Erster Auftritt

[81] Waldgegend mit einer Eremitenwohnung


Neben dieser ein Altar von Rasen. Hinter ihm ein Kreuz oder Heiligenbild, ganz von weißen Rosen umblüht.


EREMIT vor dem Altar kniend.

Allerbarmer! Herr dort oben!

Dir, den Sonn' und Sterne loben,

Sei auch in der Einsamkeit

Deines Knechtes Herz geweiht!


Er faltet die Hände und stützt betend sein Gesicht auf den Altar. Pause, von Musik ausgefüllt. Dann richtet er sich, wie aus einer Entzückung, erschrocken in die Höhe.


Welch ein Gesicht! –

O Herr der Welt, gestatt' es nicht! –

Ich sah – noch jetzt ergreift mich Schauern –

Ich sah den Feind im Dunkeln lauern

Mit tückisch-freud'gem Angesicht.

Er streckte – ha! wie mir das Herz noch graust!

Er streckte seine Riesenfaust

Nach einem unbefleckten Lamm.

Agathe war's! – Nach ihrem Bräutigam

Lauscht' er mit gier'gen wilden Blicken,

Als woll' er seinen Fuß umstricken;

Im düstern Antlitz Spott und Hohn,

Erfaßt' er seine Rechte schon. ––


Mit brünstiger Andacht.


Herr! vernimm des Greises Flehen!

Laß den Frevel nicht geschehen!

Schirm, o Herr, der ewig wacht,

Vor des Bösen Trug und Macht![81]

O Herr! Vernimm des Greises Flehen,

Laß den Frevel nicht geschehen,

O Herr, vernimm sein Flehn!


Er steht auf und geht einige Schritte vorwärts.


Was war das? Ist mir doch, als wäre ich begraben gewesen und nun zurückgegeben dem Lichte! Ich lebe einfach, und mein Lager ist hart; kalt schleicht das Blut in den Adern des Greises – dann kommen Gesichte von Gott! – All ihr Heiligen! seit drei Tagen sah ich Agathen nicht, und schon zeichnet das Glöckchen der Klause sich auf jenen Büschen ab und verkündet das Herannahen des Abends. Dort – täuschen mich nicht die Augen – ja, sie ist's!


Quelle:
Carl Maria von Weber: Der Freischütz. Leipzig [o.J.], S. 81-82.
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