XV. Gesang.

[639] Telemachos, dem Athene die Heimkehr befiehlt und sichert, eilt von Menelaos grade zum Schiffe; nimmt den Wahrsager Theoklymenos auf und vermeidet die nachstellenden Freier durch einen Umweg zu den spitzigen Inseln. Des Sauhirten Eumaios Gespräch mit Odysseus beim Abendessen und Erzählung, wie ihn, eines sikanischen Königs Sohn aus der Insel Syria bei Ortygia, entführende Phöniker dem Laertes verkauft. Telemachos, in der Frühe jenseits anlandend, läßt sein Schiff nach der Stadt herumfahren und geht zu Eumaios.


Pallas Athene ging zu der großen Stadt Lakedaimon,

Daß sie den rühmlichen Sohn des hochgesinnten Odysseus

Reizte, des Vaterlands zu gedenken und wiederzukehren.

Und Telemachos lag mit Nestors blühendem Sohne

Ruhend vor dem Palast Menelaos', des Ehregekrönten.

Nestors blühender Sohn lag sanft vom Schlummer gefesselt,

Aber Telemachos floh der süße Schlummer; er wachte

Durch die ambrosische Nacht, um den Vater herzlich bekümmert.

Vor ihn stellte sich Zeus' blauäugichte Tochter und sagte:

Länger ziemt es sich nicht, Telemachos, ferne zu irren,

Da du alles dein Gut und so übermütige Männer

In dem Palaste verließest, damit sie nicht alles verzehren,

Deine Habe sich teilend, und fruchtlos ende die Reise.

Auf! erinnere gleich den Rufer im Streit Menelaos,

Heim dich zu senden, damit du die treffliche Mutter noch findest.

Denn schon wird sie vom Vater und ihren Brüdern gedränget,

Daß sie Eurymachos nehme; denn dieser schenkte das meiste

Unter den Freiern und beut die reichste Bräutigamsgabe.

Und man könnte dir leicht, ohn deinen Dank, aus dem Hause

Manches Gut mitnehmen! Du kennst ja des Weibes Gesinnung:

Immer sucht sie den Mann, der ihr beiwohnt, zu bereichern;

Aber die vorigen Kinder und ihrer Jugend Geliebten

Kennt sie nicht mehr, da er starb, und fraget nimmer nach ihnen.

Darum eile nun heim und vertraue selber die Güter

Einer Dienerin an, die dir am tüchtigsten scheinet,

Bis die himmlischen Götter ein edles Weib dir verleihen.

Noch ein andres verkünd ich dir jetzt, bewahr es im Herzen!

Wachsam lauern auf dich die tapfersten unter den Freiern

In dem Sunde, der Ithaka trennt und die bergichte Samos,[640]

Daß sie dich töten, bevor du die Heimat wieder erreichest.

Aber ich hoffe das nicht! Erst deckt die Erde noch manchen

Von der Rotte der Freier, die deine Habe verzehren.

Steure dein rüstiges Schiff, Telemachos, fern von den Inseln,

Fahr auch nur in der Nacht! Dir wird der Unsterblichen einer

Günstigen Wind nachsenden, der dich behütet und schützet.

Wenn du das nächste Gestade von Ithaka jetzo erreicht hast,

Siehe, dann sende zur Stadt das Schiff und alle Gefährten,

Und du gehe zuerst dorthin, wo der treffliche Sauhirt

Deiner Schweine hütet, der stets mit Eifer dir anhängt.

Allda bleibe die Nacht und sende jenen zur Stadt hin,

Um die Botschaft zu bringen der klugen Penelopeia,

Daß du gesund und wohl von Pylos wieder zurückkamst.

Also sprach die Göttin und eilte zum großen Olympos.

Und Telemachos weckte den Nestoriden vom Schlummer,

Ihn mit der Ferse berührend, und sprach zu dem blühenden Jüngling:

Nestors Sohn, wach auf, Peisistratos; spann an den Wagen

Hurtig die stampfenden Rosse, damit wir die Reise vollenden!

Und der Nestoride Peisistratos gab ihm zur Antwort:

Ganz unmöglich, Telemachos, wär es, wie sehr wir auch eilten,

Diese düstere Nacht zu durchfahren, und bald ist es Morgen.

Darum warte, bis uns mit Geschenken den Wagen belade

Atreus' edler Sohn, der kriegrische Held Menelaos,

Und mit gefälligen Worten uns freundlich von sich entlasse.

Denn es erinnert sich ein Gast zeitlebens des Mannes,

Welcher in fernem Lande mit Lieb und Freundschaft ihn aufnahm.

Also sprach er; da kam die goldenthronende Eos.

Jetzo nahte sich ihnen der Rufer im Streit Menelaos,

Seiner Helena Lager, der schöngelockten, verlassend.

