Einst
An meine Mutter

[147] Ich wünsche Dir alles Gute,

Und wünsche Dir alles Glück!

Des Schicksals eiserne Rute,

Sie weiche vor Dir zurück!


Ich wünsche Dir schöne Träume,

Und schönere Wirklichkeit,

Und üppige Blütenbäume

Und stete Fröhlichkeit.


Ich wünsche Dir ein Jahrhundert,

Und Frische der Jugend dabei,

Damit sich ein Jeder verwundert,

Wie rüstig die Edle sei!


Doch was für mich ersehne,

Das ratest Du alsobald:

Mein Ohr vernehme Deine Töne,

So lang' ihm noch etwas schallt!


So lange es fähig zu hören! –

Mein Auge, so lange es sieht –

Sie mögen Dich sehen und hören!

Mein Herz, das für Dich erglüht!
[148]

Es möge Dich wonniglich fühlen,

Bevor es von hinnen zieht!

Dann scheid' ich mit Dankesgefühlen

Mit einem zufriedenen Lied!


Quelle:
Friederike Kempner: Gedichte. Berlin 81903, S. CXLVII147-CXLIX149.
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