XLVII

[256] Es zeigte sich, dass auch Cesares Reich nur von der Autorität des päpstlichen Vaters zusammengehalten worden war.

Stück für Stück brach aus Cesares Krone.

Die von Cesare vertriebenen Fürsten kehrten, von der Bevölkerung jubelnd begrüßt, in ihre Hauptstädte zurück: Sforza nach Pesaro, Guidobaldo nach Urbino, Varano nach Camerino – und so fort.

Cesare lag noch immer schwerkrank zuBett, in allen seinen Entschlüssen und Taten gelähmt und gehemmt. Macchiavelli stattete ihm einen Krankenbesuch ab.

Ich habe an alles gedacht, seufzte Cesare, aber daß ich in dem Moment, wo mein Vater stirbt, schwer krank daniederliegen würde – daran habe ich nicht gedacht. Ich bin ohnmächtig, ich bin ganz hilflos. –

Nur die Romagna hielt noch zu ihm.

In Ferrara zitterte Lucrezia um Cesare.

Ihre Stellung war durch ihre Schönheit, Klugheit und Vorsicht unantastbar. Sie erreichte, daß der Herzog Cesare Truppen sandte, um ihm die Romagna zu erhalten. –

Piccolomini wurde als Pius III. zum Papst gewählt.

Cesare frohlockte. Der Piccolomini war ihm gewogen. Cesare hatte einige Kardinale zu seinen Gunsten bestochen.

Schon nach drei Wochen starb Pius III. Cesare brach zusammen.

Es ging zu Ende mit den Borgia. Sie hatten kein Glück mehr. Fortuna, die ihnen fünfzig Jahre zugelächelt hatte, wandte ihr Antlitz von ihnen. Woher sie gekommen waren: aus dem Dunkel, aus dem Nichts, dahin[259] kehrten sie wieder zurück, in das Nichts, in das Dunkel.

Cesare ritt durch die Stadt, sich sein Grab selbst auszusuchen. Er fieberte noch immer. Aber er nahm die Fiebermittel nicht, die ihm sein Leibarzt verschrieb. Er goß sie unters Bett.

Wen würden sie zum Papst wählen?

Er verfluchte sich, daß er seinerzeit den Kardinalspurpur so leichten Herzens abgelegt hatte.

Heute hätte er ihn brauchen können.

Vielleicht war der Rovere noch der brauchbarste Papst für die Borgia?

Er verschaffte ihm die Stimmen der spanischen Kardinäle.

Der Rovere setzte sich als Julius II. die Tiara aufs Haupt.

Julius II. sprach:

Ich will nicht in den Räumen wohnen, wo der Borgia wohnte, der das heilige Ansehen der Kirche geschändet hat wie nie einer zuvor. Er hatte den päpstlichen Thron nicht rechtmäßig inne, sondern usurpierte ihn mit Hilfe des Teufels. Und ich verbiete bei Strafe, den Namen Borgia in Rom künftig[260] verlauten zu lassen. Sein Name sei durchstrichen, ausgelöscht und vergessen. Alle Bilder der Borgia sollen mit schwarzen Tüchern verhängt werden. Alle Grabsteine der Borgia sollen umgedreht werden, die Inschriften herausgemeißelt.


Julius II. forderte von Cesare Borgia die Übergabe der befestigten Plätze in der Romagna. Cesare sah ein, daß Widerstand nutzlos war. Er floh. In Ostia bestieg er ein Segelboot.

Als er in Neapel landete, wurde er verhaftet und ins Kastell von Ischia geworfen.

Er brach aus und gelangte nach Spanien.

Zerlumpt, wie ein Matrose, betrat er die spanische Erde, die Erde, die ihn und alle Borgia hervorgebracht.

Julius II. hatte seine Besitztümer konfiszieren lassen.

In einer Spelunke Sevillas, wo er mit allerlei zweifelhaften Subjekten verbotenem Spiel oblag, wurde er wiederum verhaftet und ins Kastell Medina del Campo geschafft. Er rief den König von Frankreich um Hilfe an.

Es kam keine Antwort.[261]

Er schrieb an Lucrezia.

Der Brief wurde unterschlagen.

Er wußte nicht, daß sie inzwischen Herzogin von Ferrara geworden war.

Ercole war gestorben, Alfonso hatte den Thron bestiegen.

Es gelang Cesare nochmals, zu entfliehen. –

Er trug einen tödlichen Haß gegen Julius II. im Herzen.

Haß ist gut, dachte er. Aber er darf nicht gefühlvoll basiert sein. Es muß ein systematischer Haß sein, ein nüchtern mathematischer. Ich hasse Julius zu heiß.

Die Flucht wurde nach Italien berichtet und setzte den Papst in Schrecken:

Ein furchtbarer Mann, dieser Cesare Borgia. Wir haben uns des kühnsten Wagemutes von ihm zu versehen. Sein Name allein genügt, Heere aufzustellen.

Es geht noch immer eine mystische Kraft von ihm aus. –

Er beschloß, ihm Halt zu bieten.

Bei Pamplona, hinterhältig angegriffen, sank Cesare, einunddreißig Jahre alt, unter den Dolchen von Meuchelmördern. Sieben hatten ihn überfallen.[262]

Sechs verwundete er noch tödlich, ehe der siebente ihm den Todesstoß versetzte.

Dieser siebente war ein Mohr. Voll Hochachtung betrachtete er den toten Feind.

Tapferer Mann, tapferer Mann. Aber gut, daß er tot und ich noch lebe.

Tausend Dukaten winkten ihm und die Heimkehr nach Afrika zu seiner schwarzen Gattin.

Voller Sehnsucht leckte er sich die dicken Lippen, als er das blutige Messer am Kleid des Borgia abwischte.

Quelle:
Klabund: Borgia. Wien 1931, S. 256-257,259-263.
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