[73] Diomedes, den Athene zur Tapferkeit erregt, wird von Pandaros geschossen. Er erlegt den Pandaros und verwundet den Äneias, samt der entführenden Aphrodite. Diese flieht auf Ares' Wagen zum Olympos. Apollon trägt, von Diomedes verfolgt, den Äneias in seinen Tempel auf Pergamos, woher er geheilt bald zurückkehrt. Auf Apollons Ermahnung erweckt Ares die Troer, und die Achaier weichen allmählich. Tlepolemos von Sarpedon erlegt. Here und Athene fahren vom Olympos, den Achaiern gegen Ares zu helfen. Diomedes, von Athene ermahnt und begleitet, verwundet den Ares. Der Gott kehrt zum Olympos, und die Göttinnen folgen.
Jetzo schmückt' Athene des Tydeus Sohn Diomedes
Hoch mit Kraft und Entschluß, damit vorstrahlend aus allem
Danaervolk er erschien' und herrlichen Ruhm sich gewänne.
Flammen ihm hieß auf Helm und Schilde sie mächtig umher glühn,
Ähnlich dem Glanzgestirne der Herbstnacht, welches am meisten
Klar den Himmel durchstrahlt, in Okeanos' Fluten gebadet;
Solche Glut hieß jenem sie Haupt umflammen und Schultern,
Stürmt' ihn dann mitten hinein, wo am heftigsten schlug das Getümmel.
Unter den Troern war ein unsträflicher Priester Hephästos',
Dares, mächtig und reich, der ins Heer zween Söhne gesendet,
Phegeus und Idäos, geübt in jeglichem Kampfe.
Diese, getrennt vom Haufen, entgegen ihm sprengten sie jetzo
Beid auf Rossegeschirr; er strebte zu Fuß von der Erde.
Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden, gegeneinander,
Sendete Phegeus zuerst die weithinschattende Lanze.
Aber es flog dem Tydeiden das Erz links über die Schulter
Hin und verwundete nicht. Nun schwang auch jener den Wurfspieß,
Tydeus' Sohn, und ihm flog nicht umsonst das Geschoß aus der Rechten,
Sondern traf in die Kerbe der Brust und stürzt' ihn vom Wagen.
Aber Idäos entsprang, den zierlichen Sessel verlassend;
Denn ihm zagte das Herz, den ermordeten Bruder zu schützen.
Kaum auch, kaum er selber entrann dem schwarzen Verhängnis;
Doch ihn entrückt' Hephästos, in schirmende Nacht ihn verhüllend,
Daß nicht ganz ihm versänke das Herz des Greises in Jammer.
Seitwärts trieb das Gespann der Sohn des erhabenen Tydeus,
Und ihm führten die Freund' es hinab zu den räumigen Schiffen.
Doch wie die mutigen Troer geschaut die Söhne des Dares,
Ihn von dannen entflohn und ihn entseelt am Geschirre,[74]
Regte sich allen das Herz. Allein Zeus' Tochter Athene
Faßt' an der Hand und redete so zum tobenden Ares:
Ares, o Ares voll Mord, Bluttriefender, Mauernzertrümmrer!
Lassen wir nicht sie allein, die Troer hinfort und Achaier,
Kämpfen, zu welcherlei Volk Zeus' Vorsicht wende den Siegsruhm;
Doch wir weichen zurück und meiden den Zorn Kronions?
Jene sprach's und entführte der Schlacht den tobenden Ares;
Diesen setzte sie drauf am behügelten Strand des Skamandros.
Argos' Söhn' itzt drängten den Feind, und jeglichem Führer
Sank ein Mann. Erst stürzte der Völkerfürst Agamemnon
Hodios aus dem Geschirr, den Halizonengebieter.
Als er zuerst umwandte, da flog in den Rücken der Speer ihm
Zwischen der Schulterbucht, daß vorn aus dem Busen er vordrang;
Dumpf hinkracht' er im Fall, und es rasselten um ihn die Waffen.
Aber Idomeneus tilgte den Sohn des mäonischen Boros,
Phästos, der her aus Tarne, dem scholligen Lande, gekommen.
Dieser strebt' auf den Wagen empor; doch die ragende Lanze
Stieß ihm der speerberühmte Idomeneus rechts in die Schulter;
Und er entsank dem Geschirr, und Graun des Todes umhüllt' ihn;
Aber Idomeneus' Freund' entzogen ihm eilig die Rüstung.
Ihn, des Strophios' Sohn Skamandrios, kundig des Jagens,
Raffte mit spitziger Lanze des Atreus Sohn Menelaos,
Jenen tapferen Jäger. Gelehrt von Artemis selber,
Traf er alles Gewild, das der Forst des Gebirges ernähret.
Aber nichts ihm nunmehr half Artemis, froh des Geschosses,
Nichts die gepriesene Kunst, ferntreffende Pfeile zu schnellen,
Sondern des Atreus Sohn, der streitbare Held Menelaos,
Als er vor ihm hinbebte, durchstach mit dem Speer ihm den Rücken
Zwischen der Schulterbucht, daß vorn aus dem Busen er vordrang.
Jener entsank vorwärts, und es rasselten um ihn die Waffen.
Auch Meriones traf den Phereklos, stammend von Tekton.
Harmons Sohn, der mit Händen erfindsam allerlei Kunstwerk
Bildete; denn ihn erkor zum Lieblinge Pallas Athene.
Er hatt auch Alexandros die schwebenden Schiffe gezimmert,
Jene Beginner des Wehs, die Unheil brachten den Troern
Und ihm selbst, weil nicht er vernahm der Unsterblichen Ausspruch.
Diesen traf, da er jetzt im verfolgenden Lauf ihn ereilte,[75]
Rechts hindurch ins Gesäß Meriones, daß ihm die Spitze,
Vorn die Blase durchbohrend, am Schambein wieder hervordrang.
Heulend sank er aufs Knie, und Todesschatten umfing ihn.
Meges warf den Pedäos dahin, den Sohn des Antenor,
Der unehelich war; doch erzog ihn die edle Theano
Gleich den eigenen Kindern, gefällig zu sein dem Gemahle.
Diesem schoß nachrennend der speerberühmte Phyleide
Hinten die spitzige Lanze gerad in die Höhle des Nackens;
Zwischen den Zähnen hindurch zerschnitt die Zunge das Erz ihm,
Und er entsank in den Staub, am kalten Erze noch knirschend.
Doch der Euämonid Eurypylos traf den Hypsenor,
Ihn, Dolopions Sohn, des Erhabenen, der dem Skamandros
War ein Priester geweiht, wie ein Gott im Volke geehret.
Aber Eurypylos nun, der glänzende Sohn des Euämon,
Als er vor ihm hinbebte, verfolgt' und schwang in die Schulter
Ihm anstürmend das Schwert und hieb ihm den nervichten Arm ab:
Blutig entsank ihm der Arm ins Gefild hin; aber die Augen
Übernahm der finstere Tod und das grause Verhängnis.
So arbeiteten jen' im Ungestüme der Feldschlacht.
Aber des Tydeus Sohn, nicht wüßte man, welcherlei Volks er
Schaltete, ob er mit Troern einherging, ob mit Achaiern.
Denn er durchtobte das Feld, dem geschwollenen Strome vergleichbar,
Voll vom Herbst, der in reißendem Sturz wegflutet die Brücken;
Nicht ihn zu hemmen vermag der Brücken gewaltiges Bollwerk,
Auch nicht hemmen die Zäune der grünenden Saatengefilde
Ihn, der sich schleunig ergießt, wann gedrängt Zeus' Schauer herabfällt;
Weit dann versinkt er vor jenem der Jünglinge fröhliche Arbeit:
Also vor Tydeus' Sohn enttaumelten dichte Geschwader
Troischen Volks und harreten nicht, wie viel sie auch waren.
Aber sobald ihn schaute der glänzende Sohn des Lykaon,
Wie er durchtobte das Feld und umher zerstreute die Scharen,
Richtet' auf Tydeus' Sohn er sofort sein krummes Geschoß hin,
Schnellte dem Stürmenden zu und traf ihn rechts an der Schulter
In sein Panzergelenk; ihm flog das herbe Geschoß durch,
Grad' in die Schulter hinein, und Blut umströmte den Panzer.
Jauchzend erhub die Stimme der glänzende Sohn des Lykaon:
Angedrängt, ihr Troer, voll Kriegsmut, Sporner der Rosse![76]
Denn nun traf's den besten der Danaer! Nimmer, vermut ich,
Wird er es lang aushalten, das starke Geschoß, so in Wahrheit
Mich Zeus' herrschender Sohn zum Streit aus Lykia hertrieb!
