Zweiter Auftritt.

[156] Der Laufer öffnet die Thüre. Baronesse. Figaro.


FIGARO. Sie sind nicht billig gegen mich –

BARONESSE. Weil ich keine Ehrenbezeigung weiß, die sich vor andern auszeichnet – wie Sie, und Ihr Talent –

FIGARO. Gnädige Frau! –

BARONESSE. Vor allen.

FIGARO. Ferne täuscht.

BARONESSE. Nähe überzeugt.

FIGARO. In Frankreich dachte man ungünstiger von mir.

BARONESSE. Wie? – Die Menge –

FIGARO. Lachte – fand mich witzig – Sonderlinge schmähten –

BARONESSE. Allein die Männer von Talent –

FIGARO. Nun ja – sie sagten mir viel Schönes.

BARONESSE. Also?

FIGARO. Die Männer von Talent. – Allein die Männer von Talent und gutem Herzen? –

BARONESSE. Den Figaro des Schauspiels mögen die vielleicht getadelt haben; allein den wahren Figaro, den[156] Beaumarchais kopirte, den ich hier in Ihnen admirire, den tadelte wohl niemand.

FIGARO. Wenn mich in seinem Schauspiele Beaumarchais getreu kopirte – so konnte ich nicht jedermann gefallen, wenn ich auch jedermann belustigt habe.

BARONESSE. Das heißt wohl – der Sorbonne – und was man dazu rechnet? der konnten Sie mißfallen.

FIGARO. Nicht die; allein die Männer Frankreichs, von deren Worten keines noch verloren ging, die – wenn die Blendung des Schimmers schon verloschen ist, die erste Wärme in Prüfung überging – noch immer ganz da stehen – selbstständig – jugendlich, wie in dem großen Augenblick ihrer Schöpfung – die – sind mit mir nicht recht zufrieden.

BARONESSE erstaunt. Was wollen sie?

FIGARO. Ich hätte – sie behaupten es – mehr und besseres – im hohen Sinne besseres – gekonnt, und auch gesollt. – Sie sagen, ich sei dazu vor andern fähig, und daß ich's unterlassen, sei Verlust. – Nun lächeln sie deshalb – fast etwas ernst – zu der Frivolität, die mir gelang.

BARONESSE. Dem sei nun, wie ihm wolle. – In Deutschland sind Sie angebetet.

FIGARO. Man hat mir zu Paris versichern wollen, daß, eh' ich mit dem Grafen Almaviva irgend etwas noch zu thun gehabt – die Deutschen mich weit mehr geliebt –

BARONESSE. Almaviva? Dieser Almaviva – lebt ja nur in einer Komödie. Mit dem hat ja nur der Figaro des Beaumarchais zu thun. Sie, der wahre Figaro – Sie hatten nie Verkehr mit ihm?

FIGARO. Das heißt – Verlegen. Das will sagen –[157]

BARONESSE. Sie sind verlegen – Sie werden roth? Oder – wäre es möglich? Sähe ich ihn selbst vor mir –

FIGARO noch verlegener. Wen?

BARONESSE. O ciel! Entzückt. Ihn selbst, Monsieur de Beaumarchais

FIGARO geheimnißvoll. Ah Madame –

BARONESSE außer sich. Ja, ja! kein andrer – Sie sind es selbst! Umsonst – umsonst cachiren Sie den großen Mann!

FIGARO. Um alles in der Welt – Verschwiegenheit!

BARONESSE. Contez sur moi!

FIGARO. Ich bleibe Figaro und bin Kourier.

BARONESSE. Doch wenn man Sie erräth – und wer sieht nicht sehr bald in Ihnen den Dichter, den feinen Geist, den akkomplirten Hofmann?

FIGARO. Hier erräth mich niemand.

BARONESSE. Und doch hat es nicht lange gedauert, so habe ich Ihr Geheimniß penetrirt.

FIGARO. Wie viele Ihres gleichen werden mir auch noch begegnen?

BARONESSE. Sie sind galant –

FIGARO. Nur wahr.

BARONESSE. Und die Deutschen – meinen Sie, hätten ehedem den admirablen Beaumarchais mehr geliebt, als jetzt? Seufzt. Zwar – die Deutschen! – Eigentlich, qu'appellez-vous – die Deutschen?

FIGARO. Gelehrte – die Nation –

BARONESSE. Meist alles, was sich so nennt – ce ne sont que des – Schulmeisters –

FIGARO. Bei uns in Spanien, fängt man an, sich mit[158] der Literatur der Deutschen sehr bekannt zu machen. – In Frankreich –

BARONESSE. Ich weiß. Wir haben angefangen, davon zu sprechen. Allein, wer liest sie? – Zum wenigsten wir Pariser nicht.

FIGARO. Das glaub' ich Euer Gnaden! – Doch die Pariser von Paris, die lasen sie. Man weiß in Frankreich gar zu wohl, daß nur Franzosen, die in Deutschland lange wohnen, und Deutsche, die aus der Gouvernantenzucht in Hände alter französischer Exilirten übergingen, die Literatur der Deutschen gar nicht kennen.

BARONESSE. Sie schmeicheln mir unnöthig. Ich halte nichts auf die Literatur der Deutschen.

FIGARO. Ich glaubte diesen Ton verjährt.

BARONESSE. Bei unsern jungen Fräulein wohl, weil viele rüde, junge Kavaliers im Deutschthun sich jetzt üben. Allein mit alle dem bleibt in der bessern Welt der Ton – was Deutsch ist – dort nicht aufzunehmen. Der Pöbel lacht zwar über uns, und die Schulmeister schreiben scharf; doch wir – wir unter einander – bleiben was wir waren, und wir befinden uns recht wohl dabei.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 4, Wien 1843, S. 156-159.
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