14. Sibylla

[207] Die alten Jungfern bleichen

Ihr Tuch am Sternenschein,

Da wird dann ohnegleichen

Das Linnen zart und rein.


Bei Tage an der Sonnen

Tut's fast den Augen weh;

Im Himmel wird's gesponnen,

Das ist der weiße Schnee.


Und Wiese, Feld und Garten

Hast du schon vollgespannt?

Willst du so bald erwarten

Des Bräutigames Hand,


Der an der Kirchenpforte

Dich sanft vorüber trägt,

Mit kühlem Liebesworte

Dich in die Erde legt?


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 207-208.
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