Sechster Auftritt.


[32] Platz vor dem Wirtshause am Isel. In der Ferne Schießen.

Andreas Hofer. Etschmann an einem Tische.


ETSCHMANN. Hör' nur das Schießen!

HOFER. Ja, es geht heut scharf.[32]

ETSCHMANN.

Woll'n wir nicht näher zum Gefechte, Sandwirt?

HOFER.

Bleib Etschmann, das Gefecht muß zu uns kommen.

Ich hab' mir was erdacht – sie soll'n mich nicht

Zum Oberkommandanten so umsonst

Erwählet haben. Sitz du nur ganz ruhig!


Frau Straubing tritt auf, einen jungen Tiroler an der Hand.


Frau Straubing! Ei! Grüß Gott! zum Element!

Kommst zwischen Hieb und Stich und Blitz und Donner

Zum Iselberg?

FRAU STRAUBING.

Ja, Andres! Hör', mir flogen

Am Sillsteg ein paar Bohnen übern Kopf,

Ich dacht', wenn ich ins Ohr euch hätt' erlangt,

Da wär' ich taub für immer.


Sie faßt ihn bei dem Rocke.


Laß dich anschaun!

Mein, was muß ich an dir erleben? Sprich:

Bist Graf und Fürst nun, und des Kaisers Leutnant,

Gebiet'ger aller Menschen in Tirol?

Du alter bärt'ger Kauz, wie ging das zu?

HOFER.

Ich weiß nit, Kathi, aber 's ist mal so.

FRAU STRAUBING.

Zu Tod wollt' ich mich lachen, da ich's hörte.

HOFER.

Lachst du mich aus, laß ich in Turm dich schmeißen.

FRAU STRAUBING.

Dann zieh ich dir durch's Gitter noch 'n Gesicht.

HOFER.

Nun plappre nicht so wüst. Was willst allhier?

FRAU STRAUBING.

Ich hab' ein zweierlei Gewerb. Zum ersten:

Von wegen der fünfhundert Gülden und

Dem Roßtausch auf der Steeger Kirms; du hast

Nichts Schriftliches mir drob getan, ich hab'

Auch keine Zeugen nicht. Kommst du heut um,

So bin ich um mein Geld.

HOFER.

Ich dacht' schon dran.

Ich hab' den Schein verfaßt.


Er nimmt aus dem Gürtel ein Papier und reicht es ihr.
[33]

FRAU STRAUBING liest.

»Fünfhundert Gülden schuldig.«

So ist es recht. Und zahl' mir's, wenn du kannst.

Mein zweit Gewerb betrifft den Buben hier.

HOFER.

Ist's nicht der Heinrich Stoß?

FRAU STRAUBING.

Der Heinrich Stoß,

Der Sohn vom Lammeswirt, mein künft'ger Eidam.

Hielt nachts bei Bärbelchen den Chiltgang. Ich

Nahm ihn von seines Mädels Seit' und sprach:

Steh auf, mein Bürschel, 's gibt noch mehr zu tun,

Als Liebchens Wang' zu küssen, stell ihn vor dich,

Und heisch von dir, du stell' ihn vor den Feind.

HOFER.

Vom Liebchen fort ins Todesfeld! Wir brauchen

Jedweden heut, der kommt. Ein hübscher Jung',

Wie Sommerfrisch' und Alpenrösleinpracht,

Und Augen, wie der Spielhahn, wenn er singt!

Geh' Heinrich Stoß zur Vorhut! – Hört er nicht?

FRAU STRAUBING.

Hängt noch an Bärbels jungem Mund. Wir waren

Auch einmal so!


Sie rüttelt den jungen Tiroler.


Kam'rad, schau um dich,

's ist nicht das Kämmerlein zu Wilten, stehst

Inmitten deiner Brüder.


Schießen.


Was Gesell,

Soll ich der Bärbel von dir sagen?

HEINRICH tritt vor Hofer.

Wo

Gebeutst du, daß ich stehe?

HOFER. Geh' zur Vorhut.

HEINRICH.

Grüß', Mutter, tausendmal mein liebes Dirnel!


Er geht.


FRAU STRAUBING.

Nun wird mir weh ums Herz. Andres, leb wohl!

HOFER. Verweile noch!

FRAU STRAUBING.

Ich kann nicht. Alle Stuben

Hab' ich voll Einquartierung, Sieche, Matte;

Die armen Schälk' sind ganz verhungert, kochen

Muß ich, was nur das Zeug hält.[34]

HOFER.

Soll ich dir

Bedeckung geben mit?

FRAU STRAUBING.

Was? Bist du geck?

Zwei Arm' und dieser Stab bedecken mich

Hinlänglich wohl. Weh dem, der mir zu nah kommt!

Wo ich zuschlage, wächst kein Gras! – Adjes.


Geht.


HOFER.

Die schreitet zu! Kein Mann käm' mit. Schon ist sie

Den Felsensteg hinunter und den Schatten

Wirft sie bis in die höchsten Tannenwipfel.

Das nenn' ich ein tirolisch Weib!

ETSCHMANN.

Im Reich

Da schnitzten sie aus solcher ein halb Dutzend.

Und weißt du, daß sie wieder heuern will,

Wenn ihre Tochter freit!

HOFER.

Den dritten Mann?

Mit der nähm' ich's nicht auf – doch wer kommt hier?


Quelle:
Karl Immermann: Andreas Hofer der Sandwirt von Passeier. Bielefeld und Leipzig 1912, S. 32-35.
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