Als der geliebte Sohn von Odysseus diesen bemerkte,

Hüllte sich eilend der Held in den feinen, prächtigen Leibrock,

Warf den großen Mantel sich über die rüstigen Schultern,

Ging dann hinaus und trat zu Menelaos und sagte:

Atreus' göttlicher Sohn, Menelaos, Führer der Völker,

Laß mich jetzo von dir ins liebe Vaterland ziehen,

Denn von ganzem Herzen begehr ich jetzo der Heimkehr.

Ihm antwortete drauf der Rufer im Streit Menelaos:[641]

Ferne sei es von mir, Telemachos, dich zu verweilen,

Wenn du nach Hause dich sehnst! Ich tadle selber den Gastfreund,

Dessen Höflichkeit uns und überzärtliche Freundschaft

Plagende Feindschaft wird. Das Beste bei allem ist Ordnung!

Traun, gleich arg sind beide: wer seinem zögernden Gaste

Heimzukehren gebeut und wer den eilenden aufhält.

Bleibt er, so pflege des Gastes; und will er gehen, so laß ihn!

Aber warte, bis ich ein schönes Geschenk auf den Wagen

Leg und du selber es sehest; und meinen Weibern befehle,

Dir von des Hauses Kost ein reichliches Mahl zu bereiten.

Freudigkeit fühlt der Gast und höheren Mut und Erquickung,

Der, mit Speise gestärkt, in ferne Länder verreiset.

Hast du auch Lust, umher durch Hellas und Argos zu reisen,

Warte, bis ich die Ross' anspanne, dich selber begleite

Und zu jeglicher Stadt hinführe. Keines der Völker

Sendet uns leer hinweg; man schenkt uns wenigstens ein Stück,

Ein dreifüßig Geschirr von Kupfer oder ein Becken,

Oder ein Joch Maultiere, auch wohl einen goldenen Becher.

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Atreus' göttlicher Sohn Menelaos, Führer der Völker,

Jetzo eil ich zurück zu dem Unsrigen (denn da ich abfuhr,

Ließ ich niemand im Hause, mein Eigentum zu bewahren):

Daß ich, den Vater suchend, nicht selber das Leben verliere

Oder ein köstliches Gut aus meinem Hause verschwinde.

Als er solches vernommen, der Rufer im Streit Menelaos,

Rief er schnell der Gemahlin und ihren Mägden, im Saale

Hurtig ein Mahl zu bereiten vom reichlich gesammelten Vorrat.

Jetzo nahte sich auch Boethos' Sohn Eteoneus,

Seinem Lager entstiegen; er wohnte nicht ferne vom König.

Diesem befahl der Held Menelaos, Feuer zu machen

Und des Fleisches zu braten; und schnell gehorcht' er dem Worte.

Hierauf stieg er hinab ins duftende hohe Gewölbe:

Nicht er allein; mit ihm ging Helena und Megapenthes.

Als sie die Kammer erreicht, wo seine Kleinode lagen,

Nahm Menelaos Atreides sich einen doppelten Becher,

Reichte dann seines Sohns Megapenthes Händen zu tragen

Einen silbernen Kelch; und Helena trat zu den Kisten,[642]

Wo sie die schönen Gewände verwahrt, die sie selber gewirket.

Eines von diesen nahm die Königin unter den Weibern,

Welches das größeste war und reichste an künstlicher Arbeit:

Hell wie ein Stern, so strahlt' es, und lag von allen zuunterst.

Und sie gingen zurück durch die Wohnungen, bis sie Odysseus'

Sohn erreichten; da sprach Menelaos der bräunlichgelockte:

Deine Heimkehr lasse, Telemachos, wie du sie wünschest,

Zeus Kronion gelingen, der donnernde Gatte der Here;

Von den Schätzen, soviel ich in meinem Hause bewahre,

Geb ich dir zum Geschenk das schönste und köstlichste Kleinod:

Gebe dir einen Kelch von künstlicherhobener Arbeit,

Aus geglättetem Silber, gefaßt mit goldenem Rande,

Und ein Werk von Hephaistos! Ihn gab der Sidonier König

Phaidimos mir, der Held, der einst in seinem Palaste

Mich Heimkehrenden pflegte. Den will ich jetzo dir schenken.

Also sprach er und reichte, der Held Menelaos Atreides,

Ihm den doppelten Becher. Sein tapferer Sohn Megapenthes

Trug den schimmernden Kelch von lauterem Silber und setzt' ihn

Nieder vor ihm. Auch Helena kam, das Gewand in den Händen,

Und holdselig begann die rosenwangichte Fürstin:

Dieses Geschenk will ich, mein liebes Kind, dir verehren,

Zum Andenken von Helenas Hand. Bei der lieblichen Hochzeit

Trag es deine Gemahlin; bis dahin lieg es im Hause

Deiner geliebten Mutter. Du aber kehre mit Frieden

In dein prächtiges Haus und deiner Väter Gefilde.

Also sprach sie und reicht' es ihm hin; und freudig empfing er's.

Jetzo legte der Held Peisistratos alle Geschenke

Nieder im Wagenkorb und bewunderte jedes im Herzen.

Und sie führt' in den Saal Menelaos der bräunlichgelockte;

Allda setzten sie sich auf prächtige Sessel und Throne.