Jener rief's aufjauchzend; doch nicht bezwang das Geschoß ihn,
Sondern er wich, und gestellt vor den rossebespanneten Wagen,
Redet' er Sthenelos an, den kapaneischen Sprößling:
Auf, o trautester Kapaneiad, und steige vom Wagen,
Daß du hervor aus der Schulter das herbe Geschoß mir entziehest.
Jener sprach's; doch Sthenelos sprang von dem Wagen zur Erde,
Trat hinan und entzog den durchdringenden Pfeil aus der Schulter;
Hell durchspritzte das Blut die geflochtenen Ringe des Panzers.
Jetzo betete laut der Rufer im Streit Diomedes:
Höre, des ägiserschütternden Zeus' unbezwungene Tochter!
Wenn du mir je und dem Vater mit sorgsamer Liebe genahet
Im feindseligen Streit, so liebe mich nun, o Athene!
Laß mich treffen den Mann und den fliegenden Speer ihn erreichen,
Welcher zuvor mich verwundet und nun frohlockend sich rühmet,
Nicht mehr schau ich lange das Licht der strahlenden Sonne!
Also rief er flehend, ihn hörete Pallas Athene.
Leicht ihm schuf sie die Glieder, die Füß' und die Arme von oben;
Nahe nun trat sie hinan und sprach die geflügelten Worte:
Kehre getrost, Diomedes, zum mutigen Kampf mit den Troern;
Denn dir goß ich ins Herz die Kraft und Stärke des Vaters,
Unverzagt, wie sie trug der geschildete reisige Tydeus.
Auch das Dunkel entnahm ich den Augen dir, welches sie deckte,
Daß du wohl erkennest den Gott und den sterblichen Menschen.
Drum, so etwa ein Gott herannaht, dich zu versuchen,
Hüte dich, seligen Göttern im Kampf entgegen zu wandeln,
Allen sonst; doch käme die Tochter Zeus', Aphrodite,
Her in den Streit, die magst du mit spitzigem Erze verwunden.
Also sprach und enteilte die Herrscherin Pallas Athene.
Aber es flog Diomedes zurück in das Vordergetümmel.
Hatt er zuvor im Herzen geglüht, mit den Troern zu kämpfen,
Jetzo ergriff ihn dreimal entflammterer Mut, wie den Löwen,
Welchen der Hirt im Felde, die wolligen Schafe bewachend,
Streifte, doch nicht erschoß, da über den Zaun er hereinsprang
(Jenem erhebt sich der Zorn, und hinfort kann keiner ihm wehren,[77]
Sondern er dringt in die Ställe hinein, die Verlassenen scheuchend;
Und nun liegen gehäuft die Blutenden übereinander;
Aber voll Wut entspringt er dem hochumschränkten Gehege):
Also drang in die Troer voll Wut der Held Diomedes.
Jetzo rafft' er Astynoos hin und den Herrscher Hypeiron,
Ihn an der Warze der Brust mit eherner Lanze durchbohrend;
Jenem schwang er ins Schultergelenk des gewaltigen Schwertes
Hieb, daß vom Halse die Schulter sich sonderte und von dem Rücken.
Diese verließ und zu Abas enteilet' er und Polyeidos,
Beid Eurydamas' Söhne, des traumauslegenden Greises.
Doch den Scheidenden hatte der Greis nicht Träume gedeutet,
Sondern es raubt' ihr Geschmeide der starke Held Diomedes.
Drauf den Xanthos und Thoon verfolget' er, Söhne des Phänops,
Beide spät ihm geboren, und schwach vom traurigen Alter,
Zeugt' er kein anderes Kind, sein Eigentum zu ererben.
Jener entwaffnete nun, ihr süßes Leben vertilgend,
Beid und ließ den Vater in Gram und finsterer Schwermut
Dort, dieweil nicht lebend sie heim aus dem Treffen ihm kehrten,
Freudig begrüßt, und das Erb eindringende Fremde sich teilten.
Jetzo zween aus Priamos' Blut, des Dardanionen,
Traf er auf einem Geschirr, den Chromios und den Echemon;
Und wie ein Löw in die Rinder sich stürzt und den Nacken der Starke
Abknirscht, oder der Kuh, die Laubgehölze durchweiden:
Also beide zugleich warf Tydeus' Sohn aus dem Wagen
Schrecklich herab mit Gewalt, und hierauf nahm er die Rüstung;
Doch das Gespann entführten die Seinigen ihm zu den Schiffen.
Jenen sah Äneias umher verdünnen die Schlachtreihn;
Flugs durcheilt' er den Kampf und den klirrenden Sturm der Geschosse,
Rings nach Pandaros forschend, dem Göttlichen, ob er ihn fände.
Jetzo fand er den starken untadligen Sohn des Lykaon,
Trat nun hinan vor jenen und redete, also beginnend:
Pandaros, wo dein Bogen und wo die gefiederten Pfeile
Und dein Ruhm, den weder allhier ein anderer teilet,
Noch in Lykia einer dir abzugewinnen sich rühmet?
Hebe die Hände zu Zeus und sende dem Mann ein Geschoß hin,
Der da umher so schaltet und schon viel Böses den Troern
Stiftete, weil er vieler und tapferer Knie gelöset![78]
Ist er nicht etwa ein Gott, der im Zorn heimsuchet die Troer,
Rächend der Opfer Schuld; denn hart ist die Rache der Götter.
Ihm antwortete drauf der glänzende Sohn des Lykaon:
Edler Fürst, Äneias, der erzgepanzerten Troer,
Gleich des Tydeus Sohne, dem Feurigen, acht ich ihn völlig;
Denn ich erkenne den Schild und die längliche Kuppel des Helmes,
Auch sein Rossegeschirr; doch vielleicht auch mag er ein Gott sein.
Ist der Mann, den ich sage, der feurige Sohn des Tydeus,
Traun, nicht ohne Götter ergrimmt' er so, sondern ihm nahe
Steht ein Unsterblicher dort, ein Gewölk um die Schultern sich hüllend,
Der auch das schnelle Geschoß abwendete, welches ihm zuflog.
Denn ihm sandt ich bereits ein Geschoß und traf ihm die Schulter
Rechts, daß hinein es drang, das Panzergelenk ihm durchbohrend;
Und ich hofft, ihn hinab zu beschleunigen zum Aidoneus.
Dennoch bezwang ich ihn nicht. Ein Gott muß wahrlich erzürnt sein.
Auch nicht hab ich die Ross' und ein schnelles Geschirr zu besteigen,
Sondern ich ließ in Lykaons Palast elf zierliche Wagen,
Stark und neu vom Künstler gefügt, mit Teppichen ringsum
Überhängt; und bei jeglichem stehn zweispännige Rosse
Müßig, mit nährendem Spelt und gelblicher Gerste gesättigt.
Dringend ermahnete zwar der grauende Krieger Lykaon
Mich, den Scheidenden, dort in der schöngebaueten Wohnung,
Daß ich erhöht im Sessel des rossebespanneten Wagens
Trojas Schar anführte zum Ungestüme der Feldschlacht;
Aber ich hörete nicht (wie heilsam, hätt ich gehöret!),
Schonend des edlen Gespanns, daß mir's nicht darbte der Nahrung
Bei umzingeltem Volk, da es reichliches Futter gewohnt war.
Also kam ich zu Fuß gen Ilios, ohne die Rosse,
Nur dem Bogen vertrauend; allein nichts sollt er mir helfen!
Denn schon zween umher der edleren Helden erreicht ich,
Tydeus' Sohn und des Atreus Sohn; und beiden hervordrang
Helles Blut aus der Wunde; doch reizt ich beide nur stärker.
Zur unseligen Stund enthob ich Bogen und Köcher
Jenes Tages dem Pflock, da nach Ilios' lieblicher Feste
Trojas Schar ich führte, zu Gunst dem erhabenen Hektor.
Werd ich hinfort heimkehren und wiedersehn mit den Augen
Vatergefild und Weib und die hohe gewölbete Wohnung:[79]
Schleunig haue mir dann das Haupt von der Schulter ein Fremdling,
Wo nicht dieses Geschoß in loderndes Feuer ich werfe,
Kurz in den Händen geknickt, daß ein nichtiger Tand mich begleitet!
Aber Äneias sprach, der Troer Fürst, ihm erwidernd:
Freund, nicht also geredet! Zuvor wird dieses nicht anders,
Ehe dem Mann wir beide mit Kriegesrossen und Wagen
Kühn entgegengerannt und mit unserer Wehr ihn versuchet.
