XI

[48] Cesare wird vom Vater zum geistlichen Stand bestimmt, während Juan, der Erstgeborene, die weltliche, die politische Karriere einschlägt.

Cesare soll in Perugia, der Hauptstadt Umbriens, Jura und Theologie studieren. Als Hofmeister wird ihm der Spanier Francesco Remolino beigegeben.

Cesare bildet sich zum vollkommenen Cortegiano, zum Mann von Welt aus.

Er reitet, schwimmt, tanzt.

Er liest die griechischen und lateinischen Klassiker, vor allem Cäsar, Livius und Herodot.

Er ficht Florett und Degen.

Er springt, ringt, singt.

Man muß, so sagt er zu Francesco Remolino, sein Leben als schönes Kunstwerk leben. Häßliche Dinge läßt man die anderen tun.

Sein liebster Umgang war ein verwachsener Zwerg namens Gabriellino, den er unterwegs auf der Reise wie eine vom Baum gefallene Nuß aufgelesen hatte.[48]

Sie gab ihm manches zu knacken:

Eure Herrlichkeit sind wohl nach Perugia gezogen, um eine Grabstatt für dero Herrn Vater ausfindig zu machen? Zum Begraben ist Perugia gar nicht so ungeeignet.

Der Jüngling runzelte die Stirn:

Wie meinst du das?

Nun: Perugia ist der bevorzugte Friedhof der Päpste. Innozenz III., Martin IV., Benedikt XI. liegen hier im Dom begraben. Die beiden ersten sogar Wange an Wange, d.h. Staub an Staub in der gleichen Urne. Ich habe mir schon oft gedacht, was das am Jüngsten Tag, wenn die Posaune ertönt, für ein Durcheinander geben wird. Die beiden werden sich in ihrem Staub miteinander nicht mehr auskennen. Vielleicht werden sie als Wunderpapst, ein Papst mit zwei Köpfen, auferstehen.

Cesare lachte:

Du hattest mir für den Abend ein hübsches Mädchen versprochen. Geh, hol sie mir!

Der Zwerg griente:

Ich werde Euch ein weibliches Wundergeschöpf vorstellen. Zwei wunderschöne Schwestern – zwei Leiber – und kein[49] Hirn, zwei Seelen – und kein Gedanke. Euer erlauchter Bruder, der nicht umsonst den Namen Don Juan trägt, würde –

Schweig, unterbrach ihn zornglühend Cesare, schweig mir von meinem Bruder. Ich will nichts von ihm wissen.

Und ungelesen zerriß er einen Brief Juans, den er soeben erhalten hatte.

Der Zwerg watschelte davon.

Quelle:
Klabund: Borgia. Wien 1931, S. 48-50.
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