2.

[211] Soll ich dein Sterben nicht beweinen?

Mein krankes Herz der Kummer bricht,

Ich sterbe, und mit dir vereinen

Wird mich der Tod, der frühe, nicht.


Du wurdest reif hier, ganz vollendet,

Du bist ein Sel'ger aufgeschwebt,

Indes, wenn jetzt mein Leben endet,

Mein Geist noch an dem Staube klebt.


Du gingst zur Heimat lichter Geister,

Los aller irdischen Natur.

Du wurdest hier im Glauben Meister,

Ich aber blieb ein Jünger nur.[211]


Ich hebe flehend meine Hände

Zu dir, o Bruderherz! nun hin,

Bitt' Gott, daß er verschieb' mein Ende,

Bis daß wie du gereift ich bin.


Bis daß auch mir der Tod wird Wonne

Und ich aufflieg', ein sel'ger Strahl,

Du Bruderherz! in deine Sonne,

Mit dir zu leben noch einmal.

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 211-212.
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