Auf denn, zu meinem Geschirr erhebe dich, daß du erkennest,
Wie doch troische Rosse gewandt sind, durch die Gefilde
Dort zu sprengen und dort, in Verfolgungen und in Entfliehung.
Uns auch wohl in die Stadt erretten sie, wenn ja von neuem
Zeus ihm Ehre verleiht, des Tydeus Sohn Diomedes.
Auf denn, die Geißel sofort und die purpurschimmernden Zügel
Nimm; ich selbst verlasse die Ross' und warte des Kampfes.
Oder begegn ihm du, und mir sei die Sorge der Rosse.
Ihm antwortete drauf der glänzende Sohn des Lykaon:
Lenke du selbst, Äneias, dein Rossegespann mit den Zügeln.
Hurtiger mögen, gewohnt des Lenkenden, jen' uns entreißen
Auf dem gebogenen Geschirr, wann wieder verfolgt der Tydeide,
Daß sie uns nicht abschweifen umhergescheucht, und dem Schlachtfeld
Uns unwillig enttragen, des Eigeners Stimme vermissend;
Aber dahergestürmt der Sohn des mutigen Tydeus
Uns dann beid erschlag und entführe die stampfenden Rosse.
Darum lenke du selbst dein Wagengeschirr und die Rosse;
Jenem will ich, so er kommt, mit spitziger Lanze begegnen.
Also redeten beid, und den künstlichen Wagen besteigend,
Sprengten auf Tydeus' Sohn sie daher mit hurtigen Rossen.
Sie nahm Sthenelos wahr, der kapaneische Krieger,
Wandte sich schnell zum Tydeiden und sprach die geflügelten Worte:
Tydeus' Sohn Diomedes, du meiner Seele Geliebter,
Schau, zween tapfere Männer auf dich herstürmen zum Kampfe,
Beid unermeßlicher Kraft: der dort, wohlkundig des Bogens,
Pandaros, welcher den Sohn des Lykaon rühmend sich nennet,
Weil Äneias ein Sohn des hochbeherzten Anchises
Trotzt entsprossen zu sein von der Tochter Zeus' Aphrodite.
Laß uns schnell im Wagen entfliehn und wüte mir so nicht
Unter dem Vordergewühl, daß nicht dein Leben dir schwinde.[80]
Finster schaut' und begann der starke Held Diomedes:
Nichts von Flucht mir gesagt; denn schwerlich möcht ich gehorchen!
Mir nicht ist's anartend, zurückzubeben im Kampfe
Oder hinab mich zu schmiegen; noch fest mir dauret die Stärke!
Mich verdreußt's, im Wagen zu stehn; vielmehr, wie ich hier bin,
Wandl ich gegen sie an; Furcht wehret mir Pallas Athene.
Nie trägt jene zurück ihr Gespann schnellfüßiger Rosse
Beid aus unseren Händen, wofern auch einer entrinnet.
Eines verkünd ich dir noch und du bewahr es im Herzen:
Wenn ja den Ruhm mir gewährt die ratende Göttin Athene,
Beide sie hinzustrecken, dann unsere hurtigen Rosse
Hemme zurück, das Gezäum am Sesselrande befestigt;
Und zu Äneias' Rossen enteile mir, daß du sie wegführst
Aus der Troer Gewühl zu den hellumschienten Achaiern.
Jenes Geschlechts sind diese, das Zeus Kronion dem Tros einst
Gab zum Entgelte des Sohns Ganymedes: edel vor allen
Rossen, so viel umstrahlet das Tageslicht und die Sonne.
Jenes Geschlechts entwandte der Völkerfürst Anchises,
Ohne Laomedons Kunde die eigenen Stuten vermählend,
Welche darauf sechs Füllen in seinem Palast ihm gebaren.
Vier von jenen behaltend ernähret' er selbst an der Krippe,
Diese gab er Äneias, dem Sohn, zween stürmende Renner.
Könnten wir dies' erbeuten, dann würd ein herrlicher Ruhm uns!
Also redeten jen' im Wechselgespräch miteinander.
Schnell nun nahten sie dort, die hurtigen Rosse beflügelnd.
Gegen ihn rief nun zuerst der glänzende Sohn des Lykaon:
Feuriger, hochbeherzter, du Sohn des strahlenden Tydeus,
Nicht das herbe Geschoß, das der Bogen schnellte, bezwang dich;
Aber anjetzt mit dem Speere versuch ich es, ob er mir treffe.
Sprach's, und im Schwung entsandt er die weithinschattende Lanze;
Und sie traf auf den Schild des Königes, aber hindurch flog
Stürmend die eherne Spitz' und schmetterte gegen den Panzer.
Jauchzend erhub die Stimme der glänzende Sohn des Lykaon:
Ha, das traf doch hindurch in die Weiche dir! Nimmer, vermut ich,
Wirst du es lang aushalten, und großen Ruhm mir gewährst du!
Drauf begann unerschrocken der starke Held Diomedes:
Nicht getroffen, gefehlt! Doch schwerlich werdet ihr, mein ich,[81]
Eher zur Ruh hingehn, bis wenigstens einer entfallend
Ares mit Blute getränkt, den unaufhaltsamen Krieger!
Sprach's und entsandte den Speer; ihn richtete Pallas Athene
Grad am Aug in die Nas, und die weißen Zähn' ihm durchdrang sie;
Hinten zugleich die Zunge zerschnitt das starrende Erz ihm,
Daß die Spitz ihm entfuhr am äußersten Ende des Kinnes.
Und er entsank dem Geschirr, und es rasselten um ihn die Waffen,
Regen Gelenks, weitstrahlend; und seitwärts zuckten die Rosse,
Mutig und rasch; ihn aber verließ dort Atem und Stärke.
Aber es stürmt' Äneias mit Schild und ragendem Speer an,
Sorgend, daß ihm wegzögen den toten Freund die Achaier.
Rings umwandelt' er ihn wie ein Löw in trotzender Kühnheit;
Vor ihn streckt' er die Lanz und den Schild von geründeter Wölbung,
Ihn zu erschlagen bereit, wer nur annahte zu jenem,
Mit graunvollem Geschrei. Da ergriff den gewaltigen Feldstein
Tydeus' Sohn, so schwer, daß nicht zween Männer ihn trügen,
Wie nun Sterbliche sind; doch er schwang ihn allein und behende.
Hiermit traf er Äneias das Hüftgelenk, wo des Schenkels
Bein in der Hüfte sich dreht, das auch die Pfanne genannt wird;
Und er zermalmt' ihm die Pfann und zerriß ihm beide die Sehnen;
Rings auch entblößte die Haut der zackige Stein, und der Held sank
Vorwärts hin auf das Knie und stemmte die nervichte Rechte
Gegen die Erd; und die Augen umzog die finstere Nacht ihm.
Dort nun wär er gestorben, der Völkerfürst Äneias,
Wenn nicht schnell es bemerkt die Tochter Zeus', Aphrodite,
Die dem Anchises vordem ihn gebar bei der Herde der Rinder.
Diese, den trautesten Sohn mit Lilienarmen umschlingend,
Breitet' ihm vor die Falte des silberhellen Gewandes
Gegen der Feinde Geschoß, daß kein Gaultummler Achaias
Jenem die Brust mit Erze durchbohrt' und das Leben entrisse.
Also den trautesten Sohn enttrug sie hinweg aus der Feldschlacht.
Doch nicht Kapaneus' Sohn war sorglos jenes Vertrages,
Welchen ihm anbefahl der Rufer im Streit Diomedes,
Sondern er hemmt' abwärts sein Gespann starkhufiger Rosse
Außer dem Sturm, das Gezäum am Sesselrande befestigt;
Schnell dann Äneias' Rosse, die schöngemähnten, entführt' er
Aus der Troer Gewühl zu den hellumschienten Achaiern;[82]
Gab sie darauf dem Genossen Deipylos, den er vor allen
Jugendfreunden geehrt, weil fügsamen Sinnes sein Herz war,
Daß zu den Schiffen hinab er sie führete. Selber der Held dann
Stieg in das eigne Geschirr und ergriff die prangenden Zügel,
Lenkte dann schnell zum Tydeiden die mächtig stampfenden Rosse
Freudigen Mutes. Der folgte mit grausamem Erze der Kypris,
Weil er erkannt, sie erschein unkriegerisch, keine der andern
Göttinnen, welche der Sterblichen Schlacht obwaltend durchwandeln,
Weder Athenens Macht noch der Städt' Unholdin Enyo.
