|
Was kann ich tun, um meinen Augen
Erinnrung zu entziehn? Warst du doch nah;
Erst eine Stunde ging, seit ich dich sah,
Mit durstigem Blick dein Bildnis aufzusaugen.
Berührung hat Gedächtnis! Lieb, o sage,
Wie kann ich das ertöten?
Wie rett ich mich aus diesen tiefen Nöten,
Daß ich in aller Freiheit wieder rage?
Wenn jeder Schönen, die ich sah, mein Fang
Geschickt gelang,
So riß doch bald die schlechtgewebte Schlinge,
Und ich entsprang!
Ob dürftige, ob farbenbunte Dinge –
Ich fühlte meiner Muse Flügel,
Ich hielt die Zügel!
Und stets war ihre Kraft bereit
Sich meinem Wunsch zu schenken,
Der ohne nachzudenken
Doch thronte in erhabner Göttlichkeit.
In Göttlichkeit! – Der Vogel, den sein Flug
Hintanzend über Meeresrauschen trug,
Wird er im heitren Steigen, Neigen, Senken –
Ein Philosoph – an Ziel und Absicht denken?
Wie soll ich tun,
Von neuem nun.
Verlorne Federn wiederzuempfangen,
Empor, empor,
Bis drunten Amors Flattern sich verlor,
In ewigreinen Äther zu gelangen? –
Berausche dich in Wein! –
Das ist gemein,
Ist Sünde, Ketzerei,[99]
Die das Gesetz der Liebe schmählich schändet.
Nein, – nur den Frohen macht das Trinken frei,
Doch mir ist Leid gesendet! –
Wie soll ich wissen, wo mein Friede sei?
Und wie mich stählen, jenem grausigen Lande,
Dem Kerker meiner Freude, fern zu bleiben:
Dem eklen Strande,
An dem sie scheiterten und haltlos treiben;
Der fürchterlichen Welt, wo trübe Flüsse
Die schmutzigen Wellen an die Ufer spülen
Und nie die Nähe heitrer Götter fühlen –
Wo rauher Wind beeiste Ruten schwingt
Und Geißelhiebe bringt
Und wilden Schmerz als einzige Genüsse –
Wo blind und schwarz erfrorne Wälder ragen,
Dryaden schreckend –, wo verdorrtes Gras,
Des dürren Ochsen widerlicher Fraß,
Die Wiesen deckt, die keine Blumen tragen –
Wo niemals lockt ein lieber Vogelruf:
Dem Land, das die Natur im Zorn erschuf!
O daß ein Wunder käme!
Daß Sonne diese Höllenschatten nähme!
Sie müssen fort! – Bei Tages Dämmerschein
Ist meine Dame mein!
O meiner Seele Lust:
Noch einmal ruhn auf dieser süßen Brust!
Noch einmal meine Arme fühlen lassen,
Daß sie als Kerkermeister dich umfassen!
Noch einmal mich an deinen Atem drängen,
Daß seine Düfte in mein Haar sich hängen!
Du tiefe Süße solcher Qual –
O küß mich noch einmal!
Genug! genug! Es ist genug für mich:
Find ich im Traume dich!
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Auswahl)
|
Buchempfehlung
Pan Tadeusz erzählt die Geschichte des Dorfes Soplicowo im 1811 zwischen Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen. Im Streit um ein Schloß verfeinden sich zwei Adelsgeschlechter und Pan Tadeusz verliebt sich in Zosia. Das Nationalepos von Pan Tadeusz ist Pflichtlektüre in Polens Schulen und gilt nach der Bibel noch heute als meistgelesenes Buch.
266 Seiten, 14.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro