ob wir Hilfe vielleicht noch schaffen, auch zween nur.

Wirkt doch vereinigte Kraft auch selbst von schwächeren Männern,

Und wir sind ja kundig, mit Tapferen selber zu kämpfen.

Dieses gesagt, enteilte der Gott in der Männer Getümmel.

Aber der Held, nachdem sein schönes Gezelt er erreichet,

Hüllt' in stattliche Waffen den Leib und faßte zwo Lanzen,

Eilte dann, ähnlich dem Blitze des Donnerers, welchen Kronion

Hoch mit der Hand herschwang vom glanzerhellten Olympos

(Sterblichen Menschen zum Zeichen, er strahlt mit blendendem Glanze):

Also blitzte das Erz um die Brust des eilenden Königs.

Aber Meriones kam, sein edler Genoß, ihm entgegen,

Nah annoch dem Gezelt; denn die eherne Lanze sich holend

Lief er hinab; ihm ruft' Idomeneus' heilige Stärke:

Molos' rüstiger Sohn Meriones, liebster der Freunde,

Warum kamst du, verlassend Gefecht und Waffengetümmel?

Traf dich vielleicht ein Geschoß, und quält dich die Wunde des Erzes?

Oder suchest du mich mit Botschaft? Selber gewiß nicht

Auszuruhn im Gezelte verlanget mich, sondern zu kämpfen!

Und der verständige Held Meriones sagte dagegen:

O Idomeneus, Fürst der erzgepanzerten Kreter,

Sieh, ich komm, ob dir etwa ein Speer im Gezelte zurückblieb,

Ihn mir holend zum Kampf; denn, den ich hatte, zerbrach ich,

Treffend Deiphobos' Schild, des übergewaltigen Kriegers.

Aber Idomeneus sprach, der Kreter Fürst, ihm erwidernd:

Suchst du Speere, mein Freund, so findest du einen, ja zwanzig

Dort in meinem Gezelt an schimmernde Wände gelehnet,

Troische, die von Erschlagnen ich beutete. Denn ich bekenne,

Niemals ferne zu stehn im Kampf mit feindlichen Männern.

Darum hab ich der Speere genug und genabelter Schilde,

Auch der Helm' und der Panzer, umstrahlt von freudigem Schimmer.

Und der verständige Held Meriones sagte dagegen:

Mir auch fehlt's bei meinem Gezelt und dunkelen Schiffe

Nicht an Raub der Troer, doch fern ist's, dessen zu holen.

Denn noch nie, wie ich meine, vergaß ich selber des Mutes,[221]

Sondern vorn in den Reihen der männerehrenden Feldschlacht

Steh ich, sobald anhebt der blutige Kampf der Entscheidung.

Manchem anderen wohl der erzumschirmten Achaier

Bleib ich verborgen im Streit, allein du kennst mich vermutlich.

Aber Idomeneus sprach, der Kreter Fürst, ihm erwidernd:

Deine Tapferkeit kenn ich, was brauchest du dieses zu sagen?

Würden anjetzt bei den Schiffen zum Hinterhalte wir Tapfern

Ausersehn, wo am meisten erkannt wird Tugend der Männer,

Wo der furchtsame Mann wie der mutige deutlich hervorscheint

(Denn dem Zagenden wandelt die Farbe sich, immer verändert;

Auch nicht ruhig zu sitzen vergönnt sein wankender Geist ihm,

Sondern er hockt unstet, auf wechselnden Knien sich stützend,

Und ihm schlägt das Herz voll Ungestüms in dem Busen,

Ahndend des Todes Graun, und dem Schaudernden klappen die Zähne;

Doch nie wandelt dem Tapfern die Farbe sich, nie auch erfüllt ihn

Große Furcht, wann er einmal zum Hinterhalt sich gelagert,

Sondern er wünscht, nur bald den schrecklichen Kampf zu bestehen):

Keiner möchte sodann dein Herz und die Arme dir tadeln!

Wenn auch fliegendes Erz dich verwundete oder gezucktes,

Doch nicht träf in den Nacken Geschoß dir noch in den Rücken,

Sondern der Brust entweder begegnet' es oder dem Bauche,

Weil du gerad anstürmtest im Vordergewühl der Entschlossnen.

Aber laß nicht länger uns hier gleich albernen Kindern

Schwatzend stehn, daß keiner in zürnendem Herzen ereifre,

Sondern du geh ins Gezelt und nimm dir die mächtige Lanze.

Jener sprach's, und Meriones, gleich dem stürmen den Ares,

Holete schnell aus dem Zelte hervor die eherne Lanze,

Folgt' Idomeneus dann voll heftiger Gier des Gefechtes.

Wie wenn Ares zum Kampf hingeht, der Menschenvertilger,

Und ihm der Schrecken, sein Sohn, an Kraft und an Mut unerschüttert,

Nachfolgt, welcher verscheucht auch den kühn ausharrenden Krieger

(Beid aus Thrakia her zu den Ephyrern gehn sie gewappnet

Oder zum mutigen Volke der Phlegyer; aber zugleich nicht

Hören sie beider Gebet, ein Volk nur krönet der Siegsruhm):

So Meriones dort und Idomeneus, Fürsten des Heeres,

Gingen sie beid in die Schlacht, mit strahlendem Erze gewaffnet.

Aber zum Könige sprach Meriones, also beginnend:[222]

Deukalione, wo denkst du hineinzugehn ins Getümmel?

Dort zur rechten Seite der Heerschar, dort in der Mitte

Oder auch dort zur Linken? Denn nirgends scheinen mir etwa

Dürftig des Kampfes zu sein die hauptumlockten Achaier.