Als er nunmehr sie erreicht, durch Schlachtgetümmel verfolgend,
Jetzo die Lanze gestreckt, der Sohn des erhabenen Tydeus,
Traf er daher sich schwingend mit eherner Spitze die Hand ihr,
Zart und weich; und sofort in die Haut ihr stürmte die Lanze
Durch die ambrosische Hülle, die ihr Charitinnen gewebet,
Nah am Gelenk in der Fläche; da rann ihr unsterbliches Blut hin,
Klarer Saft, wie den Wunden der seligen Götter entfließet;
Denn nicht essen sie Brot, noch trinken sie funkelnden Weines;
Blutlos sind sie daher und heißen unsterbliche Götter.
Laut nun schrie die Göttin und warf zur Erde den Sohn hin.
Aber ihn in den Händen errettete Phöbos Apollon,
Hüllend in dunkles Gewölk, daß kein Gaultummler Achaias
Jenem die Brust mit Erze durchbohrt' und das Leben entrisse.
Jetzo erhub die Stimme der Rufer im Streit Diomedes:
Weiche zurück, Zeus' Tochter, aus Männerkampf und Entscheidung!
Nicht genug, daß du Weiber von schwachem Sinne verleitest,
Wo du hinfort in den Krieg dich einmengst? Wahrlich ich meine,
Schaudern sollst du vor Krieg, wenn du fern nur nennen ihn hörest!
Jener sprach's; und verwirrt enteilte sie, Qualen erduldend.
Iris nahm und enttrug sie windschnell aus dem Getümmel,
Ach, vom Schmerze betäubt und die schöne Hand so gerötet!
Jetzo fand sie zur Linken der Schlacht den tobenden Ares
Sitzend, in Nacht die Lanze gehüllt und die hurtigen Rosse.
Jen' auf die Knie hinfallend vor ihrem teuersten Bruder,
Bat und flehete sehr um die goldgeschirreten Rosse:
Teuerster Bruder, schaffe mich weg und gib mir die Rosse,
Daß zum Olympos ich komm, allwo die Unsterblichen wohnen.
Heftig schmerzt mich die Wunde; mich traf ein sterblicher Mann dort,[83]
Tydeus' Sohn, der anjetzt wohl Zeus den Vater bekämpfte.
Jene sprach's, und er gab die goldgeschirreten Rosse.
Und sie trat in den Sessel, ihr Herz voll großer Betrübnis.
Neben sie trat dann Iris und faßt' in den Händen die Zügel;
Treibend schwang sie die Geißel, und rasch hinflogen die Rosse.
Bald erreichten sie dann die seligen Höhn des Olympos.
Dort nun hemmte die Rosse die windschnell eilende Iris,
Schirrte sie ab vom Wagen und reicht' ambrosische Nahrung.
Aber mit Wehmut sank in Dionens Schoß Aphrodite:
Jene mütterlich hielt die göttliche Tochter umarmend,
Streichelte sie mit der Hand und redete, also beginnend:
Wer mißhandelte dich, mein Töchterchen, unter den Göttern
Sonder Scheu, als hättest du öffentlich Frevel verübet?
Ihr antwortete drauf die holdanlächelnde Kypris:
Tydeus' Sohn dort traf mich, der stolze Held Diomedes,
Weil ich den lieben Sohn aus dem Kampf enttrug, den Äneias,
Welcher mir vor allen geliebt ist unter den Menschen.
Nicht ist's mehr der Troer und Danaer schreckliche Feldschlacht,
Sondern es nahn die Achaier sogar Unsterblichen kämpfend!
Ihr antwortete drauf die herrliche Göttin Dione:
Dulde, du liebes Kind, und fasse dich, herzlich betrübt zwar!
Viele ja duldeten schon, wir Götter umher des Olympos,
Gram von sterblichen Menschen, indem wir einander gekränket.
Ares ertrug's, als jenen die Riesenbrut des Aloeus,
Otos samt Ephialtes, in schmerzenden Banden gefesselt.
Dreizehn lag er der Mond' umschränkt vom ehernen Kerker,
Und er verschmachtete schier, der unersättliche Krieger,
Wenn nicht der Brut Stiefmutter, die reizende Eeriböa,
Solches dem Hermes gesagt; der stahl von dannen den Ares,
Kraftlos schon und ermattet, denn hart bezwang ihn die Fessel.
Here auch trug's, als einst Amphitryons mächtiger Sohn ihr
Mit dreischneidigem Pfeil an der rechten Seit in den Busen
Traf; da hätte sie fast unheilbare Schmerzen empfangen.
Selbst auch Aides trug's, der gewaltige Schattenbeherrscher,
Als ihn eben der Mann, der Sohn des Ägiserschüttrers,
Unten am Tor der Toten mit schmerzendem Pfeile verwundet.
Aber er stieg zum Hause des Zeus und dem hohen Olympos,[84]
Trauernd das Herz, durchdrungen von wütender Pein; denn geheftet
War in der mächtigen Schulter der Pfeil und quält' ihm die Seele.
Doch ihm legt' auf die Wunde Päeon lindernden Balsam,
Und er genas; denn nicht war sterbliches Los ihm beschieden.
Kühner, entsetzlicher Mann, der frech, nicht achtend des Frevels,
Sein Geschoß auf Götter gespannt, des Olympos Bewohner!
Jenen erregte dir Zeus' blauäugige Tochter Athene.
Tor! er erwog nicht solches, der Sohn des mutigen Tydeus,
Daß nicht lange besteht, wer wider Unsterbliche kämpfet,
Daß nicht Kinder ihm einst an den Knien: mein Väterchen! stammeln,
Ihm, der gekehrt aus Krieg und schreckenvoller Entscheidung.
Darum hüte sich jetzt, wie tapfer er sei, Diomedes,
Daß nicht stärker denn du ein anderer gegen ihn kämpfe;
Daß nicht Ägialeia, die sinnige Tochter Adrastos',
Einst aus dem Schlaf aufschluchzend die Hausgenossen erwecke,
Schwermutsvoll um den Jugendgemahl, den besten Achaier,
Sie, das erhabene Weib von Tydeus' Sohn Diomedes!
Sprach's und trocknete jener mit beiden Händen die Wunde;
Heil ward jetzo die Hand, und besänftiget ruhten die Schmerzen.
Aber es schauten daher Athen' und die Herrscherin Here,
Und mit stichelnden Worten erregten sie Zeus Kronion.
Also redete Zeus' blauäugige Tochter Athene:
Vater Zeus, ob du solches verargen mir wirst, was ich sage?
Sicher bewog nun Kypris ein schönes achaiisches Weiblein,
Mitzugehn zu den Troern, die jetzt unmäßig sie liebet;
Dort vielleicht am Gewande der holden Achaierin streichelnd,
Hat sie mit goldener Spange die zarte Hand sich geritzet.
Lächelnd vernahm's der Vater des Menschengeschlechts und der Götter,
Rief sie heran und sprach zur goldenen Aphrodite:
Töchterchen, dein Geschäft sind nicht die Werke des Krieges.
Ordne du lieber hinfort anmutige Werke der Hochzeit.
Diese besorgt schon Ares, der Stürmende, und Athenäa.
Also redeten jen' im Wechselgespräch miteinander.
Dort auf Äneias stürzte der Rufer im Streit Diomedes,
Wissend zwar, daß selber Apollons Hand ihn bedeckte.
Doch nicht scheut' er den Gott, den gewaltigen, sondern begierig
Strebt' er zu töten den Held und die prangende Rüstung zu rauben.[85]
Dreimal stürzt' er hinan, voll heißer Begier, zu ermorden,
Dreimal erregte mit Macht den leuchtenden Schild ihm Apollon.
Als er das viertemal drauf anstürmete, stark wie ein Dämon,
Rief mit schrecklichem Drohn der treffende Phöbos Apollon:
Hüte dich, Tydeus' Sohn, und weiche mir! Nimmer den Göttern
Wage dich gleich zu achten; denn gar nicht ähnlichen Stammes
Sind unsterbliche Götter und erdumwandelnde Menschen!
Jener sprach's; da entwich mit zauderndem Schritt Diomedes,
Scheuend den furchtbaren Zorn des treffenden Phöbos Apollon.
Doch den Äneias enttrug dem Schlachtgetümmel Apollon,
Wo sein Tempel ihm stand auf Pergamos' heiliger Höhe.
Sein dort pflegeten Leto und Artemis, froh des Geschosses,
Drinnen im heiligsten Raum, ihm Kraft und Herrlichkeit schenkend.
Jener schuf ein Gebild, der Gott des silbernen Bogens,
Selbst dem Äneias gleich an Gestalt und jeglicher Rüstung;
Und um das Bild die Troer und hochbeherzten Achaier
Haueten wild einander umher an den Busen die Stierhaut
Schöngeründeter Schild' und leichtgeschwungener Tartschen.
Doch zum tobenden Ares begann nun Phöbos Apollon:
Ares, o Ares voll Mord, Bluttriefender, Mauernzertrümmrer!
Möchtest du nicht den Mann aus der Schlacht hingehend vertreiben,
Tydeus' Sohn, der anjetzt wohl Zeus, den Vater, bekämpfte?
Kypris traf er zuerst, die Hand am Knöchel verwundend,
Aber darauf mich selber bestürmet' er, stark wie ein Dämon!
Dieses gesagt, ging jener, auf Pergamos' Höhe sich setzend.
Aber die Troer durcheilt' und ermunterte Ares, der Wütrich,
Akamas gleich an Gestalt, dem rüstigen Führer der Thraker.
Jetzt des Priamos Söhnen, den gottbeseligten, rief er:
O ihr, Priamos' Söhne, des gottbeseligten Herrschers,
Bis wie lang erlaubt ihr das Morden des Volks den Achaiern?
Bis vielleicht um der Stadt schönprangende Tore gekämpft wird?
Liegt doch der Mann, den gleich wir geehrt dem göttlichen Hektor,
Dort Äneias, der Sohn des hochgesinnten Anchises!
Aber wohlan, dem Getümmel entreißt den edlen Genossen!
Jener rief's und erregte den Mut und die Herzen der Männer.
Jetzo begann Sarpedon und schalt den göttlichen Hektor:
Hektor, wohin entflohe der Mut dir, den du zuvor trugst?[86]
Schirmen auch ohne Volk und Verbündete wolltest du Troja,
Du allein mit den Schwägern und deinen leiblichen Brüdern;
Keinen davon nun kann ich umherschaun oder erblicken,
Sondern geschmiegt sind alle wie scheue Hund' um den Löwen;
Doch wir tragen die Schlacht, die wir als Berufene mitgehn.
Auch ich selbst, ein Bundesgenoß, sehr ferne ja kam ich
Her aus dem Lykierland an Xanthos' wirbelnden Fluten,
Wo ein geliebtes Weib und ein zarter Sohn mir zurückblieb,
Auch der Habe so viel, als nur ein Darbender wünschet.
Aber auch so ermahn ich die Lykier, eifere selbst auch,
Meinem Mann zu begegnen, wiewohl nichts solches mir hier ist,
Welches hinweg mir trüg ein Danaer oder entführte.
Doch du stehst da selber, und auch nicht andere treibst du,
Auszuharren im Volk und Schutz zu schaffen den Weibern.
Daß nur nicht, wie gefangen im weiteinschließenden Zuggarn,
Ihr feindseligen Männern zu Raub und Beute dahinsinkt,
Welche sie bald austilgten, die Stadt voll prangender Häuser!
Dir ja gebührt's, das alles bei Tag und Nacht zu besorgen,
Flehend umher den Fürsten der fernberufenen Helfer,
Rastlos hier zu bestehn und nicht zu drohen mit Vorwurf!
Also sprach Sarpedon, das Herz verwundend dem Hektor.
Schnell vom Wagen herab mit den Rüstungen sprang er zur Erde.
Schwenkend die spitzigen Lanzen, durchwandelt' er alle Geschwader,
Rings ermahnend zum Kampf, und erweckte die tobende Feldschlacht.
Jene nun wandten die Stirn und begegneten kühn den Achaiern;
Argos' Volk dort harrte, gedrängt in Scharen und furchtlos.
Doch wie der Wind hinträget die Spreu durch heilige Tennen
Unter der Wurfeler Schwung, wann die gelbgelockte Demeter
Sondert die Frucht und die Spreu im Hauch andrängender Winde
(Fern dann häuft das weiße Gestöber sich): also umzog nun
Weiß von oben der Staub die Danaer, den durch die Heerschar
Hoch zum ehernen Himmel emporgeschlagen die Rosse,
Wieder zum Kampf anrennend, da rings umwandten die Lenker.
Rasch mit der Hände Gewalt vorstrebten sie. Aber in Nacht nun
Hüllte der tobende Ares die Schlacht, zum Schirme den Troern,
Wandelnd um jegliche Schar, und richtete aus die Ermahnung,
Was ihn Phöbos Apollon mit goldenem Schwerte geheißen,[87]
Trojas Volke den Mut zu erhöhn, als Pallas Athene
Scheiden er sah, die dort als Helferin ging den Achaiern.
Jener entsandt' Äneias nunmehr aus des prangenden Tempels
Heiligtum und erfüllte mit Kraft den Hirten der Völker.
Plötzlich trat zu den Seinen der Herrliche; aber mit Freude
Schaueten sie, daß lebend und unverletzt er daherging
Und voll tapferen Mutes; allein ihn fragete keiner;
Denn es verbot das Geschäft, das sonst Apollon erregte,
Ares der Würger zugleich und die rastlos lechzende Eris.
Aber die Ajas beid und Odysseus samt Diomedes
Trieben daher zum Kampfe die Danaer, welche von selbst auch
Weder dem Drang der Troer erzitterten, weder dem Feldruf;
Sondern sie harreten fest, dem Gewölk gleich, welches Kronion
Stellt' in ruhiger Luft auf hochgescheitelten Bergen,
Unbewegt, weil schlummert des Boreas Wut und der andern
Vollandrängenden Winde, die bald die schattigen Wolken
Mit lautbrausendem Hauche zerstreut auseinander dahinwehn:
Also standen dem Feind die Danaer ruhig und furchtlos.
Atreus' Sohn durcheilte die Heerschar, vieles ermahnend:
Seid nun Männer, o Freund', und erhebt euch tapferen Herzens!
Ehret euch selbst einander im Ungestüme der Feldschlacht!
Denn wo sich ehrt ein Volk, stehn mehrere Männer denn fallen.
Doch den Fliehenden wird nicht Ruhm gewährt noch Errettung!
Rief's und entsandte den Speer mit Gewalt; und im vorderen Treffen
Streckt' er Deikoon hin, den Freund des edlen Äneias,
Pergasos' Sohn, den hoch wie Priamos' Söhne die Troer
Ehrten; denn rasch war jener, im Vorderkampfe zu kämpfen.
Diesem traf mit der Lanze den Schild Agamemnon der Herrscher,
Und nicht hemmete jener den Speer; durchstürmte das Erz ihm
Unten hinein in den Bauch, den künstlichen Gurt ihm durchbohrend.
Dumpf hinkracht' er im Fall, und es rasselten um ihn die Waffen.
Jetzo entrafft' Äneias der Danaer tapferste Männer,
Krethon samt dem Bruder Orsilochos, Söhne Diokles'.
Aber der Vater wohnt' in der schöngebaueten Fähre,
Reich an Lebensgut, und erwuchs vom Geschlecht des Alpheios,
Welcher den breiten Strom hinrollt durch der Pylier Äcker,
Der den Orsilochos zeugt', ein großes Volk zu beherrschen;[88]
Aber Orsilochos zeugte den hochgesinnten Diokles,
Und dem Diokles wurden die Zwillingssöhne geboren,
Krethon und Orsilochos beid, allkundig des Streites.
Beid als Jünglinge nun in dunkelen Schiffen des Meeres
Folgeten Argos' Heere zum Kampf mit den Reisigen Trojas,
Ruhm für Atreus' Söhn' Agamemnon und Menelaos
Suchend im Streit; nun hüllte sie dort des Todes Verhängnis.
Wie zween freudige Löwen zugleich auf ragenden Berghöhn
Wuchsen, genährt von der Mutter, in dunkeler Tiefe des Waldes
(Jetzo Rinder umher und gemästete Schafe sich raubend,
Weit der Männer Gehege verwüsten sie; bis sie nun selber
Fallen durch Menschenhand, von spitzigem Erze getötet):
So voll Kraft, von Äneias' gewaltigen Händen besieget,
Sanken die zween, gleich Tannen mit hochaufsteigenden Wipfeln.
Ihren Fall betraurte der Rufer im Streit Menelaos.
Rasch durch das Vordergewühl, mit strahlendem Erze gewappnet,
Nahet' er, schwenkend den Speer; und das Herz ermuntert' ihm Ares,
Weil er hofft', ihn gestreckt von Äneias' Händen zu schauen.
