[73] Durch die schönen Gänge von Linden- und Kastanienbäumen führte uns der Weg in die Stadt Grasburg ein.
Totenstille herrschte, die nur von dem Gesumse der Bienen um die Blüten der Bäume unterbrochen wurde. Lange, weite Straßen eröffneten sich, sie wurden durch niedliche, gelbgefärbte Häuser gebildet.
Am Ende einer so langen Straße schwebte eine weiße Figur vorüber. »Das ist«, sprach der Mühlknecht, »der Perückenmacher der Stadt.«
An den Häusern sproßte hohes Gras auf, Schmetterlinge, Goldvögel und Maienkäfer durchflogen die sonnenhellen Straßen und setzten sich bald auf die Dächer der Häuser, bald auf dies Stadtgras, welches wunderlich anzusehen war.
»Wenn wir uns nur eine Stunde Zeit nehmen wollten,« sprach der Mühlknecht, »so könnten wir vielleicht einen der Einwohner dieser Stadt zu Gesichte bekommen! Seht! dort weit an dem letzten Hause bewegt sich schon etwas!«
Ich setzte die Brille auf; der Einwohner kam näher. Ich ersah in ihm eine ungemein dicke Maschine, deren mühsames Atemholen rings die Stadtgräser legte und die fernsten Goldvögel aus ihren Blumenstengeln aufjagte.[73]
»Das ist der Bronnenmacher dieser Stadt«, sprach der Mühlknecht.
Der Bronnenmacher hielt, frischen Atem zu schöpfen, inne, zog ein Papier aus dem Sacke, worein eine gebratene Gans gewickelt war, biß zur Erholung die zwei Schlegel von ihr ab und bewegte sich weiter.
»Dieser Einwohner,« sprach der Mühlknecht, »der in der Tat ein Mensch ist, pflegt gewöhnlich in seinem Speisehause für sieben Freunde ein Mittagessen zu bestellen, kommt aber jedesmal ohne die Freunde und speist acht Portionen allein auf.«
»Seht!« sprach der Mühlknecht, »da kömmt wieder einer!« Da kam ein dürrer, langer, aber ganz steifer Mann, mit einer Frisur wie von Porzellan und einer gar eleganten Kleidung die Straße geradeaus geschossen.
Ich betrachtete ihn näher. Derselbe Mann hatte den Kopf so aufrecht stehen, daß das Kinn ob den Augen stand; den rechten Arm hatte er auf die Lenden gestützt und eine Peitsche in derselben Hand; mit dem linken, mehr gebogenen Arme aber machte er eine Bewegung, wie wenn er an etwas zöge, auch hatte er Stiefel und Sporen an und sprach während des Gehens immer vor sich hin: »Blaufuchs, fort! fort!« indem er die Peitsche nach hinten bewegte.
»Dieser Mann ist«, sprach der Mühlknecht, »ein gar großer Pferdeliebhaber; da er aber durch seine Liebschaft um sein Vermögen kam und kein Pferd mehr zu halten imstande ist, so reitet er dennoch, wie er sonst zu tun pflegte, alle Tage ganz im Ernst ohne Pferd durch die Stadt.«
Wir standen noch eine halbe Stunde; es kam kein Mensch, außer, daß hie und da am Ende einer so langen Straße ein kleines Figürchen halb im Horizonte verloren vorüberschwebte.