1. Auftritt.

[19] Eva und Helene.


EVA.

Wie ist dir, liebe Tochter?

HELENE.

Besser.

EVA.

Kind,

Du hast uns sehr geängstigt. Selbst der Vater,

Der sonst so ruhige, gefaßte Mann,

Er fuhr zusammen, als der teure Liebling

Ihm bleich und zitternd in die Arme sank.

Gottlob! noch färbt die Röte deine Wangen.

Es drängte nur des Augenblickes Schmerz

Die frische Kraft der Jugendfülle nieder.

HELENE.

Ach, Mutter! wie er mir den flücht'gen Abschied

Mit dem gezognen Säbel zugewinkt –

Es ist der letzte Gruß, rief's mir, der letzte!

Dort draußen lauert der Verrat auf ihn,

Dort draußen ist der Liebe Tod bereitet!

Da zuckt' es mir versengend durch die Brust,[19]

Das Auge brach, des Herzens Pulse stockten,

Wie Traum des Todes kam es über mich.

EVA.

Du mußt das weiche Herz bezwingen lernen,

Wenn dich als eine würd'ge Heldenbraut

Nach dieses Lebens raschem Kranz gelüstet. –

Wohl manche Freuden fühlt des Mannes Weib.

Der ruhig in der wohlerworbnen Hütte

Der stillen Tage gleiche Ketten wirkt.

Wenn sich die Scheuern und die Schränke füllen.

Wenn das Geschäft die saure Mühe lohnt

Und, mit dem Kiel der Schiffe hergetragen,

Das Glück auf die geschmückte Schwelle tritt:

Dann freut sie sich der reichbedankten Arbeit,

Und in dem Auge des zufriednen Gatten

Und auf der Kinder munterm Angesicht,

Die an den bunten Gaben sich ergötzen,

Blüht ihr das Leben still und heiter auf;

Der ruhige Genuß versöhnt das Schicksal. –

Doch anders ist es in des Weibes Brust,

Die ihrer Liebe zarte Epheuranke

Um eine kühne Heldeneiche webt.

Den Augenblick, den günst'gen, muß sie fassen,

Muß ihn festhalten wie ihr letztes Gut;

Es schwebt ihr Leben zwischen Gluck und Jammer

Und Höllenqual und Himmelseligkeit.

Wenn sich der Held für seines Landes Freiheit

Verwegen aus dem Arm der Liebe reißt,

Die kühne Brust dem Mordstahl anzubieten,

Da muß sie Gott und seiner Kraft vertraun

Und seine Ehre lieben als sein Leben;

Denn wie den andern Sklaven der Natur

Der Atemzug des Daseins Fordrung ist,

So, Mädchen, ist's dem Manne seine Ehre;

Und wenn du deinen Heldenjüngling liebst

Als Heldenbraut, wie's Zrinys Tochter zukommt,

So ist es nicht sein jugendliches Antlitz,

Nicht seiner Stimme schmeichelnde Gewalt,

Die mit der Liebe Netzen dich umstrickte:

Du liebst den graden Sinn, die Kraft, den Ruhm

Und seines Namens unbefleckte Ehre.

HELENE.

Ach, sei nachsichtig mit dem armen Mädchen,

Das ihrer Seele schwärmendes Gefühl

Noch nicht gelernt in fremde Form zu drücken,

Wohl deinen mütterlichen Rat begreift,

Doch nicht den Mut besitzt, zu dir hinauf[20]

Die zagenden Gedanken hinzuwünschen. –

Vergib mir, Mutter, wenn ich dir's gestehe:

Oft träum' ich mir, es wäre doch so schön,

Könnt' ich in eines stillen Thales Frieden

Der Stunden ewig gleiche Kettentänze

An seiner Brust vorüberrauschen sehn. –

Ich soll den Mut, die Kraft an ihm nur lieben,

Die sich verwegen ins Verderben stürzt?

Nein, Mutter, nein, ich liebe nur die Liebe,

Die aus der Lippen flüsterndem Gesang,

Die aus der Augen Thränen widerleuchtet;

Ihn in der Liebe und in ihm die Liebe!

Das schwankt und zittert wie der Winde Hauch

Und wiegt im ew'gen Wechsel meine Seele.

EVA.

So war mir's auch. Der Liebe erster Ruf

Ergreift die Mädchenseele mädchenhaft,

Wie sie den Jüngling jugendlich begeistert,

Daß er nach Kampf und kühner That verlangt;

Doch wenn der Liebe heilig stilles Wirken

Die Geister, die getrennt in fremder Welt

Nach unbekannten Zielen hingeflogen,

Zu innigem Gespräche sanft gewöhnt,

Daß sich die Seelen nach und nach erwählen,

Austauschend in dem einzigen Gedanken

Gefühl, Empfindung, Sehnsucht, Religion,

Und was sie sonst geahnet und geschlummert:

Dann tritt die Liebe wunderherrlich auf

Und führt zwei neue Menschen in das Leben.

Der Jüngling, der von seines Mädchens Lippe

Der Anmut zarten Seelenfrieden trank,

Sieht seines Mutes Wellensturm geregelt,

Der Sehnsucht Labyrinthe aufgedeckt,

Und jene Kraft, die ihn hinausgeschleudert

Aus aller Bahnen Gleise, wiegt bekämpft

Sein heitres Leben jetzt auf sanften Wellen

Und schaukelt ihn dem sichern Hafen zu.

Die Jungfrau aber fühlt die zarte Seele

Vom Kuß der Liebe wunderer entzückt.

Ein klarer Mut, ein freudiges Vertrauen,

Der kühnen Hoffnung schwärmende Gefühle,

Sie ziehen freudig in dem Herzen ein

Und flechten ihre lochten Strahlenkränze

Mit treuer Brust um die beglückte Braut.

So, wie du jetzt fühlst, hab' auch ich empfunden

Doch dieser Sonnenklarheit schönre Zeit[21]

Wird bald in deiner Brust sich offenbaren,

Dann halt sie fest, dann magst du sie bewahren.

HELENE fällt ihr in die Arme.

O meine Mutter!

EVA.

Gute, liebe Tochter! –

Es gibt doch Schönres nichts auf dieser Welt,

Als wenn in süß vertrauendem Entzücken,

Lichtperlen der Begeistrung in den Blicken,

Das Kind der Mutter in die Arme fällt!


Quelle:
Theodor Körner: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Stuttgart [o.J.], S. 19-22.
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