Als ihn Antilochos sahe, der Sohn des erhabenen Nestor,
Eilt' er durchs Vordergewühl; denn er sorgt' um den Hirten der Völker,
Daß er blieb' und dem Volke vereitelte alle die Arbeit.
Beide schon die Arm' und die erzgerüsteten Lanzen
Hielten sie gegeneinander gewandt, in Begierde des Kampfes.
Aber Antilochos trat dem Völkerhirten zur Seite,
Und nicht harrt' Äneias, obgleich ein rüstiger Kämpfer,
Als er sah zween Männer voll Muts miteinander beharrend.
Jene, nachdem sie die Toten zum Volk der Achaier gezogen,
Ließen dort die Armen gelegt in die Hände der Freunde;
Doch sie selber gewandt, arbeiteten wieder im Vorkampf.
Ihnen sank Pylämenes nun, dem Ares vergleichbar,
Fürst der Paphlagonen, der schildgewappneten Streiter,
Welchen des Atreus Sohn, der streitbare Held Menelaos,
Stach, wie er stand, mit der Lanz am Schlüsselbein ihn durchbohrend.
Aber Antilochos warf den zügellenkenden Diener
Mydon, Atymnios' Sohn, da er wandte die stampfenden Rosse,
Grad an des Armes Gelenk mit dem Feldstein, daß ihm die Zügel,
Schimmernd von Elfenbein, in den Staub des Gefildes entsanken;[89]
Doch Antilochos naht' und hieb ihm das Schwert in die Schläfe.
Und er entsank aufröchelnd dem schöngebildeten Sessel
Häuptlings hinab in den Staub, auf Scheitel gestellt und Schultern.
Also stand er lange, vom lockeren Sande gehalten,
Bis anstoßend die Ross' in den Staub hinwarfen den Leichnam;
Denn sie trieb mit der Geißel Antilochos zu den Achaiern.
Jetzt wie sie Hektor ersah durch die Ordnungen, stürmt' er auf jene
Her mit Geschrei; ihm folgten zugleich Heerscharen der Troer,
Tapfere. Dort ging Ares voran und die grause Enyo,
Diese Getös herbringend und unermeßlichen Aufruhr;
Ares dort, in den Händen die schreckliche Lanze bewegend,
Wandelte bald vor Hektor einher, bald folget' er jenem.
Ihn erblickt' aufschauend der Rufer im Streit Diomedes.
So wie ein Mann, unkundig der Fremdlinge Fluren durchwandernd,
Steht am Rand des reißenden Stroms, der ins Meer sich ergießet,
Starr voll Schaum hinbrausen ihn sieht und in Eile zurückkehrt:
Also entriß der Tydeid' in Eile sich, sprach dann zum Volke:
Freunde, wie sehr erstaunen wir doch dem göttlichen Hektor,
Ihm als Lanzenschwinger und unerschrockenen Krieger?
Geht bei ihm doch immer ein Gott und wehrt dem Verderben!
Jetzt auch naht' ihm Ares, der dort wie ein Sterblicher wandelt!
Auf denn, gegen die Troer zurückgewendet das Antlitz,
Weichen wir, nicht verlangend den Kampf mit unsterblichen Göttern!
Jener sprach's, und die Troer in Schlachtreihn wandelten näher.
Aber Hektor erschlug zween streiterfahrene Männer,
Beid auf einem Geschirr, Anchialos und Menesthes.
Ihren Fall betrauerte der Telamonier Ajas.
Näher trat er hinan und schwang die eherne Lanze;
Selagos' Sohn dort traf er, Amphios, welcher in Päsos
Wohnete, güterreich und feldreich; doch das Verhängnis
Führt' ihn, Helfer zu sein, dem Priamos her und den Söhnen.
Diesen traf am Gurte der Telamonier Ajas,
Daß ihm tief in den Bauch eindrang die ragende Lanze;
Dumpf hinkracht' er im Fall. Da naht' ihm der leuchtende Ajas,
Rasch die Wehr zu entziehn; doch es schütteten Speere die Troer,
Blinkend und scharfgespitzt, und den Schild umstarreten viele.
Jetzo den Fuß anstemmend, die eherne Lanz aus dem Leichnam[90]
Zog er heraus, doch nicht vermocht er die prangende Rüstung
Auch von der Schulter zu nehmen; denn dicht umstürmten Geschoss' ihn.
Furcht nun gebot der mächtige Kreis hochherziger Troer,
Welche viel und tapfer ihm droheten, Speere bewegend;
Welche, wie groß der Held, wie gewaltig er war und wie ruhmvoll,
Dennoch zurück ihn drängten; er wich voll jäher Bestürzung.
So arbeiteten jen' im Ungestüme der Feldschlacht.
Aber den Herakleiden Tlepolemos, groß und gewaltig,
Trieb auf Sarpedon daher, den göttlichen, böses Verhängnis.
Als sie nunmehr sich genahet, die Eilenden gegeneinander,
Sohn zugleich und Enkel des schwarzumwölkten Kronion,
Jetzo hub Tlepolemos an und redete also:
Herrscher des Lykiervolks Sarpedon, rede, was zwang dich,
Hier in Angst zu vergehn, ein Mann unkundig des Streites?
Unwahr preisen sie dich ein Geschlecht des Ägiserschüttrers
Zeus; denn sehr gebricht dir die Heldentugend der Männer,
Welche von Zeus abstammten in vorigen Menschengeschlechtern!
Welch ein anderer war die hohe Kraft Herakles',
Wie man erzählt, mein Vater, der trotzende, löwenbeherzte,
Welcher auch hieher kam, Laomedons Rosse zu fordern,
Von sechs Schiffen allein und wenigem Volke begleitet,
Aber die Stadt verödet und leer die Gassen zurückließ!
Du bist feig im Herzen und führst hinsterbende Völker;
Und nicht wirst du den Troern, so scheinet es, Hilfe gewähren,
Kommend aus Lykiens Flur, auch nicht, wenn du tapferer wärest,
Sondern von mir bezwungen zu Aides' Pforten hinabgehn!
Drauf begann Sarpedon, der Lykier Fürst, ihm erwidernd:
Zwar, Tlepolemos, jener verwüstete Ilios' Feste,
Um des erhabenen Helden Laomedons frevelnde Torheit,
Weil er für Wohltat ihn mit heftiger Rede bedrohend,
Nicht die Rosse verliehn, weshalb er ferne gekommen.
Doch dir meld ich allhier den Tod und das schwarze Verhängnis,
Durch mich selbst dir bestimmt; von meiner Lanze gebändigt,
Gibst du mir Ruhm und die Seele dem Sporner der Gäul' Aidoneus.
Also sprach Sarpedon, und hoch mit eschenem Wurfspieß
Drohte Tlepolemos her, und zugleich entstürmeten beider
Lange Geschosse der Hand. Es traf dem Gegner Sarpedon[91]
Grad in den Hals, daß hinten die Spitz ihm schrecklich hervordrang;
Schnell umhüllt' ihm die Augen ein mitternächtliches Dunkel.
Aber Tlepolemos traf den linken Schenkel Sarpedons
Mit dem gewaltigen Speer, und hindurch flog strebend die Spitze,
Bis an den Knochen gedrängt, nur den Tod noch hemmte der Vater.
Jetzo den göttlichen Held Sarpedon führeten hebend
Edle Freund' aus dem Kampf, doch die ragende Lanze beschwert' ihn,
Nachgeschleift; denn keiner bemerkte sie oder besann sich,
Daß er dem Schenkel entzöge den Wurfspieß, leichter zu wandeln,
Unter der Hast; so in Eil arbeiteten seine Besorger.
Auch Tlepolemos trugen die hellumschienten Achaier
Schnell aus dem Kampfe zurück. Dies sah der edle Odysseus,
Voll ausdauernder Kraft, und bewegt ward innig das Herz ihm.
Und er erwog hinfort in des Herzens Geist und Empfindung,
Ob er zuvor Zeus' Sohn, des donnerfrohen, verfolgte
Oder mehreren dort der Lykier raubte das Leben.
Aber Odysseus nicht, dem Erhabenen, gönnte das Schicksal,
Zeus' gewaltigen Sohn mit scharfem Erz zu erlegen;
Drum in das Volk der Lykier trieb den Mut ihm Athene.
Dort den Köranos rafft' er, den Chromios und den Alastor,
Halios auch und Alkandros und Prytanis, auch den Noemon.
Und noch mehr der Lykier schlug der edle Odysseus,
Wenn nicht schnell ihn bemerkt' der helmumflatterte Hektor.