Eine Dienerin trug in der schönen goldenen Kanne

Über dem silbernen Becken das Wasser, beströmte zum Waschen

Ihnen die Hand' und stellte vor sie die geglättete Tafel.

Und die ehrbare Schaffnerin kam und tischte das Brot auf

Und der Gerichte viel aus ihrem gesammelten Vorrat.

Aber das Fleisch zerschnitt und verteilte der Sohn des Boethos,

Und des Königes Sohn verteilte die Becher voll Weines.[643]

Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.

Jetzo war die Begierde des Tranks und der Speise gestillet,

Und Telemachos spannte mit Nestors blühendem Sohne

Hurtig die Rosse vor; sie bestiegen den künstlichen Wagen,

Lenkten darauf aus dem Tore des Hofs und der tönenden Halle.

Ihnen zur Seite ging Menelaos der bräunlichgelockte;

Einen goldenen Becher voll herzerfreuenden Weines

Trug er in seiner Rechten, um noch vor der Reise zu opfern,

Stand vor den Rossen und trank, reicht' ihnen den Becher und sagte:

Lebt, ihr Jünglinge, wohl und grüßt den Hirten der Völker

Nestor von mir; denn wahrlich, er liebte mich stets wie ein Vater,

Als wir Achaier noch die Stadt der Troer bekriegten!

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Gerne wollen wir ihm, du Göttlicher, wie du befiehlest,

Dieses alles verkünden, sobald wir kommen. O fand ich,

Heim gegen Ithaka kehrend, auch meinen Vater zu Hause,

Daß ich ihm sagte, wie ich, von dir so gütig bewirtet,

Wiederkomm und so viel und köstliche Kleinode bringe!

Sprach's, und zur Rechten flog ein heilweissagender Adler,

Welcher die ungeheure, im Hofe gemästete weiße

Gans in den Klauen trug; mit überlautem Geschreie

Folgten ihm Männer und Weiber; er kam in stürmendem Fluge

Rechtsher, nahe den Rossen der Jünglinge. Als sie ihn sahen,

Freuten sie sich, und allen durchglühete Wonne die Herzen.

Nestors blühender Sohn Peisistratos redete jetzo:

Denke nach, Menelaos, du göttlicher Führer der Völker,

Ob Gott uns dies Zeichen gesendet oder dir selber.

Also sprach er; da sann der kriegrische Held Menelaos

Hin und her, mit Verstand das Wunderzeichen zu deuten.

Aber Helena kam ihm zuvor; so sprach die Geschmückte:

Höret, ich will euch jetzt weissagen, wie es die Götter

Mir in die Seele gelegt und wie's wahrscheinlich geschehn wird.

Gleichwie der Adler die Gans, die im Hause sich nährte, geraubt hat,

Kommend aus dem Gebirge, von seinem Nest und Geschlechte:

Also wird auch Odysseus nach vielen Leiden und Irren

Endlich zur Heimat kehren und strafen; oder er kehrte

Schon und rüstet sich nun zu aller Freier Verderben.[644]

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Also vollend es Zeus, der donnernde Gatte der Here!

O dann werd ich auch dort wie eine Göttin dich anflehn!

Sprach's und schwang auf die Rosse die Geißel; mit hurtiger Eile

Stürmten sie über die Gassen der Stadt in das freie Gefilde.

Also schüttelten sie bis zum Abend das Joch an den Nacken.

Und die Sonne sank und Dunkel umhüllte die Pfade.

Und sie kamen gen Pherai, zur Burg des edlen Diokles,

Welchen Alpheios' Sohn Orsilochos hatte gezeuget,

Ruhten bei ihm die Nacht und wurden freundlich bewirtet.

Als die dämmernde Frühe mit Rosenfingern erwachte,

Rüsteten sie ihr Gespann und bestiegen den zierlichen Wagen,

Lenkten darauf aus dem Tore des Hofs und der tönenden Halle.

Treibend schwang er die Geißel, und willig enteilten die Rosse.

Und sie erreichten bald die hochgebauete Pylos;

Und Telemachos sprach zu Nestors blühendem Sohne:

Kannst du mir, Nestors Sohn, wohl eine Bitte gewähren?

Siehe, wir rühmen uns ja von den Zeiten unserer Väter

Schon Gastfreunde zu sein und sind auch einerlei Alters;

Und noch inniger wird uns diese Reise verbinden.

Fahre mein Schiff nicht vorbei, du Göttlicher; laß mich hier bleiben!

Denn mich möchte der Greis aufhalten in seinem Palaste,

Um mir Gutes zu tun; und ich muß aufs eiligste reisen.

Also sprach er, und Nestors Sohn bedachte sich schweigend,

Wie er mit guter Art ihm seine Bitte gewährte.

Dieser Gedanke schien dem Zweifelnden endlich der beste:

An das Gestade des Meers zu dem Schiffe lenkt' er die Rosse,

Legte dann hinten ins Schiff Telemachos' schöne Geschenke,

Sein Gewand und das Gold, so ihm Menelaos verehret.

Und nun trieb er ihn an und sprach die geflügelten Worte:

Steige nun eilend ins Schiff und ermuntere deine Gefährten,

Eh ich zu Hause komm und dem Greise dieses verkünde!

Denn ich kenne zu gut in meinem Herzen des Vaters

Heftigen, starren Sinn; er würde dich nimmer entlassen,

Sondern selbst herkommen, dich einzuladen; und schwerlich

Ging' er dann leer zurück, so sehr würd er zürnen und eifern!

Also sprach er und lenkte die Rosse mit wallenden Mähnen[645]

Heim zu der Pylier Stadt, und bald erreicht' er die Wohnung.

Aber Telemachos trieb und ermahnete seine Genossen:

Freunde, bringt die Geräte des schwarzen Schiffes in Ordnung

Und steigt selber hinein, damit wir die Reise vollenden!

Also sprach er; sie hörten ihn alle mit Fleiß und gehorchten,

Stiegen eilend ins Schiff und setzten sich hin auf die Bänke.

Also besorgt' er dieses und opferte Pallas Athenen

Flehend hinten am Schiff. Und siehe, ein eilender Fremdling

Nahte sich ihm, der aus Argos entfloh, wo er jemand getötet.

Dieser war ein Prophet und stammte vom alten Melampus,

Welcher vor langer Zeit in der schafegebärenden Pylos

Wohnete, mächtig im Volk, und prächtige Häuser beherrschte.

Aber sein Vaterland verließ er und floh in die Fremde

Vor dem gewaltigen Neleus, dem Stolzesten aller, die lebten,

Welcher ein ganzes Jahr mit Gewalt sein großes Vermögen

Vorenthielt; indes lag jener in Phylakos' Wohnung,

Hartgefesselt mit Banden und schwere Leiden erduldend,

Wegen der Tochter Neleus' und seines rasenden Wahnsinns,

Welchen ihm die Erinnys, die schreckliche Göttin, gesendet.

Dennoch entfloh er dem Tod und trieb aus Phylakes Auen

Heim die brüllenden Rinder gen Pylos, strafte den Hochmut

Neleus', des göttergleichen, und führte dem Bruder zur Gattin

Seine Tochter ins Haus. Er aber zog in die ferne,

Rossenährende Argos; denn dort bestimmte das Schicksal

Ihm forthin zu wohnen, ein Herrscher vieler Argeier.

Allda nahm er ein Weib und baute die prächtige Wohnung,

Zeugte Antiphates dann und Mantios, tapfere Söhne!

Aber Antiphates zeugte den großgesinnten Oikles,

Und Oikles den Völkererhalter Amphiaraos.

Diesen liebte der Donnerer Zeus und Phöbos Apollon

Mit allwaltender Huld; doch erreicht' er die Schwelle des Alters

Nicht; er starb vor Thebai, durch seines Weibes Geschenke.

Seine Söhne waren Amphilochos und Alkmaion.

Aber Mantios zeugte den Polypheides und Kleitos.

Diesen Kleitos entführte die goldenthronende Eos

Seiner Schönheit halber zum Sitz der unsterblichen Götter.

Aber auf Polypheides, dem hocherleuchteten, ruhte[646]

Phöbos' prophetischer Geist nach dem Tode des Amphiaraos.

Zürnend dem Vater, zog er gen Hyperesia, wohnte

Und weissagete dort den Sterblichen allen ihr Schicksal.

Dessen Sohn, genannt Theoklymenos, nahte sich jetzo,

Trat zu Telemachos hin, der dort vor Pallas Athene

Heiligen Wein ausgoß und betete, neben dem Schiffe;

Und er redet' ihn an und sprach die geflügelten Worte:

Lieber, weil ich allhier beim heiligen Opfer dich finde,

Siehe, so fleh ich dich an, beim Opfer und bei der Gottheit,

Deinem eigenen Heil und der Freunde, welche dir folgen:

Sage mir Fragendem treulich und unverhohlen die Wahrheit!

Wer, wes Volkes bist du? Und wo ist deine Geburtsstadt?

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Dieses will ich dir, Fremdling, und nach der Wahrheit verkünden.

Ich bin aus Ithaka her; mein Vater heißet Odysseus,

Wenn er noch lebt; allein er starb des traurigsten Todes.

Darum nahm ich jetzo dies Schiff und diese Gefährten,

Kundschaft mir zu erforschen vom langabwesenden Vater.

Und der göttliche Mann Theoklymenos gab ihm zur Antwort:

Ich bin auch aus der Heimat entflohn! Denn ich tötete jemand,

Einen Bürger der Stadt; und viele Brüder und Vettern

Hat er, gewaltig im Volke der rossennährenden Argos!

Diesen bin ich entronnen, den Tod und das schwarze Verhängnis

Fliehend! Von nun an ist mein Schicksal, die Welt zu durchirren!

Aber nimm mich ins Schiff, den Flüchtling, welcher dich anfleht,

Daß sie mich nicht umbringen; denn sicher verfolgen mich jene!

