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[381] Ein Meister bin ich worden,

Zu weben Gram und Leid;

Ich webe Tag und Nächte

Am schweren Trauerkleid.


Ich schlepp es auf der Straße

Mühselig und bestaubt;

Ich trag von spitzen Dornen

Ein Kränzlein auf dem Haupt


Die Sonne steht am Himmel,

Sie sieht es und sie lacht:

Was geht da für ein Zwerglein

In einer Königstracht?


Ich lege Kron und Mantel

Beschämt am Wege hin

Und muß nun ohne Trauer

Und ohne Freuden ziehn!

Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 381.
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