Rasch durch das Vordergewühl, mit strahlendem Erze gewappnet,
Kam er, ein Graun der Achaier; doch froh des nahenden Freundes
Ward Zeus' Sohn Sarpedon und sprach mit trauriger Stimme:
Laß nicht, Priamos' Sohn, mich nun zum Raub den Achaiern
Liegen, verteidige mich! Dann mög auch fliehen mein Leben
Dort in euerer Stadt, dieweil ja nicht mir verhängt ward,
Heimgekehrt in mein Haus, zum lieben Lande der Väter,
Einst mein liebendes Weib und den zarten Sohn zu erfreuen!
Jener sprach's, ihm erwiderte nichts der gewaltige Hektor,
Sondern er stürmte vorbei, voll heißer Begier, wie er eilig
Wegdrängt' Argos' Volk und vielen noch raubte das Leben.
Aber den göttlichen Held Sarpedon legten die Freunde
Unter des ägiserschütternden Zeus weitprangende Buche.
Dort nun zog ihm hervor den eschenen Speer aus dem Schenkel[92]
Pelagon, tapfer und stark, der ihm ein trauter Genoß war.
Und ihn verließ sein Geist, und Nacht umzog ihm die Augen.
Doch nun atmet' er auf, und kühlende Hauche des Nordwinds
Wehten umher Erfrischung dem matt arbeitenden Leben.
Argos' Volk, von Ares gedrängt und dem strahlenden Hektor,
Wandte sich weder hinab zu den dunkelen Schiffen des Meeres,
Noch auch strebt' es entgegen den Streitenden, sondern allmählich
Wichen sie, als sie vernahmen im Heer der Troer den Ares.
Welchen entblößte zuerst und welchen zuletzt des Geschmeides
Hektor zugleich, des Priamos Sohn, und der eherne Ares?
Teuthras, den göttlichen Held, und den Rossetummler Orestes,
Drauf den Önomaos auch und Ätoliens Kämpfer, den Trechos,
Helenos, Önops' Sohn, und Oresbios, rüstig im Leibgurt,
Der einst Hyle bewohnt, des Reichtums sorgsamer Hüter,
Wo am See Kephissis er bauete, und ihm benachbart
Viel der böotischen Männer, der Segensflur sich erfreuend.
Aber nunmehr bemerkte die lilienarmige Here
Argos' Volk hinsinkend in schreckenvoller Entscheidung,
Wandte sich schnell zur Athen' und sprach die geflügelten Worte:
Weh mir, des ägiserschütternden Zeus unbezwungene Tochter!
Traun, ein eitles Wort verhießen wir einst Menelaos,
Heimzugehn ein Vertilger der festummauerten Troja,
Wenn wir so zu wüten dem tobenden Ares vergönnen!
Aber wohlan, auch selber gedenken wir stürmenden Mutes!
Sprach's, und willig gehorcht' ihr Zeus' blauäugige Tochter.
Jene nun eilt' anschirrend die goldgezügelten Rosse,
Here, die heilige Göttin, erzeugt vom gewaltigen Kronos.
Hebe fügt' um den Wagen alsbald die gerundeten Räder,
Eherne, mit acht Speichen, umher an die eiserne Achse.
Gold ist ihnen der Kranz, unalterndes; aber umher sind
Eherne Schienen gelegt, anpassende, Wunder dem Anblick.
Silbern glänzen die Naben in schönumlaufender Ründung.
Dann in goldenen Riemen und silbernen schwebet der Sessel
Ausgespannt und umringt mit zween umlaufenden Rändern.
Vornhin streckt aus Silber die Deichsel sich, aber am Ende
Band sie das goldene Joch, das prangende, dem sie die Seile,
Schön und golden, umschlang. In das Joch nun fügete Here[93]
Ihr schnellfüßig Gespann und brannte nach Streit und Getümmel.
Aber Pallas Athene, des Ägiserschütterers Tochter,
Ließ hingleiten das feine Gewand im Palaste des Vaters,
Buntgewirkt, das sie selber mit künstlicher Hand sich bereitet.
Drauf in den Panzer gehüllt des schwarzumwölkten Kronions,
Nahm sie das Waffengeschmeide zur tränenbringenden Feldschlacht.
Siehe, sie warf um die Schulter die Ägis, prangend mit Quästen,
Fürchterlich, rund umher mit drohendem Schrecken umkränzet.
Drauf ist Streit, drauf Stärke und drauf die starre Verfolgung,
Drauf das gorgonische Haupt, des entsetzlichen Ungeheuers,
Schrecken voll und entsetzlich, das Graun des donnernden Vaters!
Auch umschloß sie das Haupt mit des Helms viergipflichter Kuppel,
Golden und groß, die Streiter aus hundert Städten zu decken.
Jetzt in den flammenden Wagen erhub sie sich, nahm dann die Lanze,
Schwer und groß und gediegen, womit sie die Scharen der Helden
Bändiget, welchen sie zürnt, die Tochter des schrecklichen Vaters.
Here beflügelte dann mit geschwungener Geißel die Rosse,
Und aufkrachte von selbst des Himmels Tor, das die Horen
Hüteten, welchen der Himmel vertraut ward und der Olympos,
Daß sie die hüllende Wolk itzt öffneten, jetzo verschlössen.
Dort nun lenkten sie durch die leichtgesporneten Rosse.
Jetzo fanden sie Zeus, der entfernt von anderen Göttern
Saß auf dem obersten Gipfel des vielgezackten Olympos.
Dort nun hemmt' ihr Gespann die lilienarmige Here,
Und den erhabenen Zeus befragte sie, also beginnend:
Zürnst du nicht, Vater Zeus, den gewaltigen Taten des Ares,
Wie er verderbt ein so großes und herrliches Volk der Achaier,
Frech, nicht der Ordnung gemäß? Mich schmerzet es! Aber in Ruhe
Freuen sich Kypris zugleich und der Gott des silbernen Bogens,
Welche den Wüterich reizten, der keine Gerechtigkeit kennet!
Vater Zeus, ob du des mir ereifertest, wenn ich den Ares
Schlagend mit traurigem Schlag hinweg aus dem Kampfe verscheuchte?
Ihr antwortete drauf der Herrscher im Donnergewölk Zeus:
Frisch nur, gereizt auf jenen die Siegerin Pallas Athene,
Die am meisten ihn pflegt in bitteren Schmerz zu versenken!
Jener sprach's, ihm gehorchte die lilienarmige Here.
Treibend schwang sie die Geißel, und rasch hinflogen die Rosse[94]
Zwischen der Erd einher und dem sternumleuchteten Himmel.
Weit wie die dunkelnde Fern ein Mann durchspäht mit den Augen,
Sitzend auf hoher Wart, in das finstere Meer hinschauend:
So weit heben im Sprung sich der Göttinnen schallende Rosse.
Aber nachdem sie Troja erreicht und die doppelte Strömung,
Wo des Simois Flut sich vereiniget und des Skamandros,
Jetzo hemmt' ihr Gespann die lilienarmige Here,
Abgelöst vom Wagen, und breitete dichtes Gewölk aus;
Aber Ambrosia sproß der Simois jenen zur Weide.
Sie nun eilten dahin gleich schüchternen Tauben am Gange,
Beid entbrannt, zu helfen den Männerscharen von Argos.
Als sie nunmehr hinkamen, allwo die meisten und stärksten
Standen um Tydeus' Sohn, den gewaltigen Rossebezähmer,
Dichtgedrängt, blutgierig wie raubverschlingende Löwen
Oder wie Eber des Waldes von nicht unkriegrischer Stärke,
Jetzo stand sie und rief nun, die lilienarmige Here,
Stentorn gleich, dem Starken, an Brust und eherner Stimme,
Dessen Ruf laut tönte wie fünfzig anderer Männer:
Schande doch, Argos' Volk, ihr Verworfenen, trefflich an Bildung!
Weil noch mit in die Schlacht einging der edle Achilleus,
Wageten nie die Troer aus Dardanos' schirmenden Toren
Vorzugehn; denn sie scheuten Achilleus' mächtige Lanze!
Nun ist ferne der Stadt bei den räumigen Schiffen ihr Schlachtfeld!
Jene rief's und erregte den Mut und die Herzen der Männer.
Aber zu Tydeus' Sohn enteilete Pallas Athene,
Und sie fand den Herrscher am rossebespanneten Wagen,
Wie er die Wund abkühlte, die Pandaros' Pfeil ihm gebohret.
