Fünfte Vorstellung.

[133] »Du Hund,« dacht' ich, »jetzt lern' ich dich erst recht kennen!« Ich ließ ihn aber fortschwatzen, ob ich gleich bemerkte, daß zwei Schmiedknechte, die in einer Ecke der Wirtsstube saßen, sein Gerede behorcht und sich hinter ihn gestellt hatten.

»Hör' Er,« fing einer der Schmiedknechte an, »was Er da gesagt, scheint auf uns zu gehen?«

»Nein! ganz und gar nicht,« sprach der Deklamator, »meine Herren! – ich – –«

Er sah jetzt nicht bleich oder weiß wie gewöhnlich aus, sondern schwarz vor Angst.

»Er ist ein Roß!« schrie der eine Schmiedknecht, »weiß Er's!«

»Beschlagen wir ihn!« sagte der zweite Schmiedknecht. »Kamerad! frisch auf ans Werk!« sprach der erste. Da faßten sie den weißen Mann bei Kopf und bei Fuß und trugen ihn zur Türe hinaus, einer nahen Schmiede zu, während er ihnen, um sie, wie einst Arion seine Mörder, zu rühren, den Eisenhammer vordeklamierte.

Alle Anwesenden sahen dem Spuk mit vielem Gelächter durch die Fenster zu, und der Wirt erzählte, wie der weiße Mann Perückenmacher in dieser Stadt gewesen, wie er aber beim Anblick der ersten Titusköpfe vor Schrecken eine Hirnlähmung erhalten und sich nun auf das Deklamieren und Rezensieren lege.

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 133.
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