[90] Louise. Madame Ruhberg.
Im Hintergrunde steht ein Koffer, halb gepackt einige Kleider hängen auf Stühlen, Madame Ruhberg will nach dem Kabinet ihres Mannes, Louise kommt heraus und führt sie vor.
LOUISE. Wohin wollen Sie?
MADAME RUHBERG. Zu ihm, zu ihm! –
LOUISE. Schonen Sie seiner, er hat sich kaum erholt.
MADAME RUHBERG. Grausames Kind, du reißest mich von ihm!
LOUISE. Um Ihrer Ruhe willen.[90]
MADAME RUHBERG. Ruhig – ich ruhig? Ja, wenn ich leiden könnte für ihn, wenn es ein Mittel gäbe für meine Schuld zu büßen! Sie reißt sich los und geht an die Thüre. Es ist verschlossen – ach er hat sein Herz vor mir verschlossen.
LOUISE. Der Doktor wird verschlossen haben, wir sollen ihn etwas ruhen lassen. Ach mein armer Vater leidet auch für Sie. Nicht einen Vorwurf hat er Ihnen gemacht.
MADAME RUHBERG. Nein – o nein! Jeder Blick war Liebe und Güte; um Ehre und Leben hab' ich ihn gebracht – und jeder Blick war Liebe und Güte.
LOUISE. Liebe Mutter, gehen Sie wieder auf Ihr Zimmer.
MADAME RUHBERG. Wird mir dort leichter sein? wird mein Gewissen mir dort weniger sagen?
LOUISE. Ach, er hört Sie doch nicht – hört doch Ihre Klagen nicht!
MADAME RUHBERG. Er muß sie hören – wird –
LOUISE. Ich bitte Sie.
MADAME RUHBERG. Ich habe ihn elend gemacht, und stilles Dulden ist seine Rache! O! daß er hart wäre – grausam – Wehmüthig. War er denn nie hart gegen mich? – war er nie? – Nein, nie! niemals! O daß er meiner Reue spottete, meiner Thränen lachte, daß er mich von sich stieße –
LOUISE. Liebe Mutter, Ihr Jammer vergrößert sein Elend. –
MADAME RUHBERG. Aber ich schwur, jedes Leid mit ihm zu theilen bis in den Tod. Diesem theuern heiligen Rechte kann ich nicht entsagen –
LOUIS. Ich verzweifle noch nicht an Hilfe; der Baron ist noch nicht zurück; der alte Ahlden wird sich erweichen lassen.[91]
MADAME RUHBERG. O nimmer, nimmer, du stehst ja, er kommt nicht zurück.
LOUISE. Karl wird seinen Vater nicht verlassen, bis er uns rettet – ich kenne sein Herz.
MADAME RUHBERG. Der Baron ist nicht zu finden – Die Hände ringend umher. wir sind verloren – wir sind verloren. Wenn es bekannt wird – Mann oder Sohn dem schändlichsten Tode – Es ist aus – alles ist vorbei – dies Haus gehet zu Ende!
LOUISE. Um uns'rer Glückseligkeit willen – fassen Sie sich!
MADAME RUHBERG. Glückseligkeit? – Hoffnung? Das ist vorbei, gutes Kind, auch dein Glück hat abgeblühet; bist du nicht meine Tochter? Die Schwester des Diebes? Eine Schmach ruhet auf allen. Du warst Braut – Du bist es nicht mehr. Unglück trennt Verwandte und Liebe.
LOUISE. Thun Sie seinem Herzen nicht weh. Meine Rechte auf Ihren Kummer sind auch ihm heilig.
MADAME RUHBERG. Wer achtet auf die Thränen einer unglücklichen Mutter! Armes Mädchen, du standst auf dem Gipfel der Glückseligkeit – ich habe dich zurück gestoßen. Elend lasse ich dir zum Erbtheil; in einem dürftigen verachteten Alter wirst du deine Mutter verfluchen!
LOUISE. Nie, o nie! – ich entsage allem, ich will Sie nie verlassen. Ich will Ihres Alters pflegen. Bin ich denn Ihre Tochter nicht? Können die Thränen Ihrer Louise denn gar nichts erleichtern? Nichts kann ich mit Ihnen theilen, als mein Herz – o liebe Mutter, verachten Sie es nicht!
MADAME RUHBERG. Das sagst du mir? Du, die ich hintangesetzt habe, bist meine Stütze, da mich alles verläßt? Christian[92] kommt aus dem Kabinet, sie sieht es, und geht schnell hinein. Gott mache dich zu einer glücklichern Mutter, als ich bin.
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