Denn ihn quälte der Schweiß und der Druck des breiten Gehenkes
An dem geründeten Schild, und kraftlos starrte die Hand ihm.
Jetzo hob er den Riemen und wischte sich dunkeles Blut ab.
Aber das Joch der Rosse berührt' und sagte die Göttin:
Wenig gleicht dem Erzeuger der Sohn des mutigen Tydeus!
Tydeus dort war klein von Gestalt nur, aber ein Krieger
Selbst einmal, da ich jenem den Kampf nicht wollte verstatten
Noch ausschweifenden Trotz, da er einging fern von Achaiern,
Abgesandt in Thebe, zu häufigen Kadmeionen
(Ruhig hieß ich ihn sitzen am Feiermahl im Palaste):[95]
Dennoch zeigt' er den Mut voll Ungestüms, wie beständig,
Rief die Kadmeier zu Kämpfen hervor, und in jeglichem siegt' er
Sonder Müh. So mächtig als Helferin naht' ich ihm selber.
Zwar auch deiner walt ich mit Hilf und schirmender Obhut,
Und zu freudigem Kampf ermahn ich dich wider die Troer;
Doch dir starren vielleicht von stürmischer Arbeit die Glieder,
Oder dich lähmt auch Furcht, die entseelende! Nimmer in Zukunft
Scheinst du von Tydeus erzeugt, dem feurigen Sohne des Öneus!
Ihr antwortete drauf der starke Held Diomedes:
Wohl erkenn ich dich, Göttin, des Ägiserschütterers Tochter,
Drum verkünd ich dir frei und unverhohlen die Wahrheit.
Weder lähmt mich die Furcht, die entseelende, weder die Trägheit,
Sondern annoch gedenk ich, o Herrscherin, deines Gebotes:
Niemals seligen Göttern im Kampf entgegenzuwandeln,
Allen sonst; doch käme die Tochter Zeus', Aphrodite,
Her in den Streit, die möcht ich mit spitzigem Erze verwunden.
Darum weich anjetzo ich selber zurück und ermahn auch
Andre von Argos' Volk, sich hieher alle zu sammeln;
Denn ich erkenne den Ares, der dort das Treffen durchwaltet.
Drauf antwortete Zeus' blauäugige Tochter Athene:
Tydeus' Sohn, Diomedes, du meiner Seele Geliebter,
Fürchte du weder den Ares hinfort noch einen der andern
Götter umher, so mächtig als Helferin nah ich dir selber!
Mutig zuerst auf Ares gelenkt die stampfenden Rosse!
Dann verwund in der Näh und scheu nicht Ares, den Wütrich,
Jenen Rasenden dort, den verderbenden Andrenumandren!
Ihn, der neulich mir selbst und zugleich der Here gelobte,
Trojas Volk zu bekämpfen und beizustehn den Argeiern,
Aber anjetzt die Troer verteidiget, jener vergessend!
Jene sprach's, und sofort den Sthenelos trieb sie vom Wagen,
Ihn mit der Hand abreißend; und nicht unwillig entsprang er.
Doch sie trat in den Sessel zum edlen Held Diomedes,
Heiß in Begierde des Kampfs; laut stöhnte die buchene Achse,
Lastvoll, tragend den tapfersten Mann und die schreckliche Göttin.
Geißel sofort und Zügel ergriff nun Pallas Athene,
Eilt' und lenkt' auf Ares zuerst die stampfenden Rosse.
Jener entwaffnete dort der Ätolier tapfersten Krieger,[96]
Periphas, groß und gewaltig, Ochesions' edlen Erzeugten;
Diesen entwaffnete Ares, der Blutige. Aber Athene
Barg sich in Aides Helm, damit nicht Ares sie sähe.
Als nun der mordende Ares ersah Diomedes den Edlen,
Ließ er Periphas schnell, den Gewaltigen, dort in dem Staube
Liegen, allwo er zuerst des Erschlagenen Seele geraubet,
Eilte dann grade daher auf den reisigen Held Diomedes.
Als sie nunmehr sich genaht, die Eilenden, gegeneinander,
Vor dann streckte der Gott sich über das Joch und die Zügel
Mit erzblinkender Lanz, in Begier, ihm die Seele zu rauben.
Doch mit der Hand sie ergreifend, die Herrscherin Pallas Athene
Stieß sie hinweg vom Sessel, daß nichtigen Schwungs sie vorbeiflog.
Jetzo erhub sich auch jener, der Rufer im Streit Diomedes,
Mit erzblinkender Lanz, und es drängte sie Pallas Athene
Gegen die Weiche des Bauchs, wo die eherne Binde sich anschloß;
Dorthin traf und zerriß ihm die schöne Haut Diomedes,
Zog dann die Lanze zurück. Da brüllte der eherne Ares,
Wie wenn zugleich neuntausend daherschrien, ja zehntausend
Rüstige Männer im Streit, zu schrecklichem Kampf sich begegnend.
Rings nun erbebte das Volk der Troer umher und Achaier,
Voll von Angst; so brüllte der rastlos wütende Ares.
Jetzo, wie hoch aus Wolken umnachtetes Dunkel erscheinet,
Wenn nach drückender Schwül ein Donnersturm sich erhebet,
Also dem Held Diomedes erschien der eherne Ares.
Als er in Wolken gehüllt auffuhr zum erhabenen Himmel.
Eilenden Schwungs erreicht' er die seligen Höhn des Olympos.
Dort nun saß er bei Zeus dem Donnerer, traurigen Herzens,
Zeigte das göttliche Blut, das niedertroff aus der Wunde;
Und er begann wehklagend und sprach die geflügelten Worte:
Zürnst du nicht, Vater Zeus, die gewaltigen Taten erblickend?
Stets hoch haben wir Götter die bitterste Qual zu erdulden,
Einer vom Rat des andern und Gunst den Menschen gewährend!
Doch dir streiten wir alle, denn dein ist die rasende Tochter,
Die, zu verderben entbrannt, nur frevle Taten ersinnet!
Alle die anderen Götter, so viel den Olympos bewohnen,
Folgen dir untertan und huldigen deinem Gebote,
Jene nur, weder mit Worten bezähmst du sie, weder mit Taten,[97]
Sondern vergönnst, weil selbst die verderbende Tochter du zeugtest,
Welche nun den Tydeiden, den stolzen Held Diomedes,
Reizte, daherzuwüten auf uns unsterbliche Götter!
Kypris traf er zuerst, die Hand am Knöchel verwundend,
Aber darauf mich selber bestürmet' er, stark wie ein Dämon!
Nur mit eilenden Füßen entrann ich ihm. Lange vielleicht noch
Räng ich dort mit Qualen im gräßlichen Leichengewimmel,
Oder ich lebt ein Krüppel, entstellt von des Erzes Verwundung!
Finster schaut' und begann der Herrscher im Donnergewölk Zeus:
Hüte dich, Andrerumandrer, mir hier zur Seite zu winseln!
Ganz verhaßt mir bist du vor allen olympischen Göttern!
Stets doch hast du den Zank nur geliebt und die Kämpf und die Schlachten,
Gleich der Mutter an Trotz und unerträglichem Starrsinn,
Heren, welche mir kaum durch Worte gebändiget nachgibt!
Auch ihr Rat, wie ich mein, hat dieses Weh dir bereitet;
Aber ich kann nicht länger es ansehn, daß du dich quälest.
Bist du doch meines Geschlechts und mir gebar dich die Mutter.
Hätt ein anderer Gott dich erzeugt, heilloser Verderber,
Traun, du lägest vorlängst tief unter den Uranionen.
Also Zeus, und gebot dem Päeon, jenen zu heilen.
Ihm nun legt' auf die Wunde Päeon lindernden Balsam,
Und er genas; denn nicht war sterbliches Los ihm beschieden.
Schnell wie die weiße Milch von Feigenlabe gerinnet,
Flüssig zuvor, wann in Eil umher sie dreht der Vermischer:
Also schloß sich die Wunde sofort dem tobenden Ares.
Jetzo badet' ihn Hebe und hüllt' ihm schöne Gewand um,
Und er saß bei Kronion dem Donnerer, freudigen Trotzes.
Heim nun kehreten jen' in Zeus des Allmächtigen Wohnung,
Here von Argos zugleich und Athen' Alalkomenens Göttin,
Als sie gehemmt den Verderber, den männermordenden Ares.
Ausgewählte Ausgaben von
Ilias
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Hume hielt diesen Text für die einzig adäquate Darstellung seiner theoretischen Philosophie.
122 Seiten, 6.80 Euro
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
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