3. Ueber einige Pflichten eines Dichters

[82] Verlangst du, daß dein Lied den Ruhm von Deutschlands Witze

Einst vor der Nachwelt Schmach, und jetzt vor Frankreichs schütze:

So sey nie durch das Lob des Pöbels so ergötzt,

Als wenn ein Kluger dich des Tadels würdig schätzt.

Nimm für den Dichtertrieb nicht Leichtigkeit zu Reimen,

An kühnen Einfalls Statt ein Heer von wilden Träumen

Kenn' erst die Dichtkunst recht, eh' ihr dein Fleiß sich weyht.

Wiß', ihrem Werthe gleicht nur ihre Schwierigkeit.

Nicht daß dein schmeichelnd Lob des Reichen Stolz bereimet,

Daß der verletzte Thor bey deinem Lachen schäumet,

Und daß ein Mädchenherz durch deinen Vers zerfließt:

Nicht dadurch zeig' es nur, daß du ein Dichter bist.

Weit über deinen Ruhm wird Nürnbergs Künstler steigen,

Der, tändelt er gleich oft, doch oft kann Nutzen zeigen.

Viel besser ist dein Lied der Arbeit Augsburg's gleich,

Durch äußern Zierrath schön, an innerm Werthe reich.


Der Tugend ernster Blick schreckt unsre leichten Triebe;

Wenn er noch Ehrfurcht wirkt, wirkt er doch keine Liebe.

Und wenn sie in die Hand des trocknen Weisen fällt,

Giebt er ihr einen Putz, der sie noch mehr verstellt.

Doch du bemühe dich, sie prächtig auszuschmücken;

Durch sie befiehlst du uns, sie muß durch dich entzücken.
[82]

Auch ihrer Schwester Reiz ist deiner Lieder werth,

Der dienet keiner recht, der beyde nicht verehrt;

Die Wahrheit, sollten sie nur alle Geister kennen!

Es würden bald für sie auch alle Geister brennen.

Sie kann, wenn du sie schmückst, noch Manchen an sich ziehn,

Dem sie nicht schön genug und viel zu spröde schien,

Und der, wenn ihn der Vers auch nicht zum Leibnitz machet,

Doch die Vernunft gebraucht, und falschen Wahn verlachet.


Von Tugend sey dein Herz, der Geist von Kenntniß voll,

Wofern uns dein Bemühn ergötzend nützen soll,

Und setze mehr dir vor, als ein Poet zu werden:

Sonst kriechst du Lebenslang mit Reimern auf der Erden.

Sieh auf den Boberfeld, den Schul' und Hof erhob;

Der Dichtkunst Vater seyn, das war sein kleinstes Lob.

Geschäfte, Wissenschaft, Erfahrung, Umgang, Reisen,

Die bilden einen Geist, wie wir am Opitz preisen.

Wie kommt's, daß unter ihm der muntre Günther steht?

Weil ihn die Dichtkunst nur, und sonsten nichts erhöht.

Umsonst, daß Dichtergluth in einem Sinne brennet,

Der nicht des Staatsmanns Welt, die Welt des Weisen kennet;

Der von Gedanken leer, nie dem Verstande singt,

Und nur ein leichtes Blut in kurzes Wallen bringt.

Auf's höchste mag sein Spiel ein Mädchen noch ergötzen,

Die wenig g'nug versteht, ihn für gelehrt zu schätzen,

Und einen Augenblick des Putzes Tand vergißt,

Was ernstlichers zu thun, indem sie Verse liest.


Laß dich den Pöbel nicht zur Unvernunft verführen:

Dein Lied muß den Geschmack, nicht der dein Lied regieren.

Sey sanftem Klange hold, doch starkem Ausdruck mehr;

Nur daß das Herze fühlt, ergötze das Gehör.

Schreib', daß dich Die verstehn, die Witz und Dichtkunst kennen;

Wer jedes Carmen liest, den laß dich dunkel nennen.

Dein Scherz sey von der Art, die den Verstand auch rührt,

Dein Ernst sey allemal durch muntern Witz geziert.

Voll Feuer, voll Vernunft, bemüh' dich, daß dein Spielen

Die Schöne denken lehrt, den Philosophen fühlen.[83]

Dir sey der Fremden Kunst, der Alten Geist bekannt;

Dann rühmt der Stutzer dich, und schimpft dich kein Pedant.

Soll dir der Richter Lob wahrhaftig Ehre bringen:

Erschmeichle dir es nicht, du kannst es dir erzwingen.

Auch schreib', von wilder Gluth der Jugend angeflammt,

Kein Werk, das einst vielleicht dein reifrer Geist verdammt.

So bist du Deutschlands Ruhm, und Deutschland wird dich ehren,

Die Donau wird dein Lied so wie die Newa hören.

Und schließen, was du schreibst, nur wenig Bogen ein,

Du wirst doch allemal der größte Dichter seyn.

Verstärkt zeigt sich in der den Deutschen Opitz wieder,

Ein Blatt von dir gilt mehr, als alle Schäferlieder.


Quelle:
Abraham Gotthelf Kästner: Gesammelte poetische und prosaische schönwissenschaftliche Werke, Theil 1 und 2, Teil 2, Berlin 1841, S. 82-84.
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