1. Morgenlied/

[265] auf die Weise: Nun mein Seel den Herren


1.

Avf/ auf mein Geist nim Flügel/

die frühe Sonne stehet auf!

vergüldet Berg und Hügel/

auf/ auf/ nim früh zu Gott den Lauf!

der helle Tag tagt wider/

sing eine Melodey/

der schönstversüsten Lieder/

daß Gott dein Schutz Herr sey/

der dich beschirmt für Schaden/

geführet ein vnd auß/

auf Flügeln der Genaden/

dich vnd dein gantzes Hauß.


2.

Der Vogel Chor in Lüfften

singt aller Herren Herren an/[265]

ein jedes Thier in Klüfften/

lobt Ihn so gut es immer kan/

die stralenden Lucernen

am schönen Himmelblau/

Sonn/ Mond vnd alle Sternen/

Schnee/ Schlossen/ Regen/ Thau/

Frost/ Sturm/ Eiß/ Feuer/ Hitze/

Liecht/ Tunckel/ Tag und Nacht/

Wind/ Wetter/ Donner/ Blitze/

Gewürm/ was er gemacht.


3.

Das rühmet seinen Schöpffer/

und du/ du stimmest nicht mit ein/

du bist Thon/ Er der Töpfer/

Er Himmel/ du das Sandkörnlein/

Er kan und will dich gleiten

bekand und unbekand/

im fahren/ gehen/ reiten/

zu Wasser und zu Land.

Mit neuverjüngten Morgen

ist seine Güte neu/

Er sorget deine Sorgen/

schützt dich mit treuer Treu.[266]


4.

Durch seine Reichsgenossen

die heiligkeusche Dienerschaar/

der Schaar die nicht verdrossen/

errettet/ reisset auß Gefahr.

Die hat dich heint ümgeben/

dir jüngstverwichne Nacht

verwachet Leib und Leben/

gesund ans Liecht gebracht/

daß dich kein Fall gestürtzet/

daß dir kein Vngemach

die Nahrung abgekürtzet

in deinem Dach und Fach.


5.

Drüm must du nicht verjagen

die Geister himmelher gesand/

Sie können nicht ertragen

verruchter Sünden-Laster Schand.

Der Stanck die Tauben sterbet/

der Rauch das Bienen Hauß/

der Sündenwust verderbet/

der Engel zeuhet auß/

wo man nicht Gott für Augen

und auch im Hertzen hat/[267]

ohn Gott kein Werck kan taugen/

es hilfft noch Rath noch That.


6.

Es gieng in einer Stunde

wer es ohn Gottes guter Hut/

die gantze Welt zu Grunde

durch Räuber/ Wasser/ Schwefelglut/

das kränkt den alten Drachen/

der ist dir Spinnefeind/

sperrt auf den Höllen Rachen/

dich zu verschlingen meint/

dem Engel ist befohlen/

zu tragen auß und ein

dich/ daß nicht deine Solen

zerstöst ein rauher Stein.


7.

Lob Ihn mit so viel Zungen/

als Sand an allen Vfern ligt/

so viel als Engel sungen/

Da man der Engel Lust gewiegt/

mit so viel tausend Weisen

als Stern am Himmel stehn/

die preisen Ihn/ vnd reisen/

in guter Ordnung gehn/[268]

dich ist deß Dancks zu wenig

vor seine Wacht entricht/

der grosse Himmelkönig

entschläfft und schlummert nicht.


8.

So bringe nun den Herren

Gewalt/ Krafft/ Ehre/ Stärck und Macht/

der Thür und Thor will sperren/

verriegeln dich zu Tag und Nacht/

daß dir die Sonn am Tage

mit Hitze nicht kan bey/

daß dich der Mond nicht plage

deß Nachts mit Raserey/

der Herr/ wilt du weggehen/

wird mit dir gehen auß/

und wider heim/ stets stehen

bey dir in deinem Hauß.


9.

Die Morgenröhte kühlet/

Auf/ auf mein Seitenspiel auf/ auf!

Auf/ meine Hände spielet/

und laß der Harfen Lust den Lauff!

Ich will/ weil ich hier walle

auf diesem Erdenrund/[269]

deß Herren Ruhm mit Schalle

den Völckern machen kund/

Gott der mir Leib und Leben

behütet je und je/

wird mir den Himmel geben

diß Eine bitt ich früh.

Quelle:
Johann Klaj: Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften, Tübingen 1968, S. 265-270.
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Friedensdichtungen
Friedensdichtungen und kleinere poetische Schriften

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