Aber Idomeneus sprach, der Kreter Fürst, ihm erwidernd:

Mitten sind schon andre Verteidiger unseren Schiffen,

Ajas beid und Teukros, der fertigste Bogenschütze

Unter dem Volk, auch tapfer im stehenden Kampf der Entscheidung,

Welche genug ihn hemmen, wie kühn zum Gefecht er dahertobt,

Hektor, Priamos' Sohn, und ob er der Tapferste wäre!

Schwer wird's wahrlich ihm sein, dem rasenden Stürmer der Feldschlacht,

Jener Heldenmut und unnahbare Hände besiegend,

Anzuzünden die Schiffe, wofern nicht selber Kronion

Einen lodernden Brand in die rüstigen Schiffe hineinwirft.

Aber ein Mann scheucht nimmer den Telamonier Ajas,

Keiner, der sterblich ist und Frucht der Demeter genießet,

Auch durchdringlich dem Erz und gewaltigen Steinen des Feldes.

Selbst vor Achilleus nicht, dem Zerschmetterer, möcht er weichen

Im stillstehenden Kampf; denn im Lauf wetteifert ihm niemand,

Dort denn eil uns zur Linken der Heerschar, daß wir in Eile

Sehn, ob wir anderer Ruhm verherrlichen oder den unsern!

Jener sprach's, und Meriones, gleich dem stürmenden Ares,

Eilte voran, bis sie kamen zur Heerschar, wo er ihn hintrieb.

Doch wie die Feind' Idomeneus sahn, dem Feuer an Kraft gleich,

Ihn und seinen Genossen in prangendem Waffengeschmeide,

Riefen sie laut einander und wandelten gegen ihn alle.

Eins nun ward das Getümmel der Schlacht um die ragenden Steuer.

Wie mit dem Wehn lautbrausender Wind' Unwetter daherziehn

Jenes Tags, wann häufig der Staub die Wege bedecket,

Und sich alsbald aufwölkt' ein finsterer Nebel des Staubes:

So nun stürmte zusammen die Schlacht; denn sie sehnten sich herzlich,

Durch das Gewühl einander mit spitzigem Erze zu morden.

Weithin starrte die würgende Schlacht vor erhobenen Lanzen,

Lang emporgestreckten, zerfleischenden; blendend dem Auge

Schien der eherne Gang von sonnenspiegelnden Helmen,

Neugeglättetem Panzergeschmeid und leuchtenden Schilden,

Als sie sich nahten zum Kampf. Der müßt ein entschlossener Mann sein,[223]

Welcher sich freute zu schaun den Tumult dort und nicht verzagte!

Jene, gesonderten Sinns, die mächtigen Söhne des Kronos,

Sannen, dem Heldengeschlecht unnennbares Weh zu bereiten.

Zeus beschied den Troern den Sieg und dem göttlichen Hektor,

Peleus' rüstigen Sohn zu verherrlichen; aber nicht gänzlich

Wollt er Achaias Söhne vor Ilios lassen verderben,

Ruhm nur schafft' er der Thetis und ihrem erhabenen Sohne.

Doch die Argeier durchging und ermunterte Poseidaon,

Heimlich enttaucht dem graulichen Meer; denn er sähe mit Gram sie

Fallen vor Trojas Macht und ergrimmte vor Zorn dem Kronion.

Beide zwar entsprossen aus gleichem Stamm und Geschlechte,

Aber Zeus war eher gezeugt und höherer Weisheit.

Drum auch scheute sich jener, sie offenbar zu beschirmen,

Heimlich stets ermahnt' er die Ordnungen, menschlich gebildet.

Siehe, des schrecklichen Streits und allverheerenden Krieges

Fallstrick' zogen sie beid und warfen es über die Völker,

Unzerbrechlich, unlösbar, das viel in Verderben hinabriß.

Jetzo, wiewohl halbgrauenden Haupts, die Achaier ermunternd,

Stürmt' Idomeneus ein und trieb die erschrockenen Troer.

Denn er erschlug den edlen Othryoneus, der von Kabesos

Neulich dahergekommen zum großen Rufe des Krieges.

Dieser warb um Kassandra, die schönste von Priamos' Töchtern,

Ohne Geschenk und verhieß, ein großes Werk zu vollenden,

Weg aus Troja zu drängen die trotzenden Männer Achaias.

Priamos aber, der Greis, gelobete winkend die Tochter

Ihm zur Eh, und er kämpfte, des Königes Worte vertrauend.

Doch Idomeneus zielte mit blinkender Lanz ihm entgegen,

Schoß, wie er hoch herwandelt', und traf; nichts half ihm der Panzer

Schwer von Erz, den er trug; sie drang in die Mitte des Bauches.

Dumpf hinkracht' er im Fall; da rief frohlockend der Sieger:

Traun, dich preis ich, Othryoneus, hoch vor den Sterblichen allen,

Wenn du gewiß das alles hinausführst, was du verheißen

Priamos, Dardanos' Sohne, der dir die Tochter gelobet.

Wir auch hätten dir gern ein Gleiches gelobt und vollendet;

Siehe, die schönste Tochter des Atreionen gewännst du,

Her aus Argos geführt, zum Weibe dir, wenn du uns hülfest,

Ilios auszutilgen, die Stadt voll prangender Häuser.[224]

Folge mir, dort bei den Schiffen der Danaer reden wir weiter

Über die Eh; wir sind nicht karg ausstattende Schwäher.

Also sprach der Held Idomeneus, zog dann am Fuß ihn

Durch das Getümmel der Schlacht. Doch Asios kam ihm ein Rächer,

Vor dem Gespann herwandelnd, das nah ihm stets an den Schultern

Schnob, vom Wagengenossen gelenkt; und er sehnte sich herzlich,

Wie er Idomeneus träfe; doch schnell warf jener den Speer ihm

Unter dem Kinn in die Gurgel, daß hinten das Erz ihm hervordrang.

Und er entsank, wie die Eiche dahinsinkt oder die Pappel

Oder die stattliche Tanne, die hoch auf Bergen die Künstler

Ab mit geschliffenen Äxten gehaun, zum Balken des Schiffes:

Also lag er gestreckt vor dem rossebespanneten Wagen,

Knirschend vor Angst, mit den Händen des blutigen Staubes ergreifend.

Aber dem starrenden Lenker entsank jedwede Besinnung,

Nicht einmal vermocht er, die feindlichen Hände vermeidend,

Umzudrehn das Gespann; doch Antilochos, freudig zur Feldschlacht,

Traf ihn scharf mit durchbohrendem Speer, nichts half ihm der Panzer

Schwer von Erz, den er trug, er drang in die Mitte des Bauches;

Und er entsank aufröchelnd dem schöngebildeten Sessel.

Aber der Nestorid' Antilochos lenkte die Rosse

Schnell aus der Troer Gewühl zu den hellumschienten Achaiern.

Siehe, Deiphobos kam dem Idomeneus nahe gewandelt,

Trauernd um Asios' Fall, und warf die blinkende Lanze.

Zwar er selbst vorschauend vermied den ehernen Wurfspieß,

Kretas Fürst, und barg sich mit gleichgeründetem Schilde,

Welchen er trug, aus Häuten der Stier' und blendendem Erze

Starkgewölbt, inwendig mit zwo Querstangen befestigt.

Unter ihn schmiegt' er sich ganz, daß der Wurfspieß über ihn hinflog

Und mit heiserm Getöne der Schild von der streifenden Lanze

Scholl; doch nicht vergebens entflog sie der nervichten Rechten,

Sondern Hippasos' Sohne, dem Völkerhirten Hypsenor,

Fuhr in die Leber das Erz und löst' ihm die strebenden Knie.

Aber Deiphobos rief mit hoch frohlockender Stimme:

Nicht fürwahr ungerächt liegt Asios, sondern ich meine,

Wandelnd zu Ais' Burg mit starkverriegelten Toren,

Wird er sich freun im Geist; denn ich gab ihm einen Begleiter.

Jener sprach's, und es schmerzte der jauchzende Ruf die Achaier;[225]

Aber Antilochos schwoll sein mutiges Herz vor Betrübnis.

Doch nicht, wie er auch traurte, vergaß er seines Genossen,

Sondern umging ihn in Eile, mit großem Schild ihn bedeckend.

Schnell dann bückten sich her zween auserwählte Genossen,

Echios' Sohn Mekistheus zugleich und der edle Alastor,

Die zu den räumigen Schiffen den schwer Aufstöhnenden trugen.

Rastlos tobte voll Mutes Idomeneus; immer noch strebt' er,

Ob er einen der Troer mit Nacht des Todes umhüllte,

Ob er auch selbst hinkrachte, das Weh der Achaier entfernend.

Siehe, den mutigen Held Alkathoos, welchen der Herrscher

Äsyetes erzeugt; ein Eidam war er Anchises,

Seiner ältesten Tochter vermählt, der Hippodameia,

Die von Herzen der Vater daheim und die zärtliche Mutter

Liebeten, weil sie vor allen zugleich aufblühenden Jungfraun

Glänzt' an Schönheit und Kunst und Tugenden; darum erkor sie

Auch der edelste Mann im weiten Lande der Troer.

Diesen bezwang durch Idomeneus jetzt der Herrscher Poseidon,

Täuschend den hellen Blick und die stattlichen Glieder ihm hemmend.

Denn nicht rückwärts konnt er hinwegfliehn oder auch seitwärts,

Sondern gleich der Säul und dem hochgewipfelten Baume

Stand er ganz unbewegt; da stieß ihm Idomeneus kraftvoll

Seinen Speer in die Brust und zerschmetterte rings ihm den Panzer,

Welcher, von Erz geflochten, ihn sonst vor dem Tode geschirmet;

Doch rauh tönt' er nunmehr, um die mächtige Lanze zerberstend.

Dumpf hinkracht' er im Fall, und es steckte die Lanz in dem Herzen,

Daß von dem pochenden Schlage zugleich der Schaft an dem Speere

Zitterte; doch bald ruhte die Kraft des mordenden Erzes.

Aber Idomeneus rief mit hoch frohlockender Stimme:

Scheint sie dir billig zu sein, Deiphobos, unsere Rechnung,

Drei für einen erlegt? Denn umsonst nur hast du geprahlet,

Törichter! Aber wohlan, und stelle dich selbst mir entgegen,

Daß du erkennst, welch einer von Zeus' Geschlecht ich hieherkam!

Dieser zeugete Minos zuerst, den Hüter von Kreta;

Minos darauf erzeugte Deukalions heilige Stärke,

Aber Deukalion mich, der unzähligen Menschen gebietet

Weit in Kretas Gefild; allein jetzt segelt' ich hierher,

Dir und dem Vater zum Weh und anderen Söhnen von Troja![226]

Jener sprach's, da erwog Deiphobos wankenden Sinnes,

Ob er sich einen gesellte der edelmütigen Troer,

Rückwärts wieder gewandt, ob allein er wagte den Zweikampf.

Dieser Gedank erschien dem Zweifelnden endlich der beste,

Hinzugehn zu Äneias. Er fand ihn hinter der Heerschar

Stehend; denn immerdar dem göttlichen Priamos zürnt' er,

Weil er ihn nicht ehrte, den tapferen Streiter des Volkes.

Nahe nun trat er hinan und sprach die geflügelten Worte:

Edler Fürst der Troer, Äneias, traun, dir geziemt nun,

Deinen Schwager zu rächen, wofern dich rührt die Verwandtschaft.

Komm denn und räche mit mir Alkathoos, welcher vordem ja,

Deiner Schwester Gemahl, als Kind dich erzog im Palaste;

Ihn hat Idomeneus nun, der Speerberühmte, getötet.

Jener sprach's, ihm aber das Herz im Busen erregt' er.

Schnell zu Idomeneus eilt' er daher in Begierde des Kampfes.

Doch nicht zagte vor Furcht Idomeneus gleich wie ein Knäblein,

Sondern er stand wie ein Eber des Bergs, der Stärke vertrauend,

Welcher fest das Gehetz anwandelnder Männer erwartet

In unwirtbarer Heid und den borstigen Rücken emporsträubt;

Sieh, es funkeln von Feuer die Augen ihm, aber die Hauer

Wetzet er, abzuwehren gefaßt, wie die Hund' auch die Jäger:

Also bestand der Streiter Idomeneus kühn den Äneias,

Der mit Geschrei anstürmte; doch ruft' er seinen Genossen,

Aphareus, samt Askalaphos dort, und Deipyros schauend,

Auch Meriones dort und Antilochos, kundig des Feldrufs;

Diese reizt' er zum Kampf und sprach die geflügelten Worte:

Kommt, o Freund', und beschützt mich einzelnen! Schrecken ergreift mich

Vor des raschen Äneias' Herannahn, der mich bestürmet,

Der ein Gewaltiger ist, in der Feldschlacht Männer zu töten;

Auch noch blüht ihm Jugend in üppiger Stärke des Lebens.

Wären wir doch an Alter so gleich uns, wie an Gesinnung:

Bald würd ihn Siegsehre verherrlichen oder mich selber!

Jener sprach's, und sie all, einmütigen Sinnes versammelt,

Stellten sich nah umher, die Schilde gelehnt an die Schultern.

Auch Äneias indes ermahnete seine Genossen,

Paris samt Deiphobos dort und den edlen Agenor,

Welche die Troer mit ihm anführeten; aber die Völker[227]

Folgeten nach. So folgen die blökenden Schafe dem Widder

Von der Weide zur Tränk; es freuet sich herzlich der Schäfer:

Also war dem Äneias das Herz im Busen voll Freude,

Als er der Völker Schar nachwandeln sahe sich selber.

Jetzt um Alkathoos her begegneten jene sich, stürmend

Mit langschaftigen Speeren, und rings um die Busen der Männer

Rasselte schrecklich das Erz von den Zielenden gegeneinander

Durch das Gewühl. Zween Männer voll Kriegesmuts vor den andern,

Beid, Äneias der Held und Idomeneus, ähnlich dem Ares,

Strebten einander den Leib mit grausamem Erz zu verwunden.

Erstlich schoß Äneias, den Speer auf Idomeneus zielend;

Jener indes vorschauend vermied den ehernen Wurfspieß,

Daß Äneias' Geschoß mit bebendem Schaft in den Boden

Stürmte, nachdem es umsonst aus nervichter Hand ihm entflogen.

Aber Idomeneus traf des Önomaos wölbenden Panzer

Mitten am Bauch, daß schmetternd ins Eingeweid ihm die Spitze

Taucht'; und er sank in den Staub, mit der Hand den Boden ergreifend.

Zwar Idomeneus riß den langen Speer aus dem Toten

Eilend, doch nicht vermocht er die andere prangende Rüstung

Ihm von der Schulter zu ziehn, so drängten umher die Geschosse.

Auch nicht frisch war der Füße Gelenk dem strebenden Kämpfer,

Weder hinanzuspringen nach seinem Geschoß, noch zu weichen.

Drum in stehendem Kampf zwar wehrt' er dem grausamen Tage,

Aber zur Flucht nicht trugen die Schenkel ihn rasch aus dem Treffen.

Als er nun langsam wich, da flog Deiphobos' Lanze

Blinkend ihm nach; denn er hegte den dauernden Groll ihm noch immer.

Doch verfehlt' er auch jetzt; und Askalaphos bohrte die Lanze

Ihm, Enyalios' Sohne, mit stürmendem Erz in die Schulter

Tief; und er sank in den Staub, mit der Hand den Boden ergreifend.

Nicht annoch vernahm es der brüllende Wüterich Ares,

Daß sein Sohn gefallen im Ungestüme der Feldschlacht!

Fern auf den Höhn des Olympos, durch Zeus' des Allmächtigen Ratschluß,

Saß er, von goldenen Wolken umschränkt; dort saßen zugleich ihm

Andre unsterbliche Götter, zurückgehemmt von dem Kriege.

Jetzt um Askalaphos her begegneten jene sich stürmend.

Siehe, Deiphobos riß von Askalaphos' Haupte den blanken

Flatternden Helm; doch Meriones, rasch wie der tobende Ares,[228]

Rannte den Speer in den Arm des Raubenden, daß aus der Hand ihm

Schnell der längliche Helm mit Getön hinsank auf den Boden.

Doch Meriones sprang von neuem hinan, wie ein Habicht,

Und er entriß aus dem Ende des Arms den gewaltigen Wurfspieß;

Dann in der Freunde Gedräng entzog er sich. Aber Polites,

Seinen verwundeten Bruder Deiphobos mitten umfassend,

Führt' ihn hinweg aus dem Sturme der brüllenden Schlacht zu den Rossen,

Welche geflügelten Hufs ihm hinter dem Kampf und Gefechte

Standen, gehemmt vom Lenker am kunstreich prangenden Wagen.

