Siebente Szene.

[41] Vorige. Martin Bull.


MARTIN tritt ein und gafft mit offenem Munde die Verzierungen des Saales an. Ah! –

CHRISTOPH steht an der Tür und somit neben dem Eintretenden.

MARTIN sich auf die andere Seite wendend. Ah!

CHRISTOPH. Nun wer A sagt, muß auch B sagen; dort ist der gnädige Herr, sprecht mit ihm! Deutet auf Robert.

MARTIN sieht Robert an, geht einige Schritte näher, wendet sich dann halb gegen Christoph, mit dem Kopfe beifällig nickend. Ah!

ROBERT hat sich indessen gesetzt und winkt Martin vorzutreten. Nun, mein lieber Alter, was führt Euch zu mir?

MARTIN. O Gott! »Lieber Alter.« Sich zu Christoph wendend. Lieber Alter – haben S' es gehört, daß so ein vornehmer Herr mit unser ein'm gar so familiär und niederträchtig redt, das macht ein'm 's Herz ordentlich butterweich. – Zu Robert. O mein lieber, lieber gnädiger Herr! Sie sind doch einmal ein guter Mensch – und das tut ein'm so wohl – o mein, o mein! Die Leut' sein alle gar so bös.

ROBERT. Wer hat Euch denn gar so böse behandelt?

MARTIN. Alle, gnädiger Herr, alle! – Schaun S', Euer Gnaden, ich bin eigentlich ein g'lernter Tischler – bin der einzige im ganzen Ort, aber ich kann mir nichts verdienen.

ROBERT. Wie kömmt das?

MARTIN. Weil die Leut' gar so bös sein. – Schaun Euer Gnaden, da ist d'roben der Holzhandler,[42] der hat mir anfangs, gleich wie ich ins Dorf kommen bin – 's nötige Holz auf Puff geben – ich weiß nit, ob so ein vornehmer Herr versteht, was »auf Puff nehmen« is.

CHRISTOPH. Seid unbesorgt, Alter; das »auf Puff nehmen« verstehen mitunter auch sehr vornehme Leute. –

MARTIN. Na, alsdann – der Holzhandler hat mir also 's Holz auf Puff geben und i hab' fleißi g'arbeit' – o Gott! Wieviel Holz hat der an mich abg'setzt – er hat gar keine bessere Kundschaft g'habt; – aber der undankbare Kerl kommt auf einmal und fragt mich, was 's denn mit'n Zahl'n wär'? – Wissen Euer Gnaden! Ich war ihm schon 50 fl. schuldig – und 50 fl. von einem Handwerker zu begehren, das ist doch g'wiß nit schön!

ROBERT. Wollte er denn ganzen Betrag auf einmal?

MARTIN. Ah na! So pfiffig war er schon; – teilweis, hat er g'sagt, sollt' ich ihm's zahl'n – so 5 fl.-weis – aber so g'scheit bin ich auch, daß 10 Mal 5 fl. auch 50 fl. sein, und 50 fl. kann ich nit entbehr'n und darum hab' ich ihm's a nit zahl'n können –

ROBERT. Nun, was tat er?

MARTIN. Er hat mir nix mehr geb'n; sehn S', so böse Leut gibt's.

ROBERT. Nun, was habt Ihr darauf gemacht?

MARTIN. Nix mehr hab' ich machen können – ich war a g'schlagener Mann. Und die andern Leut' hab'n mich auch so bös behandelt; – da ist die Gemeind'wirtin – bei der is auch was auf der Tafel g'standen und sie hat g'wußt, daß[43] ich mir nichts mehr verdien', daß ich nit bezahl'n kann; – da laßt mir die Person nichts mehr einschenken – kein Pfiff Wein mehr. – O das Weib is a Bisgurn! – Und der Herr Amtmann – man soll zwar über seine Obrigkeit nit schimpfen, aber der Mann weiß a nit, was Armut ist – das is a böser – böser Mann! –

ROBERT. Was hat Euch denn der Amtmann getan?

MARTIN. Weil ich den Zins für meine Hütten nit zahl'n kann – schon seit drei Jahren peinigt er mich darum – hat er mir jetzt aufg'sagt, Euer Gnaden, was sagen Sie dazu?

ROBERT aufstehend. Ich sage, daß Euer Unglück mir durchaus nicht unverschuldet erscheint. Ihr scheint ein liederlicher Patron zu sein. Ich sehe übrigens ein, daß Ihr in der gegenwärtigen Lage Euch nicht aufhelfen könnt –

MARTIN. Na, das g'freut mich, daß Euer Gnaden doch noch die Einsicht haben.

ROBERT. Ich will also einen Versuch machen, ich will Euch aufhelfen.

MARTIN. Na, dös is a Red'! –

ROBERT. Der Zins soll Euch geschenkt sein.

MARTIN die Achsel zuckend. Na, das wär' schon all's eins; zahlt hätt' ich ihn eh' nit. –

ROBERT. Ich will Eure Werkstatt mit dem Nötigen versehen lassen; – Ihr sollt Holz bekommen.

MARTIN. Du lieber Himmel! Mit'n Holz allein ist's nit g'holfen; – ich brauch' Spän. Mit der Pantomime des Geldzählens.

ROBERT. Und zum neuen Betriebe des Geschäfts – sollt Ihr auch 50 fl. erhalten. Ich will Euch auch Arbeit verschaffen.[44]

MARTIN. O ich bitt', Euer Gnaden, bemühen Sie sich nicht zu viel – wegen der Arbeit ist's nicht so dringend.

ROBERT. Aber ich werde mich nach Eurem Tun und Treiben oft erkundigen; ich will sehen, ob Ihr Euch meiner Wohltat wert zeigt.

MARTIN. Sie sollen sehen, ich werde ein neuer Mensch!

CHRISTOPH. Tut das! – Und wißt Ihr was? Nehmt vorzüglich an der Wirtin Rache.

MARTIN. Rache? Ja, das tät' ich schon gern; aber wie denn?

CHRISTOPH. Indem Ihr gar nicht mehr ins Wirtshaus geht.

MARTIN sieht ihn lange an. Gar nicht mehr?! Nein, die Rache wäre zu rachsüchtig, – dazu bin ich zu viel guter Kerl; na – das tu' ich nicht! –

ROBERT lachend. Na, geht – geht nun!

MARTIN. Ich küss' die Hand, Euer Gnaden! Geht, bleibt aber wieder stehen. Euer Gnaden, – haben S' die 50 fl. vielleicht g'rad' bei Ihnen?

ROBERT zu Christoph. Gib ihm das Geld!

CHRISTOPH zieht die Brieftasche heraus und gibt Martin eine Banknote. Hier!

MARTIN. So! Jetzt bin ich ruhig! Küss' die Hand! Die Banknote betrachtend, für sich. Fünfzig Gulden – 's ist auch noch nicht das Wahre; – aber 's ist doch was! Hätt' mir aber schon mehr vermut't, hätt' mir mehr vermut't! Ab.

ROBERT. Jetzt lasse die übrigen vor!


Christoph öffnet die Tür.


Quelle:
Friedrich Kaiser: Ausgewählte Werke. Band 1, Wien, Teschen, Leipzig [1913], S. 41-45.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Das Leiden eines Knaben

Das Leiden eines Knaben

Julian, ein schöner Knabe ohne Geist, wird nach dem Tod seiner Mutter von seinem Vater in eine Jesuitenschule geschickt, wo er den Demütigungen des Pater Le Tellier hilflos ausgeliefert ist und schließlich an den Folgen unmäßiger Körperstrafen zugrunde geht.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon