[214] Die Nichte meiner Mutter, die Gattin des Sekretärs Hauff, der dazumal zu Stuttgart seinen Wohnsitz hatte, kam in dieser Zeit oft in unser Haus, um ihrem auf dem Asperg gefangenen Gatten näher zu sein; auch hatte sie eine Freundin in Ludwigsburg, die gutmütig und entschlossen genug war, ihr Briefe an ihren Mann auf der Feste zu besorgen. Diese Freundin kleidete sich in Magdkleider,[214] brachte die Briefe in ein Gefäß mit doppeltem Boden, in dem man den Gefangenen, was erlaubt war, gekochtes Obst, Gelee usw. zusandte, das sie zu Fuß dann auf die Feste trug und gut an Mann brachte.
Diese Person war die Schwester des berühmten Philosophen Hegel, damals als Gouvernantin bei dem Landvogte Grafen von Berlichingen in Ludwigsburg angestellt. Sie war schon eine ziemlich bejahrte Jungfer, ungemein mager, bleich, mit glänzenden Augen und großer Lebendigkeit, so wie von ausnehmender Güte.
Ihre Gefälligkeit kam auch in anderer Weise oft auf die Probe, häufig dadurch, daß sie die eiserne Hand des alten Götz von Berlichingen unter ihrer Verwahrung hatte, die bald in jenes, bald in dieses Haus, zur Betrachtung für Einheimische und Fremde gewünscht wurde, und die sie immer gefällig selbst brachte und erklärte.
Die Arme aber verfiel nach und nach in Geisteskrankheit und bekam die fixe Idee: sie sei ein Päckchen, das man auf der Post verschicken wolle, welcher Gedanke des Verschicktwerdens sie immer in die größte Unruhe und Verzweiflung versetzte. Näherte sich ihr ein fremder Mensch, so fing sie an zu zittern, denn sie befürchtete, der komme sie mit Bindfaden zu umwickeln, zu versiegeln und auf die Post zu tragen. Diese Angst steigerte sich in ihr bis zur höchsten Schwermut, in welcher sie einen freiwilligen Tod in den Fluten der Nagold fand.
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