Diese trugen zur Stadt den schwer aufstöhnenden Krieger,

Matt vor Schmerz, und das Blut entfloß dem verwundeten Arme.

Aber die anderen kämpften, und graunvoll brüllte der Schlachtruf.

Jetzo stürzt' Äneias auf Aphareus, Sohn des Kaletor,

Welcher sich gegen ihn wandt, und stieß ihm den Speer in die Gurgel.

Jenem sank zur Seite das Haupt, es folgte der Schild nach,

Auch der Helm; und des Todes entseelender Schauer umfloß ihn.

Als Antilochos jetzt den gewendeten Thoon bemerkte,

Stieß er dahergestürmt, und ganz die Ader zerschnitt er,

Welche längs dem Rücken emporläuft bis zu dem Nacken;

Diese zerschnitt er ihm ganz, daß er rücklings hinab auf den Boden

Taumelte, beide Händ' umher zu den Freunden verbreitend.

Aber Antilochos eilt' und entzog den Schultern die Rüstung

Mit umschauendem Blick, denn rings anstürmende Troer

Trafen den breiten Schild, den prangenden; doch sie vermochten

Nicht, ihm durchhin zu verwunden den Leib mit grausamem Erze,

Nestors Sohn. Denn siehe, der Erderschüttrer Poseidon

Schirmt' Antilochos rings im mächtigen Sturm der Geschosse.

Denn nie war er der Feind' entlediget, sondern durchtobte

Stets ihr Gewühl; nie ruhte der Speer ihm, sondern beständig

Bebt' er geschwungen umher; denn er wählete mutigen Herzens

Jetzt dem Wurfe sein Ziel und jetzt dem stürmenden Anlauf.

Wohl nahm Adamas nun des Zielenden wahr im Getümmel,

Asios' Sohn, und traf ihm den Schild mit spitzigem Erze,

Nahe daher sich stürzend, doch kraftlos machte die Schärfe

Der schwarzlockige Herrscher des Meers, sein Leben ihm weigernd.

Stecken blieb ein Teil, wie ein Pfahl in der Flamme gehärtet,

Dort in Antilochos' Schild, und der andere lag auf der Erde.[229]

Schnell in der Freunde Gedräng entzog er sich, meidend das Schicksal.

Aber Meriones folgt' und schoß die Lanze dem Flüchtling

Zwischen Scham und Nabel hinein, wo am meisten empfindlich

Naht der blutige Mord den unglückseligen Menschen.

Dort durchdrang ihn das Erz, daß er hingestürzt um die Lanze

Zappelte, gleich wie ein Stier, den im Bergwald weidende Männer,

Wie er sich sträubt, fortziehn durch Zwang des Rutengeflechtes.

Also zappelt im Blut er ein weniges, aber nicht lange;

Denn ihm nahte der Held Meriones, welcher dem Leibe

Mächtig die Lanz entriß; und Nacht umhüllt' ihm die Augen.

Helenos hieb nun genaht dem Deipyros über die Schläfe

Mit dem gewaltigen thrakischen Schwert, und den Helm von dem Haupte

Schmettert' er, daß er getrennt hintaumelte; und ein Achaier,

Als vor der Streitenden Füß' er daherrollt', hob ihn vom Boden;

Doch ihm hüllte die Augen ein mitternächtliches Dunkel.

Schmerz ergriff den Atreiden, den Rufer im Streit Menelaos;

Schnell mit furchtbarem Drohn auf Helenos eilt' er, den Herrscher,

Schwenkend den ehernen Speer; doch Helenos spannte den Bogen.

Also nahten sie beid und trachteten, dieser den Wurfspieß

Gegen ihn herzuschnellen und jener den Pfeil von der Senne.

Priamos' Sohn itzt traf mit dem Pfeil den wölbenden Panzer

Jenem über der Brust, doch es flog das herbe Geschoß ab.

Wie von der breiten Schaufel herab auf geräumiger Tenne

Hüpfet der Bohnen Frucht, der gesprenkelten, oder der Erbsen

Unter des Windes Geräusch und dem mächtigen Schwunge des Wurflers:

Also vom Panzer herab dem herrlichen Held Menelaos

Ferne zurückgeprallt, entflog das herbe Geschoß hin.

Nun traf jener die Hand, der Rufer im Streit Menelaos,

Welche den Bogen ihm hielt, den geglätteten, und in den Bogen

Stürmte, die Hand durchbohrend, hinein die eherne Lanze.

Schnell in der Freunde Gedräng entzog er sich, meidend das Schicksal,

Mit hinhangender Hand, und schleppte den eschenen Speer nach.

Diesen zog aus der Hand der hochgesinnte Agenor;

Dann verband er sie selbst mit geflochtener Wolle des Schafes,

Einer Schleuder, geführt von dem Kriegsgefährten des Herrschers.

Aber Peisandros rannt auf den herrlichen Held Menelaos

Ungestüm, denn ihn führte zum Tod ein böses Verhängnis,[230]

Dir, Menelaos, zu fallen in schreckenvoller Entscheidung.

Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden, gegeneinander,

Schoß er fehl, der Atreid, und seitwärts flog ihm die Lanze.

Aber Peisandros traf dem herrlichen Held Menelaos

Seinen Schild, doch konnt er hindurch nicht treiben die Spitze;

Denn sie hemmte der Schild, daß ab der Schaft an der Öse

Brach. Schon freute sich jener im Geist und erwartete Siegsruhm.