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Freund, ich werde dich nicht von unserem Schiffe verstoßen.

Folg uns; wir wollen dich dort bewirten, so gut wir es haben.

Also sprach er und nahm Theoklymenos' eherne Lanze,

Legte sie auf das Verdeck des gleichgeruderten Schiffes,

Stieg dann über den Bord des meerdurchwallenden Schiffes,

Setzte sich hinten am Steuer, und neben dem Jünglinge setzte

Theoklymenos sich. Die andern lösten die Seile.

Aber Telemachos trieb und ermahnte die lieben Gefährten,

Schnell die Geräte zu ordnen. Sie folgeten seinem Befehle:

Stellten den fichtenen Mast in die mittlere Höhe des Bodens,[647]

Richteten hoch ihn empor und banden ihn fest mit den Seilen,

Spannten die weißen Segel mit starkgeflochtenen Riemen.

Einen günstigen Wind sandt ihnen Pallas Athene;

Stürmend saust' er vom Äther daher in die Segel des Schiffes,

Und mit geflügelter Eile durchlief es die salzige Woge,

Segelte Krunö vorüber und Chalkis' liebliche Mündung.

Und die Sonne sank und Dunkel umhüllte die Pfade.

Und er steurte gen Pherai, vom Winde Gottes erfreuet,

Und zu der göttlichen Elis, die von den Epeiern beherrscht wird.

Aber von dannen lenkt' er das Schiff zu den spitzigen Inseln,

Sorgend, ob er dem Tod entfliehn würd oder erliegen.

Und in der Hütte genoß mit Odysseus der treffliche Sauhirt

Jetzo die Abendkost, auch aßen die übrigen Hirten.

Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war,

Da versuchte der Held Odysseus, ob ihn der Sauhirt

Noch in der Hütte dort herbergen und freundlich bewirten

Oder ihn treiben würd, in die Stadt zu eilen; so sprach er:

Höre mich jetzt, Eumaios, und hört, ihr übrigen Hirten.

Morgen hätt ich wohl Lust, in die Stadt als Bettler zu gehen,

Daß ich deine Freunde und dich nicht länger beschwere.

Sage mir denn Bescheid und gib mir einen Gefährten,

Welcher den Weg mich führe. Die Stadt muß ich selber durchirren,

Ob man ein Becherchen Weins und ein wenig Brosam mir biete.

Gerne möcht ich auch wohl zum Hause des edlen Odysseus

Gehen und Botschaft bringen der klugen Penelopeia

Und alsdann in die Schar der stolzen Freier mich mischen,

Ob sie mich einmal speisen von ihrem reichlichen Gastmahl.

Alles, was sie befehlen, bin ich bereit zu verrichten.

Denn ich verkündige dir, merk auf und höre die Worte:

Durch Hermeias' Gnade, des Göttergesandten, der alles,

Was die Menschen beginnen, mit Ehre schmücket und Anmut,

Kann der Sterblichen keiner mit mir wetteifern im Dienste:

Feuer geschickt zu legen und trockene Klötze zu spalten,

Wein zu schenken und Fleisch zu verteilen oder zu braten,

Was vornehme Leute vom Dienste Geringerer fordern.

Zürnend erwidertest du, Eumaios, Hüter der Schweine:

Wehe mir, Fremdling, wie kann in dein Herz ein solcher Gedanke[648]

Kommen? Wahrlich du eilst, dich dort ins Verderben zu stürzen,

Ist es dein ernstlicher Wille, zu gehn in der Freier Gesellschaft,

Deren Trotz und Gewalt den eisernen Himmel erreichet.

Wahrlich, solche Leute sind ihre Diener mitnichten;

Jünglinge sind's, mit Mantel und Leibrock zierlich gekleidet,

Und stets duftet von Salben ihr Haar und blühendes Antlitz:

Diese dienen dort; und die schöngeglätteten Tische

Sind mit Brot und Fleisch und Weine stets belastet.

Aber bleibe; du bist hier keinem Menschen beschwerlich,

Weder mir noch einem der Freunde, welche mir helfen.

Kehrt einst wieder zurück der geliebte Sohn von Odysseus,

Gerne wird dich dieser mit Rock und Mantel bekleiden

Und dich senden, wohin es deinem Herzen gelüstet.

Ihm antwortete drauf der herrliche Dulder Odysseus:

Liebe dich Vater Zeus, wie ich dich hebe, Eumaios,

Weil du nach schrecklicher Not mir Irrendem Ruhe gewährest!

Nichts ist kummervoller, als unstet leben und flüchtig!

Oft zur Verzweifelung bringt der unversöhnliche Hunger

Leute, die Lebensgefahr und bitterer Mangel umhertreibt.

Aber weil du begehrst, daß ich bleib und jenen erwarte,

Nun, so erzähle mir von der Mutter des edlen Odysseus

Und dem Vater, den er an der Schwelle des Alters daheim ließ.

Leben sie etwa noch im Strahle der leuchtenden Sonne,

Oder sind sie schon tot und in der Schatten Behausung?

