7. Auftritt.

[12] Großes Zimmer im Schlosse zu Sigeth. Im Hintergrunde zwei Bogenfenster.

Eva und Helene aus der Thüre links.

Helene eilt furchtsam auf die Fenster zu und schaut hinunter.


EVA.

Was ängstigt dich? Was hast du, liebe Tochter?

HELENE.

Ach, gute Mutter! böse, böse Ahnung!

Weiß ich's denn selbst? – Mir ist so ängstlich hier –

Ein Wetter ist im Anzug über uns. –

Sieh nur, die stille Burg ist wie verwandelt,

An jeder Ecke steht ein kleiner Haufen,

In großer Spannung ist das Volk. Die Führer

Durchschwärmen laut das ganze Schloß. Ach Gott!

Was wird das geben?

EVA.

Tröste dich, mein Kind!

Ein kleiner Streifzug, weiter nichts, gewiß.

Wir sind an diese Dinge ja gewöhnt.

HELENE.

Nein, teure Mutter, nein, hier gilt es mehr! –

Den Lorenz fand ich atemlos im Saale,

Er kam bestaubt den Wendelstieg herauf.

Du weißt es, Mutter, wie er mit Entzücken

Mir stets entgegentritt, manch süßes Wort

Von seiner Liebe, seiner Hoffnung plaudert;

Heut stürmt' er grüßend nur an mir vorbei,

Und als ich nachrief: »Juranitsch! Was ist dir?«

So winkt' er mir: »Es gilt den Dienst, vergib mir!

Mein Herz ist dein, die Zeit verlangt der Kaiser.«

Und drauf verschwand er in des Vaters Thür.

Und wie ich jetzt durchs Kammerfenster schaute,

Warf er sich eben wieder auf das Roß

Und jagte wie die Windsbraut aus dem Schlosse.

EVA.

Macht dich das ängstlich? Mädchen, sieh mich an!

Du bist in dem Getümmel aufgewachsen

Und warst ja sonst nicht also scheuer Art! –

Helene, du wirst rot –

HELENE ihr in die Arme fallend.

Ach, gute, liebe Mutter!

EVA.

Nun, Kind, du brauchst nicht zu erröten. Liebe

Zu einem Heldenjüngling ehrt die Jungfrau.

Die stillen Knospen, die die zarte Brust

In ihres Frühlings Träumen noch verborgen,

Die brechen wunderherrlich auf zur Blüte,

Wenn, längst verkündet durch der Sehnsucht Dämmern,[13]

Die Sonne in der Seele tagt und Liebe

Die zugeschloßnen Kelche aufgeküßt.

HELENE.

Du bist so gut!

EVA.

Und sollt' ich's denn nicht sein?

Du ahnest nicht, wie es mich glücklich macht,

Des eignen Frühlings längst verträumte Freude

Verjüngt zu sehn in meiner Tochter Glück,

Der ersten Liebe heimlich still Erwachen,

Des düstern Lebens einz'gen Sommertag

In dir zum zweitenmale zu begrüßen!

Ach, diese Zeit kehrt uns nur so zurück,

Nur in der Kinder Glück kehrt sie uns wieder!

HELENE.

Weiß denn der Vater? –

EVA.

Er vermutet's wohl,

Denn keine Meister seid ihr im Verstellen;

Der kleinste Zwang wird ja der Liebe schwer.

HELENE.

Hat er gescholten?

EVA.

Würd' ich dann so ruhig,

So heiter mit dir sprechen, liebes Kind?

»Ich suche mir den Eidam« – sprach er einst –

»Ungern unter den Fürsten dieses Landes;

Aus seinen Helden wähl' ich mir ihn aus.«

Und Juranitsch steht hoch in seiner Liebe.

HELENE.

Ach, Mutter! Mutter! ach, wie glücklich, ach,

Wie selig machst du heute deine Tochter!

Wohl ist's ein köstliches Gefühl, die Liebe;

Ich schaudre oft vor all dem Glück zurück;

Doch, ohne Vater-, ohne Muttersegen

Versöhnt kein Frieden diesen wilden Sturm.

Mild muß die Sonne sein, wo Blüten reifen,

Der Tau muß perlen, und der Zephyr wehn;

Doch, wo der Tag heißflammend niederglüht,

Versiegt der Quell, und gift'ge Winde brausen

Zerstörend über die versengte Flur.

EVA.

Da kommt der Vater, sieh!

HELENE.

Gott sei gedankt!

Er scheint mir ruhig.

EVA.

Sahst du ihn je anders?


Quelle:
Theodor Körner: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Stuttgart [o.J.], S. 12-14.
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