Doch der Atreid, ausziehend das Schwert voll silberner Buckeln,

Sprang auf Peisandros hinan. Der hob die schimmernde Streitaxt

Unter dem Schild, die ehrne, geschmückt mit dem Stiele von Ölbaum,

Schön geglättet und lang, und sie drangen zugleich aneinander.

Dieser haut' ihm den Kegel des schweifumflatterten Helmes,

Oben dicht an dem Busch, doch er des Nahenden Stirne

Über der Nas'; es zerkrachte der Knochen ihm, aber die Augen

Fielen ihm blutig hinab vor die Füß' auf den staubigen Boden;

Und er entsank, sich windend. Gestemmt nun die Fers auf die Brust ihm,

Raubt' er das Waffengeschmeid und rief frohlockend die Worte:

So doch verlaßt ihr endlich der reisigen Danaer Schiffe,

Ihr unmenschlichen Troer, des schrecklichen Streits unersättlich!

Auch noch anderer Schmach und Beleidigung nimmer ermangelnd:

Wie ihr schändlichen Hunde mich schmähetet und nicht geachtet

Zeus' schwertreffenden Zorn, des Donnerers, welcher das Gastrecht

Heiliget und zerstören euch wird die erhabene Feste!

Die ihr mein jugendlich Weib und viel der reichen Besitzung

Frech mir von dannen geführt, nachdem sie euch freundlich bewirtet!

Und nun möchtet ihr gern die meerdurchwandelnden Schiffe

Tilgen mit schrecklicher Flamm und Achaias Helden ermorden!

Aber ihr ruht wohl endlich, wie sehr ihr tobt, von dem Kriege!

Vater Zeus, man sagt ja, du seist erhaben an Weisheit

Über Menschen und Götter, doch warst du Stifter des alles;

Wie du anjetzt willfahrest den übermütigen Männern

Trojas, welchen vor Trotz und Üppigkeit nimmer das Herz sich

Sättigen kann am Streite des allverderbenden Krieges!

Alles wird man ja satt, des Schlummers selbst und der Liebe,

Auch des süßen Gesangs und bewunderten Reigentanzes,

Welche doch mehr anreizen die sehnsuchtsvolle Begierde

Als der Krieg; doch die Troer sind niemals satt des Gefechtes![231]

Jener sprach's, und dem Leibe die blutigen Waffen entreißend,

Gab er den Freunden sie hin, der untadlige Held Menelaos;

Selbst dann wandt er sich wieder und drang in das Vordergetümmel.

Siehe, Pylämenes' Sohn Harpalion wütete jetzo

Gegen ihn her, der, gesellt dem herrschenden Vater, gen Troja

Kam in den Krieg, allein nicht wiederkehrte zur Heimat;

Dieser traf dem Atreiden gerade den Schild mit der Lanze,

Nahe gestellt, doch konnt er hindurch nicht treiben die Spitze.

Schnell in der Freunde Gedräng entzog er sich, meidend das Schicksal,

Mit umschauendem Blick, ob den Leib ein Erz ihm erreichte.

Aber Meriones schoß den ehernen Pfeil nach dem Flüchtling,

Welcher rechts am Gesäß ihn verwundete, daß ihm die Spitze

Vorn, die Blase durchbohrend, am Schambein wieder hervordrang.

Hingesetzt auf der Stelle, den liebenden Freunden im Arme,

Matt den Geist ausatmend, dem Wurme gleich, auf der Erde

Lag er gestreckt; schwarz strömte sein Blut und netzte den Boden.

Ihn umeilten geschäftig die paphlagonischen Streiter,

Die in den Wagen gelegt ihn zur heiligen Ilios brachten,

Wehmutsvoll; auch folgte der Vater ihm, Tränen vergießend;

Doch nicht konnt er rächen den Tod des lieben Sohnes.

Jetzt ward Paris im Geist um den Fallenden heftig erbittert,

Welcher sein Gastfreund war im paphlagonischen Volke;

Zürnend um ihn, entsandt er den ehernen Pfeil von der Senne.

Einer hieß Euchenor, ein Sohn Polyidos', des Sehers,

Reich an Hab und edel, ein Haus in Korinthos bewohnend,

Der, wohlkundig des Trauergeschicks, im Schiffe daherkam.

Denn oft sagt' ihm solches der gute Greis Polyidos,

Sterben würd er zu Haus an peinlich schmachtender Krankheit

Oder auch unter den Schiffen des Heers, von den Troern getötet;

Darum mied er sowohl der Danaer schmähliche Strafe

Als der Krankheit Schmerz, daß nicht in Gram er versänke.

Paris nun traf am Ohr und Backen ihn, daß aus den Gliedern

Schnell der Geist ihm entfloh; und Graun des Todes umhüllt' ihn.

Also kämpften sie dort wie lodernde Flammen des Feuers.

Doch nicht Hektor vernahm, der göttliche, oder erkannt es,

Daß zur Linken der Schiff' ihm die Seinigen würden getötet

Unter der Danaer Hand und bald sich des Siegs die Achaier[232]

Freueten; also trieb der Gestadumstürmer Poseidon

Argos' Söhne zum Kampf, auch selbst mit Stärke beschirmt' er,

Sondern er hielt, wo zuerst durch Mauer und Tor er hereinsprang,

Dichte Reihn durchbrechend geschildeter Männer von Argos.

Dort, wo Ajas die Schiff' an den Strand und Protesilaos

Längs dem grauen Gewässer emporzog; aber die Mauer

Baueten dort die Achaier am niedrigsten, wo vor den andern

Ungestüm anstrebten zum Kampf sie selbst und die Rosse.