Ihm antwortete drauf der männerbeherrschende Sauhirt:

Dieses will ich dir, Fremdling, und nach der Wahrheit erzählen.

Immer noch lebt Laertes, doch täglich flehet er Zeus an,

Daß in seinem Hause sein Geist den Gliedern entschwinde.

Denn untröstlich beweint er des fernen Sohnes Gedächtnis

Und den Tod des edlen geliebten Weibes der Jugend,

Der ihn so innig gekränkt und sein herbes Alter beschleunigt.

Diese starb vor Gram um ihren berühmten Odysseus,

Ach, den traurigsten Tod! So sterbe keiner der Freunde,

Welcher in diesem Lande mir Liebes und Gutes getan hat.

Als noch jene lebte, wiewohl in steter Betrübnis,

Hatt ich noch etwas Lust, zu fragen und mich zu erkunden.

Denn sie erzog mich selbst mit Ktimene, ihrer geschmückten[649]

Tugendreichen Tochter, der jüngsten ihres Geschlechtes;

Diese erzog sie mit mir und ehrte mich wenig geringer.

Und da wir beide das Ziel der lieblichen Jugend erreichten,

Gaben sie jene nach Same und nahmen große Geschenke,

Und mich kleidete sie, die Mutter, mit prächtigen Kleidern,

Einem Mantel und Rock, und gab mir Schuh an die Füße,

Sandte mich her aufs Land und tat mir Gutes auf Gutes.

Dieses muß ich nun alles entbehren: aber die Götter

Segnen mit reichem Gedeihn die Arbeit, welche mir obliegt;

Hievon eß ich und trinke und geb auch ehrlichen Leuten.

Von der Königin selbst ist keine Freude zu hoffen,

Weder Wort noch Tat, seitdem die Plage das Haus traf,

Jener verwüstende Schwarm! Und Knechte wünschen doch herzlich,

Vor der Frau des Hauses zu reden und alles zu hören,

Und zu essen und trinken und dann auch etwas zu Felde

Mitzunehmen, wodurch das Herz der Bedienten erfreut wird.

Ihm antwortete drauf der erfindungsreiche Odysseus:

Ei, so bist du als Kind, Eumaios, Hüter der Schweine,

Fern von dem Vaterland und deinen Eltern verirret?

Aber verkündige mir und sage die lautere Wahrheit:

Ward die prächtige Stadt von Kriegesscharen verwüstet,

Welche dein Vater einst und die treffliche Mutter bewohnten?

Oder fanden dich einsam bei Schafen oder bei Rindern

Räuber und schleppten dich fort zu den Schiffen und boten im Hause

Dieses Mannes dich feil, der dich nach Würden bezahlte?

Ihm antwortete drauf der männerbeherrschende Sauhirt:

Fremdling, weil du mich fragst und so genau dich erkundest,

Nun, so sitze still, erfreue dich horchend und trinke

Wein. Die Nächte sind lang; man kann ausruhen und kann auch

Angenehme Gespräch' anhören. Es zwinget dich niemand,

Frühe schlafen zu gehn; auch vieles Schlafen ist schädlich.

Sehnt sich der übrigen einer in seinem Herzen zur Ruhe,

Dieser gehe zu Bett; und sobald der Morgen sich rötet,

Frühstück' er und treibe des Königes Schweine zu Felde.

Aber wir wollen hier in der Hütte noch essen und trinken,

Um einander das Herz durch Erinnerung trauriger Leiden

Aufzuheitern; denn auch der Trübsal denket man gerne,[650]

Wenn man so vieles erduldet, so viele Länder durchirrt ist.

Jetzo will ich dir das verkündigen, was du mich fragtest:

Eine der Inseln im Meer heißt Syria, wenn du sie kennest,

Über Ortygia hin, wo die Sonnenwende zu sehn ist.

Groß ist diese nicht sehr von Umfang, aber doch fruchtbar,

Reich an Schafen und Rindern, an Wein und schönem Getreide.

Nimmer besucht der Hunger und nimmer eine der andern

Schrecklichen Seuchen das Volk, die die armen Sterblichen hinrafft,

Sondern wann in der Stadt die Menschen das Alter erreichen,

Kommt die Freundin der Pfeil' und der Gott des silbernen Bogens,

Welche sie unversehens mit sanften Geschossen erlegen.

Allda sind zwo Städte, die zwiefach alles geteilet,

Und von diesen beiden war einst mein Vater Beherrscher,

Ktesios, Ormenos' Sohn, ein Bild der unsterblichen Götter.

Einst besuchten uns dort Phöniker, berühmt in der Seefahrt

Und Erzschinder, und führten im Schiff unzähliges Spielzeug.

Aber im Hause des Vaters war eine phönikische Sklavin,

Schöngebildet und groß und klug in künstlicher Arbeit.

Diese verführten mit List die ränkegeübten Phöniker.

