9. Brummers Tod

[436] Fürstenzürnen, böses Zürnen!

Königsgrimm, o schlimm Verhängnis!


Brummer brummt und summt und surret

Um die Nase der Gesalbten,

Und schon schwillt, man sieht es deutlich,

Auf der Stirn der Landesmutter

Mählich an die Kollerader.


In dem großen Augenblicke

Sammelt Tulifäntchen schleunig

Alle Geister seiner Klugheit,

Nimmt behend aus seinem Täschlein

Ein erspartes Stückchen Zucker,

Hält es lockend in die Luft hin.

Kaum erschaut der grimm'ge Brummer

Das geliebte, stetsersehnte,

Nie genug geleckte Süße,

Als er durch die Luft, geschwungnen[436]

Kreises naht dem werten Zucker.

Aber Tulifäntchen mutig,

Sichern Blicks im Feldherrnauge,

Zielet mit dem Schwert, und eben

Wie das Ungeheu'r sich heftig

Niederstürzen will zum Zucker,

Stößt er ihm mit festem Stoße

Durch den Magen grad' das Schwert nun,

Daß die Spitze hinten vordrang.

Opfer seiner Leidenschaften

Haucht' der Wütrich in den Hades

Seine Seele, lasterschmutzig;

Und der Held trug die gespießte

Leiche zu den Weibern, Jubel

Hallt' im Marmorsaal, vom Kusse

Der Erfreuten ward der Junkherr

Fast zu Tode dort gedrücket.


Aber jetzt erschien die Kön'gin,

Die Reichsapfeldosenträg'rin,

Und geruhte, sich zu äußern:

»Unsre Stunde war sehr fruchtbar.

Künftig wird, behufs Ersparung

Überflüss'ger Dinte, niemals

Übers i der Punkt gesetzet.

Dies erdachten Wir zum Heile

Treuer Untertanen gnädigst.

Das Gesetz emporzuhalten,

Werden Wir sofort ernennen

Hundertzwanzig Kommissarien

Mit auskömmlichen Diäten.

Eine Flieg' umflog, so dünkt' Uns,

Unserer Person, der heil'gen,

Allerhöchste Riechorgane.

Schon erschraken Wir im Geiste

Selbst vor Unsrem künft'gen Zorne,

Wenn das Untier sollte wagen,[437]

Sei's durch Krabblung oder Kitzlung,

Sei's durch Rennen, Rüsselfühlen,

Unsre Nas' und Ruh' zu schäd'gen.

Denn Wir sind, Wir wissen's, schrecklich,

Stört man Unsre weichen Stunden.

Doch auf einmal stille ward es,

Und wir sannen weiter friedlich.

Hat jemand vielleicht durch kluge

Tücht'ge Tat die Flieg' entscheuchet,

Nenn' er frei sich, denn bekannt ist's,

Daß Wir kein Verdienst im Staate

Lassen ohne Band im Knopfloch.«


Sprach jetzt die Premierminist'rin:

»Dieser tugendhafte Degen,


Kön'gin, ist der Held des Tages.«

Knickste, hob auf ihren Fächer

Tulifäntchen, präsentierte

Ihrer Königin den Helden.


Und das Knie bog Tulifäntchen,

Und der Fliege Leichnam hielt er

Hoch empor am Schwert, dem guten.

»Mögen deines Namens Feinde

All', wie dieser Brummer, enden!«

Sprach er mit gesetztem Mute.


Doch die Kön'gin sagt' in milder

Würd'ger, königlicher Haltung:

»Fremder Ritter, du erwarbest

Großes Recht auf Unsem Dank dir.

Wir erkennen's, Wir beweisen's.

Leb' im Staat von Micromona,

Ausnahmsweis', ein Mann, und dennoch

Hochgeehrt! Der Hof vernehme:

Wer dem Paladine wohltut,

Reicht der Königin die Wohltat.

Mit des Reiches höchstem Orden[438]

Seid Ihr, Held, hiemit bestallet,

Mit dem Orden vom Pantoffel!«


Unbeschreiblich war die Wirkung,

Welche diese Wort' erzeugten.

Tulifäntchen war gerühret,

Grandiose war desgleichen

Sehr gerührt von ihrer Güte.

Alle Kammerdamen weinten,

Laut aufschluchzte die Minist'rin,

Schimmel draußen schwamm in Zähren.

Drauf zur Tafel ging man, speiset'

Mit erhöhtem Appetite.

Abends war die Stadt beleuchtet,

Und in rotem, grünem Feuer

Brannte transparent an hundert

Orten: »Vivat!« und: »Es lebe

Tulifäntchen Fliegentöter!«


So ward groß der Held im Kleinen

An dem Hof von Micromona,

Welches liegt im Reich der Weiber.
[439]

Quelle:
Karl Immermann: Werke. Herausgegeben von Benno von Wiese, Band 1, Frankfurt a.M., Wiesbaden 1971–1977, S. 436-441.
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