XXIV

[117] Der eitle und kränkliche Piero di Medici folgt Lorenzo in der Regentschaft von Florenz.

Sein Hauptvergnügen besteht darin, in den öffentlichen Straßen mit seinen Kavalieren und Kurtisanen Ball zu spielen.

Eines Tages fällt ein Ball, von Piero di Medici geschleudert, durch ein Fenster von Kirche Santa Maria del Fiore, wo Fra Girolamo gerade predigt.

Der Frate ergreift den Ball und zertritt ihn auf dem steinernen Fußboden der Kirche.

So wird Gott Florenz zertreten, wenn du[117] dich nicht ermannst, Volk von Florenz! Wie lange willst du noch mit dir spielen lassen! –

Piero kann die Zügel des Regimentes nicht halten.

Sie schleifen ihm am Boden nach.

Das Bankhaus der Medici gerät in Schwierigkeiten.

Piero kündigt zahlreiche, von seinem Vater angesehenen Florentinern eingeräumte Kredite.

Es sind schlechte Handelszeiten.

Viele achtbare Kaufleute gehen fallit.

Die Armen und Ärmsten beginnen zu hungern.

Es gab eine Mißernte. Bauern zogen scharenweise in die Stadt, Arbeit zu suchen, die sie nicht fanden.

Die Getreidepreise stiegen von Tag zu Tag.

Der Stajo kletterte von 34 auf 60 Soldi. Die Abneigung gegen Piero wächst.

Als die Hungersnot kein Ende nahm, predigte Fra Girolamo und befahl, »den Tag des Almosens« abzuhalten: in Santa Maria del Fiore, in Santa Maria Novella und in Santo Spirito.[118]

In allen Kirchen war ein besonderer Altar errichtet, der »Altar der Armut«. Und es kamen die wohlhabenden Bürger und Bürgerinnen, vom Frater in ihrem Gewissen aufgerüttelt, und lieferten auf dem Altar der Armut ab: Perlen, Brillanten, Goldketten und Ringe, silberne Schüsseln, Seidenkleider, Samt- und Wollstoffe.

Aber Piero di Medici war nicht unter denen, die Almosen gaben.

Da zog das Volk vor seinen Palast und schrie:

Liefere ab, liefere ab –

Liefere deine Waffen ab –

Liefere deine Krone ab –

Liefere deine Regentschaft ab –


Die apokalyptischen Predigten und düsteren Prophezeiungen des Fra Girolamo hatten eine gewaltige Wirkung auf das florentinische Volk.

Die Mädchen und Frauen legten ihre bunten Gewänder ab, und statt Rot, Grün, Violett, Gelb sah man nur noch Grau und Schwarz auf der Piazza.

Viele Männer gingen in braunen, leinenen[119] Kutten, manche mit einem Strick um den Hals, um zu zeigen, daß sie im Grunde ihrer Seele demütig waren und vor Gott nichts anderes verdienten, als aufgehängt zu werden.

Wenn Fra Girolamo in Santa Maria del Fiore predigte, wies er Männern und Frauen getrennte Plätze an. Sie durften sich nicht miteinander vermischen.

Es kamen auch viele Männer in ihrer Not zu den Wundärzten gelaufen mit der Bitte, sie zu kurieren. Sie hatten sich mit rohen Instrumenten, Küchenmessern und spitzen Feldsteinen selbst kastriert und sich schlechtheilende Wunden beigebracht.

Quelle:
Klabund: Borgia. Wien 1931, S. 117-120.
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