Erster Auftritt.

[176] Herr von Wallenfeld. Frau von Wallenfeld.


HERR VON WALLENFELD tritt hastig ein.

FRAU VON WALLENFELD folgt ihm. Was hast du? was ist dir begegnet? Du hast etwas gegen mich! Sprich, sei doch offenherzig!

HERR VON WALLENFELD gefaßt. Nun ja denn. Nachdem er sie scharf angesehen hat. Dein Vater ist hier?

FRAU VON WALLENFELD. Ganz unerwartet kam er vor einer halben Stunde hier an.[176]

HERR VON WALLENFELD lebhaft. Unerwartet? – Hm! Ei ja doch! Gleichgiltig. Wo ist er hingegangen?

FRAU VON WALLENFELD. Ich weiß es nicht.

HERR VON WALLENFELD nach einer Pause. Warum meidet er mich? Wie?

FRAU VON WALLENFELD. Ich sollte nicht denken, daß er dich geradezu meidet – aber – freilich – ist er etwas aufgebracht über dich. Du kennst seine Grundsätze.

HERR VON WALLENFELD. Nun, Heftig. mit Einem Worte denn – Du hast ihn kommen lassen.

FRAU VON WALLENFELD. Fritz!

HERR VON WALLENFELD. Zu Hilfe kommen lassen.

FRAU VON WALLENFELD. Thu mir nicht weh.

HERR VON WALLENFELD. Du hast mich verklagt.

FRAU VON WALLENFELD. Spricht Unmuth aus dir, so verzeihe ich dir gern.

HERR VON WALLENFELD. Ueberzeugung, – und Unmuth wegen der Ueberzeugung. Zwar habe ich es an dir verdient, daß du den Schritt gethan hast; aber doch habe ich es nicht erwartet. Ich habe es nicht erwartet.

FRAU VON WALLENFELD. Wallenfeld, noch habe ich dich nicht eine Klage hören lassen, was ich auch durch dich gelitten habe. Ich habe die Nächte geweint, und bin fast erlegen, um dich am Tage kein verweintes Gesicht sehen zu lassen. Ich und mein Kind, wir sind heute dem Hunger ausgesetzt gewesen wie die Bettler auf der Straße. Ich habe dir nichts davon gesagt. Jetzt aber zwingst du mich, daß ich mich auf diese Geduld berufe, die mich deiner Frage und aller Antwort darauf hätte überheben sollen.

HERR VON WALLENFELD. Es ist wahr, und ich dürfte mein Auge[177] nicht zu dir erheben, wenn ich diese Geduld für Ergebung und Liebe halten könnte. Aber, wenn es Leichtsinn wäre – und – man hat mir vorhin in meines Onkels Hause etwas gesagt – man hat mir gesagt, du habest von Fernau ein Geschenk an Geld angenommen! von meinem Räuber, von dem Heuchler, der mit Niederträchtigkeiten ohne Zahl meines Onkels Gunst stiehlt, der mein Glück, deines und des armen Kindes Glück wie ein gemeiner Räuber an sich gerissen hat! – O Marie! – wie konntest du das thun?

FRAU VON WALLENFELD. Ich habe von Fernau einen Brief erhalten. Es war Geld darin. Ich habe ihn unerbrochen zurück gegeben.

HERR VON WALLENFELD. Was sagst du? Ist's wahr?

FRAU VON WALLENFELD. Ich berufe mich auf dein eigenes Gefühl von mir, ob es mich einer Erniedrigung fähig hält.

HERR VON WALLENFELD. Ich weiß leider, daß gar kein Geld mehr da war – Ich sehe an den Anstalten für den Mittag, daß du welches hast; woher hast du es?

FRAU VON WALLENFELD gibt ihm Jakob's Brief. Daher.

HERR VON WALLENFELD liest und wendet sich ab.

FRAU VON WALLENFELD. Von dem ehrlichen Jakob habe ich es angenommen, von Fernau nicht.

HERR VON WALLENFELD gibt ihr Geld. Bezahle den Jakob. – Was kann dir Fernau haben schreiben wollen? Wie konnte er dir Geld schicken wollen? Es müssen doch Dinge – Unterredungen – Vermuthungen vorher gegangen sein, auf welche er so etwas wagen konnte.

FRAU VON WALLENFELD. Mein Freund – ich habe nur für mich gesprochen; Fernau habe ich nicht vertheidigt.

HERR VON WALLENFELD. Ich will ihm das Haus verbieten.[178]

FRAU VON WALLENFELD. Immerhin! thue es.

HERR VON WALLENFELD. Marie! Er betrachtet sie mit Bewunderung. kannst du mir vergeben?

FRAU VON WALLENFELD. Wenn du so leicht den Glauben an mich verlieren kannst, wo sollen wir beide Frieden und Ruhe hernehmen?


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 3, Wien 1843, S. 176-179.
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