Dort Böoten zugleich und in langem Gewand Iaonen,

Lokrer und Phthias Söhn', auch hochberühmte Epeier

Hemmten mit Müh von den Schiffen den Stürmenden; doch sie vermochten

Nicht hinweg zu drängen die flammende Stärke des Hektor.

Vornan kämpften Athens Erlesene, und ihr Gebieter

Wandelte Peteos' Sohn Menestheus; aber zugleich ihm

Pheidas und Bias der Held und Stichios. Drauf den Epeiern

Ging der Phyleid, Held Meges, und Drakios vor und Amphion,

Medon drauf vor den Phthiern, zugleich der tapfre Podarkes.

Jener war ein Bastard des göttergleichen Oileus,

Medon, des Ajas Bruder, des kleineren; aber er wohnte

Ferne vom Vaterland in Phylake, weil er den Vetter

Einst erschlug Eriopis', der späteren Gattin Oileus';

Doch Podarkes ein Sohn des Phylakiden Iphiklos.

Diese, voran gewappnet vor Phthias mutiger Jugend,

Kämpften, der Danaer Schiffe verteidigend, nächst den Böoten.

Ajas wollte sich nie, der rasche Sohn des Oileus,

Fernen, auch nicht ein wenig, vom Telamonier Ajas,

Sondern wie zween Pflugstiere den starken Pflug durch ein Brachfeld,

Schwärzlich und gleich an Mute, daherziehn und an den Stirnen

Ringsum häufiger Schweiß vorquillt um die ragenden Hörner

(Beide von einem Joch, dem geglätteten, wenig gesondert,

Gehn sie die Furche hinab, den Grund durchschneidend des Feldes):

So dort halfen sich beid und wandelten dicht aneinander.

Aber Telamons Sohn begleiteten viel und entschlossne

Männer, zum Streite gesellt, die seinen Schild ihm enthoben,

Wann ihm die Kriegsarbeit und der Schweiß die Knie beschwerte.

Doch nicht folgten die Lokrer dem mutigen Sohn des Oileus,

Denn nicht duldet' ihr Herz, im stehenden Kampfe zu kämpfen;[233]

Denn nicht hatten sie Helme von Erz mit wallendem Roßschweif,

Hatten auch nicht gewölbete Schild' und eschene Lanzen,

Sondern mit Bogen allein und geflochtener Wolle des Schafes

Zogen sie voll Vertraun gen Ilios, warfen mit diesen

Dichte Geschoss' und brachen die troischen Kriegesgeschwader.

Jene nunmehr vornan in prangendem Waffengeschmeide

Kämpften mit Trojas Volk und dem erzumschimmerten Hektor;

Diese, von fern herwerfend, verbargen sich. Aber die Troer

Dachten nicht mehr des Gefechtes, verwirrt von dem Sturm der Geschosse.

Schmachvoll wären anjetzt von den Schiffen daher und Gezelten

Heimgekehrt die Troer zu Ilios' luftiger Höhe.

Aber Polydamas sprach, dem trotzigen Hektor sich nahend:

Hektor, du bist nicht leicht durch anderer Rat zu bewegen.

Weil dir ein Gott vorzüglich des Kriegs Arbeiten verliehn hat,

Darum willst du an Rat auch kundiger sein vor den andern?

Aber du kannst unmöglich doch alles zugleich dir erwerben.

Anderem ja gewährte der Gott Arbeiten des Krieges,

Anderem Reigentanz und anderem Harf und Gesänge;

Anderem legt' in den Busen Verstand Zeus' waltende Vorsicht,

Heilsamen, dessen viel im Menschengeschlecht sich erfreuen,

Der auch Städte beschirmt; doch zumeist er selber genießt sein.

Drum will ich dir sagen, wie mir's am besten erscheinet.

Rings ja droht dir umher die umzingelnde Flamme des Krieges,

Doch die mutigen Troer, nachdem sie die Mauer erstiegen,

Wenden sich teils vom Gefecht mit den Rüstungen; andere kämpfen,

Weniger sie mit mehreren noch, durch die Schiffe zerstreuet.

Weiche demnach und berufe die Edelsten alle des Volkes,

Daß wir vereint für alles entscheidenden Rat ausdenken:

Ob wir hinein uns stürzen ins Heer vielrudriger Schiffe,

So uns ein Gott willfährig den Sieg schenkt, ob wir anitzo

Heim von den Schiffen ziehn, unbeschädiget! Denn ich besorge,

Traun, uns wägen zurück die gestrige Schuld die Achaier

Reichlich, dieweil bei den Schiffen der unersättliche Krieger

Harrt, der schwerlich hinfort sich ganz enthält des Gefechtes.

So des Polydamas Rat; den unschädlichen billigte Hektor.

Schnell vom Wagen herab mit den Rüstungen sprang er zur Erde;

Und er begann zu jenem und sprach die geflügelten Worte:[234]

Sammle, Polydamas, hier die Edelsten alle des Volkes.

Dorthin geh ich selber, der wütenden Schlacht zu begegnen;

Aber ich kehre sofort, nachdem ich alles geordnet.

Sprach's und stürmte hinweg, dem Schneegebirge vergleichbar,

Lauten Rufs, und durchflog die Troer und die Genossen.

Doch zu Polydamas her, des Panthoos streitbarem Sohne,

Eilten die Edelsten alle, da Hektors Ruf sie vernahmen.

Nur den Deiphobos noch und des herrschenden Helenos Stärke,

Adamas, Asios' Sohn, samt Asios, Hyrtakos' Sohne,

Sucht' im Vordergetümmel der Wandelnde, ob er sie fände.