Einer von ihnen pflog, da sie wusch, beim schwärzlichen Schiffe

Heimlicher Liebe mit ihr, die das Herz der biegsamen Weiber

Ganz in die Irre führt, wenn eine die Tugend auch ehret.

Dieser fragte darauf, wer sie wär und von wannen sie käme,

Und sie zeigte sogleich zu des Vaters hohem Palaste:

Meine Geburtsstadt ist die erzdurchschimmerte Sidon,

Und ich rühme mich dort des reichen Arybas Tochter.

Aber mich raubeten einst, da ich vom Felde zurückkam,

Taphische Räuber und brachten mich hier und boten im Hause

Dieses Mannes mich feil, der mich nach Würden bezahlte.

Ihr antwortete drauf der Mann, der sie heimlich beschlafen:

Möchtest du jetzo denn nicht mit uns nach Hause zurückgehn,

Deiner Eltern hohen Palast und Vater und Mutter

Wiederzusehn? Denn sie leben noch beid und man nennt sie begütert.

Und das phönikische Weib antwortete jenem und sagte:

Ja, auch dieses geschehe, wofern ihr Schiffer mir eidlich

Angelobt, mich sicher und wohl nach Hause zu bringen.

Also sprach sie; und alle beschwuren, was sie verlangte.[651]

Als sie es jetzo gelobt und vollendet den heiligen Eidschwur,

Hub die Phönikerin an und sprach zu der Männer Versammlung:

Seid nun still, und keiner von eures Schiffes Genossen

Rede mit Worten mich an, er begegne mir auf der Straße

Oder beim Wasserschöpfen, daß niemand, zu unserem Hause

Gehend, dem Alten es sag und dieser vielleicht mir aus Argwohn

Schwere Band' anlege und euch das Verderben bereite!

Sondern haltet die Sache geheim und beschleunigt den Einkauf.

Aber sobald ihr das Schiff mit Lebensgütern beladen,

Dann geh einer geschwind in die Burg und bringe mir Botschaft;

Nehmen will ich, was mir an goldnem Geschirr in die Hand fällt,

Und ich möcht euch gerne die Fahrt noch höher bezahlen.

Denn ich erziehe den Sohn des alten Herrn im Palaste,

Welcher schon witzig ist und aus dem Hause so mitläuft.

Diesen brächt ich gerne zum Schiff; ihr würdet nicht wenig

Für ihn lösen, wohin ihr ihn auch in die Fremde verkauftet.

Also sprach das Weib und kehrte zum schönen Palaste.

Und die Phöniker weilten ein ganzes Jahr auf der Insel,

Kauften und schleppten ins Schiff unzählige Güter zusammen.

Als sie das hohle Schiff zur Heimfahrt hatten befrachtet,

Sandten sie einen Genossen, dem Weibe die Botschaft zu bringen.

Dieser listige Mann, der in des Vaters Palast kam,

Bracht ein goldnes Geschmeide, besetzt mit köstlichem Bernstein,

Welches die Mägde des Hauses und meine treffliche Mutter

Mit den Händen befühlten und sehr aufmerksam besahen.

Als sie über den Preis nun handelten, winkt' er der Sklavin

Heimlich und eilte zurück zum hohlen Schiffe. Die Sklavin

Nahm mich darauf bei der Hand und führte mich aus dem Palaste.

Und sie fand in dem vorderen Saal Weinbecher und Tische

Für die Gäste gestellt, die meinen Vater besuchten;

Diese waren jetzt auf dem Markt in des Volkes Versammlung.

Hurtig raubte sie drei der Gefäße, verbarg sie im Busen,

Eilte dann weg, von mir einfältigem Kinde begleitet.

Und die Sonne sank und Dunkel umhüllte die Pfade.

Jetzo hatten wir schnell den berühmten Hafen erreichet,

Wo der Phöniker Schiff das Meer zu durcheilen bereit lag.

Diese bestiegen mit uns das Verdeck des Schiffes und steurten[652]

Über die Woge des Meers, von Gottes Winden getrieben.

Also durchsegelten wir sechs Tag' und Nächte die Wasser.

Als der siebente Tag von Zeus Kronion gesandt ward,

Tötete Artemis plötzlich das Weib mit ihrem Geschosse.

Rauschend fiel sie hinab in das Wasser des Raums, wie ein Seehuhn.

Und man warf sie, den Fischen und Ungeheuern zur Beute,

Über den Bord; allein ich blieb mit traurigem Herzen.

Wind und Woge trieben sie jetzt an Ithakas Ufer,

Wo Laertes mich mit seinem Vermögen erkaufte.

Also hab ich dies Land zuerst mit Augen gesehen.

Und der göttliche Held Odysseus gab ihm zur Antwort:

Wahrlich, Eumaios, ich fühl es im Innersten meines Herzens,

Alles, was du mir jetzo von deinen Leiden erzählt hast!

Aber dir hat doch Zeus bei dem Bösen auch Gutes verliehen,

Da du, nach großem Leiden, in dieses gütigen Mannes

Wohnung kamst, der dir sorgfältig zu essen und trinken

Reicht; denn du lebst hier ganz gemächlich. Aber ich Armer

Irre, von Stadt zu Stadt vertrieben, Hilfe zu suchen!

