An die Freunde.

(1834.)

Das sind die Schatten aus der Jugend Tagen!

O wollet sie mit alter Lieb' empfangen!

Wenn meine Lieder euch meist tönten Klagen:

So sind hier Scherze; – doch auch die entsprangen

Nur tiefem Gram, den ich in mir getragen.

Ein Grabeshügel steht in düstrer Trauer,

Doch bunte Blumen aus ihm lustig sprossen,

Auf Tränenweiden an der Friedhofmauer

Die muntern Vögelschwärme singen, scherzen,

Das Auge glänzt von Tränen übergossen,

Der Mund doch lächelt, – das sind bittre Schmerzen!

Und solchen Schmerzen sind die Scherze, Possen,

Die ihr hier leset, einstens auch entsprungen,

Sie sind die Blumen, einem Grab entsprossen,

Die Vögel, hüpfend auf der Friedhofsmauer:

Denn frühe schon ergriff mich tiefe Trauer

Und hat das Herz mir bis zum Tod durchdrungen.


Ich ließ sie sein, ihr Lieben! ganz die jungen,

Die alte Hand hat sie nicht umgestaltet,

Auch eingedenk, was unser Freund gesungen:

»Zweimal, ihr Lieben! ist kein Traum zu träumen,

Noch das Zerbrochne wieder ganz zu leimen.«

So sind noch jung sie, wenn auch gleich veraltet.

Quelle:
Justinus Kerner: Werke. 6 Teile in 2 Bänden, Band 1, Berlin 1914, S. 12.
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