Doch nicht fand er sie mehr unbeschädiget noch ungetötet;

Einige lagen bereits um die ragenden Steuer von Argos,

Unter der Danaer Hand der mutigen Seelen beraubet,

Andere waren daheim, von Geschoß und Lanze verwundet.

Ihn nun fand er zur Linken der jammerbringenden Feldschlacht,

Alexandros, den Held, der lockigen Helena Gatten,

Welcher mit Mut beseelte die Freund' und ermahnte zu kämpfen.

Nahe trat er hinan und rief die beschämenden Worte:

Weichling, an Schönheit ein Held, weibsüchtiger, schlauer Verführer,

Sprich, wo Deiphobos ist und des herrschenden Helenos Stärke,

Adamas, Asios' Sohn, samt Asios, Hyrtakos' Sohne?

Auch Othryoneus wo? Nun sank herab von dem Gipfel

Ilios' türmende Stadt, nun naht dein grauses Verhängnis!

Ihm antwortete drauf der göttliche Held Alexandros:

Hektor, dieweil dein Herz Unschuldige selber beschuldigt,

Eher ein andermal wohl zur Unzeit rasten vom Kampfe

Mocht ich; denn mich auch gebar nicht ganz unkriegrisch die Mutter!

Denn seitdem bei den Schiffen zur Schlacht du erregtest die Freunde,

Streben wir hier beständig im Scharengewühl der Achaier

Sonder Verzug! Doch die Freund' entschlummerten, welche du forschest;

Zween, Deiphobos nur und des herrschenden Helenos Stärke,

Eilten hinweg, verwundet mit langgeschäfteten Lanzen,

Beid an der Hand; doch den Tod entfernete Zeus Kronion.

Führe nunmehr, wohin dein Herz und Mut es gebietet,

Wir mit freudiger Seele begleiten dich; nimmer auch sollst du

Unseres Muts vermissen, soviel die Kraft nur gewähret!

Über die Kraft kann keiner, auch nicht der Tapferste, kämpfen![235]

Also sprach und wandte des Bruders Herz Alexandros.

Beide nun eilten sie hin, wo am heftigsten Streit und Gefecht war,

Um Kebriones her und Polydamas' heilige Stärke,

Phalkes und Orthäos, den göttlichen Held Polypötes,

Palmys, Askanios auch und Morys, Hippotions Söhne,

Die aus dem scholligen Land Askania wechselnd gekommen

Früh am vorigen Tag; itzt trieb in die Schlacht sie Kronion.

Diese rauschten einher wie der Sturm unbändiger Winde,

Der vor dem rollenden Wetter des Donnerers über das Feld braust

Und graunvollen Getöses die Flut aufregt, daß sich ringsum

Türmen die brandenden Wogen des weitaufrauschenden Meeres,

Krummgewölbt und beschäumt, vorn andr' und andere hinten:

So dort drängten sich Troer in Ordnungen, andre nach andern,

Schimmernd im ehernen Glanz, und folgeten ihren Gebietern.

Hektor strahlte voran, dem mordenden Ares vergleichbar,

Priamos' Sohn, und trug den gleichgeründeten Schild vor,

Dicht aus Häuten gedrängt und umlegt mit starrendem Erze;

Und um des Wandelnden Schläfen bewegte sich strahlend der Helmschmuck.

Ringsumher versucht' er mit kühnem Gang die Geschwader,

Ob sie vielleicht ihm wichen, wie unter dem Schild er dahertrat;

Doch nicht schreckt' er den Mut in der männlichen Brust der Achaier.

Ajas nahte zuerst und forderte, mächtigen Schrittes:

Komm, Unglücklicher, komm! Warum doch schreckest du also

Argos' Volk? Wir sind nicht unerfahrene Krieger,

Sondern Zeus mit der Geißel des Wehs bezwang die Achaier.

Sicherlich wohl im Herzen erwartest du auszutilgen

Unsere Schiffe; doch rasch sind auch uns die Hände zur Abwehr!

Traun, weit eher vielleicht wird eure bevölkerte Feste

Unter unseren Händen besiegt und zu Boden getrümmert!

Auch dir selbst verkünd ich den nahen Tag, da du fliehend

Jammern wirst zu Zeus und allen unsterblichen Göttern,

Daß mit der Schnelle der Falken die schöngemähneten Rosse

Heim zu der Stadt dich tragen, in stäubender Flucht durch die Felder.

Als er es sprach, da schwebt' ihm rechtsher nahend ein Vogel,

Ein hochfliegender Adler, und lautauf schrien die Achaier,

Durch das Zeichen gestärkt. Doch es rief der strahlende Hektor:[236]

Ajas, was plauderst du da, großprahlender, eiteler Schwätzer?

Wär ich doch so sicher ein Sohn des Ägiserschüttrers

Zeus, zum unsterblichen Gott von der Herrscherin Here geboren,

Ewig geehrt, wie geehrt Athenäa wird und Apollon,

Als der heutige Tag ein Unheil bringt den Argeiern

Allen; du selbst auch liegst ein Erschlagener, wenn du es wagest,

Meinen gewaltigen Speer zu bestehn! Er zerreißt dir den zarten

Leib, dann sättigest du der Troer Hund' und Gevögel

Deines Fettes und Fleisches, gestreckt bei den Schiffen Achaias!

Also rief der Herrscher und führete; jene nun folgten

Mit graunvollem Geschrei, und laut nachjauchzten die Völker.

Laut auch schrien die Argeier daher, des stürmenden Mutes

Eingedenk, und bestanden die nahenden Helden der Troer.

Beider Geschrei ertönte zu Zeus' hochstrahlendem Äther.

Quelle:
Homer: Ilias / Odyssee. München 1976, S. 214-237.
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