Also besprachen diese sich jetzo untereinander,

Legten sich dann zur Ruh, nicht lange, sondern ein wenig;

Denn bald rötete sich der Morgen. Aber am Ufer

Lösten Telemachos' Freunde die Segel, senkten den Mastbaum

Eilend herab, vollendeten dann mit Rudern die Landung,

Warfen die Anker aus und banden mit Seilen das Schiff an.

Und nun stiegen sie selbst ans krumme Gestade des Meeres,

Eilten, das Mahl zu bereiten, und mischten des funkelnden Weines.

Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war,

Sprach der verständige Jüngling Telemachos zu der Versammlung:

Rudert, ihr andern, jetzt nach der Stadt mit dem schwärzlichen Schiffe;

Ich will erst ein wenig zu meinen Hirten aufs Land gehn.

Abends komm ich zur Stadt, sobald ich das Meine besehen.

Morgen dächt ich euch wohl ein gutes Mahl nach der Reise

Vorzusetzen, von Fleisch und herzerfreuendem Weine.

Und der göttliche Mann Theoklymenos gab ihm zur Antwort:

Aber wohin geh ich denn, mein Sohn? Zu wessen Palaste

Unter den Männern, die hier in der felsichten Ithaka herrschen?

Geh ich gerade zu deinem und deiner Mutter Palaste?[653]

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Sonst geböt ich dir wohl, gerade zu unserem Hause

Hinzugehn, auch sollt es an nichts gebrechen; doch jetzo

Würd es dich selbst beschweren. Denn ich bin fern, und die Mutter

Siehet dich nicht; sie erscheint nicht oft vor den Freiern im Saale.

Abgesondert wirkt sie im obern Stock ihr Gewebe.

Aber ich will indes dir einen anderen nennen:

Geh zu Eurymachos hin, des Polybos trefflichem Sohne,

Welcher jetzt wie ein Gott in der Ithaker Volke geehrt wird.

Und er ist auch bei weitem der Edelste, wünscht auch am meisten

Meine Mutter zum Weib und Odysseus' Würde zu erben.

Aber das weiß Kronion, der Gott des hohen Olympos,

Ob vor der Hochzeit noch der böse Tag sie ereile!

Sprach's; und rechtsher flog ein heilweissagender Vogel,

Phöbos' schneller Gesandte, der Habicht; zwischen den Klauen

Hielt er und rupfte die Taub und goß die Federn zur Erde

Zwischen Telemachos nieder und seinem schwärzlichen Schiffe.

Eilend rief Theoklymenos ihn von den Freunden besonders,

Faßte des Jünglings Hand und erhub die Stimme der Weisheit:

Jüngling, nicht ohne Gott flog dir zur Rechten der Vogel;

Denn ich erkenn an ihm die heilweissagenden Zeichen!

Außer eurem Geschlecht erhebt sich nimmer ein König

In der Ithaker Volk; auf euch ruht ewig die Herrschaft!

Und der verständige Jüngling Telemachos sagte dagegen:

Fremdling, erfülleten doch die Götter, was du geweissagt!

Dann erkenntest du bald an vielen und großen Geschenken

Deinen Freund, und jeder Begegnende priese dich selig!

Also sprach er und rief dem treuen Gefährten Peiraios:

Klytios' Sohn, Peiraios, du bist von allen Gefährten,

Die mich nach Pylos gebracht, mir immer am meisten gewillfahrt.

Führe mir denn auch nun zu deinem Hause den Fremdling,

Ehr und bewirt ihn dort, bis ich heimkehre, mit Sorgfalt!

Und der lanzenberühmte Peiraios sagte dagegen:

Wenn du auch noch so lange, Telemachos, draußen verweilest,

Gerne bewirt ich den Gast, auch soll es an nichts ihm gebrechen!

Also sprach er und trat in das Schiff und befahl den Gefährten,

Einzusteigen und schnell die Seile vom Ufer zu lösen.[654]

Und sie traten ins Schiff und setzten sich hin auf die Bänke.

Aber Telemachos band um die Füße die prächtigen Sohlen,

Nahm dann die mächtige Lanze mit scharfer eherner Spitze

Von des Schiffes Verdeck. Die andern lösten die Seile,

Stießen ab und fuhren zur Stadt mit dem schwärzlichen Schiffe,

Wie es Telemachos hieß, der geliebte Sohn von Odysseus.

Dieser eilte von dannen mit hurtigen Füßen zum Hofe,

Wo die Herden der Schwein' itzt ruheten, welche der Sauhirt

Schützte, der gute Mann, der seinen Herren so treu war.

Quelle:
Homer: Ilias / Odyssee. München 1976, S. 639-655.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Odyssee
Universal-Bibliothek Nr. 280: Odyssee
Odyssee
Ilias · Odyssee
Die Odyssee
Odyssee

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Nachkommenschaften

Nachkommenschaften

Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon