Fünfter Auftritt

[72] Die Vorigen. Ännchen.


ÄNNCHEN mit einer zugebundenen runden Schachtel, fällt noch mit ein. Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz! Nun, da bin ich wieder! Aber fast wär' ich auf die Nase gefallen. Kannst du dir's denken, Agathe? Der alte Herr Kuno hat schon wieder gespukt.

AGATHE beklommen. Was sagst du?

ÄNNCHEN. Daß ich über das alte Bild fast die Beine gebrochen hätte. Es ist diese Nacht zum zweitenmal von der Wand gefallen und hat ein tüchtiges Stück Kalk mit heruntergenommen. Der ganze Rahmen ist zertrümmert.

AGATHE. Fast könnte es mich ängsten! Er war der Urvater unsers Stammes.

ÄNNCHEN. Du zitterst auch vor einer Spinne! In einer so tollen Nacht, wo alle Pfosten krachen, ist's da zu verwundern? Auch führ' ich wohl keinen sonderlichen Hammer, und der alte Nagel war ganz verrostet. Nun frisch, noch einmal das Ende des Liedchens! Sie schneidet den Bindfaden entzwei, kniet tändelnd vor Agathe nieder und überreicht ihr die Schachtel, während sie mit den andern singt.

Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz!

Veilchenblaue Seide –

AGATHE öffnet und fährt zurück. Ach!


Alle außer Ännchen, die noch kniet, fahren gleichfalls erblassend zurück.


ÄNNCHEN. Nun, was ist denn? Agathe nimmt den Kranz heraus; es ist ein silberner Totenkranz. Selbst erschrocken. Eine Totenkrone! Himmel, das ist – Aufspringend und ihre Verlegenheit verbergend. das ist nicht zum Aushalten! da hat die alte halbblinde Botenfrau, oder die Verkäuferin, gewiß die Schachteln vertauscht! Die Brautjungfern sehen einander bedenklich an. Agathe blickt still vor sich nieder und faltet die Hände. Aber was fangen wir nun an? Sie macht schnell die Schachtel zu und verbirgt sie. Weg damit! Einen Kranz müssen wir haben![73]

AGATHE. Vielleicht ist dies ein Wink von oben; der fromme Eremit gab mir die weißen Rosen so ernst und bedeutend; windet daraus die Brautkrone!

ÄNNCHEN. Vor dem Altar und im Sarg mag die Jungfrau weiße Rosen tragen. Sie nimmt die Rosen schnell aus dem Blumentopf und verschlingt sie zu einem Kranz. Ein herrlicher Einfall! Sie verschlingen sich von selbst Sie setzt den Kranz Agathe auf. und stehen dir allerliebst! – Doch nun laßt uns auch gehen, unsere Begleiter werden sonst ungeduldig – Singt! singt!

BRAUTJUNGFERN UND ÄNNCHEN im Abgehen mit gedämpfter Stimme.

Schöner grüner, schöner grüner Jungfernkranz!

Veilchenblaue Seide! Veilchenblaue Seide!


Verwandlung


Eine romantisch schöne Gegend


Auf der einen Seite und in der Hälfte des Hintergrundes die fürstlichen Jagdzelte, worin vornehme Gäste und Hofleute, alle Brüche auf den Hüten, bankettieren. Auf der andern Seite sind Jäger und Treibleute gelagert, welche gleichfalls schmausen; hinter ihnen Hirsche, Eber und anderes Wildbret in Haufen aufgetürmt.


Quelle:
Carl Maria von Weber: Der Freischütz. Leipzig [o.J.], S. 72-74.
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