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[58] Kellergewölbe in Sigeth.
Scherenk führt Eva und Helene in Hauskleidern die Stiege herab.
SCHERENK.
Folgt mir, verehrte Gräfin! Eure Hand,
Mein gnäd'ges Fräulein!
HELENE.
Hier!
SCHERENK.
Der Weg ist steil,
Doch nur zwei Stufen noch, gleich sind wir unten.
EVA.
Was macht mein Mann?
SCHERENK.
Ich ließ ihn auf dem Walle,
Recht frisch und stark, auf neuen Sturm gefaßt;
Denn viel Bewegung war im türk'schen Lager.
Der Hauptmann Juranitsch, er stand am Thor
Und half den alten Koromsez verbinden,
Rief mir viel Grüße nach ans gnäd'ge Fräulein:
Er sei frisch aus, dem Grafen dank' er 's Leben,
Doch hab' er schon die Schuld zurückbezahlt.
HELENE.
Ach, immer stürmt er in den Kreis des Todes!
Wagt er nur sich? Ach, was er wagt, ist mein;
Der Pfeil, der ihn durchbohrt, trifft unsre Liebe!
EVA.
Was jammerst du? Was träumst du dir, Helene?
Vergiß nicht, wo wir sind und was wir sollen;
Der Augenblick, der künft'ge, gilt nicht mehr,
Wir haben unsre Rechnung abgeschlossen,
Wir wandern aus nach einem fremden Land;
Das Haus, das wir bewohnten, steht verlassen,
Die Thüren und die Fenster sind gesperrt.
Wir sitzen vor dem Thore, still erwartend,
Daß uns ein Führer komme, der den Weg
Hinauf uns weise zu der neuen Heimat.[58]
Im Garten steht noch vieler Blüten Strauß,
Die wir in schönern Tagen aufgezogen.
Laß sie uns pflücken, drück' das letzte Glück,
Was uns in diesem niedern Thal geblieben,
Mit dankbarer Erinnrung an die Brust;
In ihren Balsam tauche deine Seele,
Dann wirf sie hin und scheide unbetrübt!
HELENE.
Ach, Mutter! Mutter, gib mir diese Ruhe
Und diese Heiterkeit am Grabesrande!
Hauch' deine Seele in die schwache Brust!
Groß dacht' ich mir den Schuldbrief an das Schicksal,
Vom reichsten Erdenglück hat mir geträumt,
Und mit der Liebe meines Heldenjünglings
Ging kaum die Sonne meines Lebens auf,
Und in dem reichen Frühling wollt' ich schwärmen,
In Morgenklarheit wiegte sich die Brust –
Da kommt der Sturm, der Eichen niederschmettert,
Er hat auch meine Kränze mir entblättert!
EVA.
Fasse dich, Mädchen! Wenn der Vater kommt,
Verbirg ihm das verweinte Auge, hörst du?
Das Schicksal hat ihm Großes aufgespart,
Das Vaterland verlangt das Ungeheure;
Er muß es bringen, mach's ihm schwerer nicht,
Er muß es bringen, und er wird es bringen. –
Scherenk, sag' mir, was deinen Herrn bewog,
In diese Keller uns herabzusenden?
Hielt er's nicht sicher mehr für uns im Schloß?
SCHERENK.
Die Türken warfen Feuer in die Festung,
Auch haben sie jetzt ihr gesamt Geschütz
Grad' auf des Schlosses Zimmer her gerichtet,
Daß es nicht sicher über Tage war.
Hier unten aber mögt ihr ruhig schlummern;
Denn das Gewölb ist stark und fest gebaut,
Und was die Notdurft heischt an Wein und Nahrung
Und häuslichem Gerät, wurd' nicht vergessen;
Ist es auch wenig, ist's für euch genug,
Der schmalen Kost seid ihr ja bald enthoben;
Mir ahnet's immer, Rettung sei nicht fern, –
Denkt an den alten Scherenk, gnäd'ge Gräfin.
Er geht in den Hintergrund.
HELENE.
Du guter Alter! Träume, wie du willst,
Laß deine Hoffnung neue Blüten tragen
Und häufe ihre Kränze um dich her.
Du willst das Grab mit ihrem Duft umhüllen:
Vergebne Müh! Es dämmert schweigend durch,[59]
Das schwarze Kreuz tritt auf zerrißne Kränze
Und hebt sich aus dem Blütentod empor.
EVA.
Nicht auf zerrißne Kränze, nicht auf Blütentod;
Nein, Mädchen! Jeder reine Kranz des Lebens
Hängt sich als ew'ge Krone auf das Kreuz,
Und jede Blüte duftet ew'gen Frühling
Dem Abgeschiednen von dem Rasenhügel
In einklangsvollem Strahlendufte nach. –
Laß ihm die frohen Träume, laß ihn hoffen!
Er ist uns zugethan aus alter Zeit,
Schwer wird es ihm, uns so verloren geben,
Drum hält er noch den letzten Schatten fest.
Er sieht nur Tod, sieht nur den Untergang,
Wo schönrer Sieg und schönres Leben leuchtet.
HELENE.
Ich fühle diesen Sieg, ich fühl' ihn wohl
Und nenn' mich ohn' Erröten deine Tochter!
Doch frohen Mutes blick' ich nicht zurück;
Ach, ungenügsam ist mein heißes Sehnen.
Hätt' ich wie du des Erdenlebens Kranz
In lichtem Schmuck mir durch das Haar geflochten,
Jetzt nach der Palme griff ich froh wie du;
Doch, erst in meines Lebens jüngstem Morgen,
Brach ich mir wenig Blüten nur zum Kranz,
Und die ich brach, sie hingen all voll Thränen,
Noch war der Tau vom Tag nicht weggeküßt.
Sprich selbst, das Leben flicht doch reiche Kränze,
Mir hat es oft im Schimmer deines Blicks,
In deiner Augen Thränenglanz geleuchtet,
Wie schön das Leben und wie süß es sei!
Ach, Mutter, und für mich blühn keine Kränze! –
EVA.
Still, liebes, gutes Kind! Ich hör' den Vater.
O, trockne deine Thräne, daß ihm nicht
Das feuchte Auge deinen Schmerz verrate. –
Glaub' mir, oft waren Dornen mit im Kranz,
Oft kam die schönste Knospe nicht zur Blüte,
Und wenn sie kam, so war sie schnell verwelkt.
SCHERENK.
Der Graf, der Graf!
EVA.
Komm, Mädchen, ihm entgegen!
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